Donnerstag, 27. Oktober 2011

Der Gedanke der Frauenemanzipation in der Geschichte

Von Stefan Sasse

Suffragettenmarsch in New York, 1912
Die Gleichberechtigung der Frau ist ein Thema, das heute wie sonst nur das fließende Wasser und die Elektrizität dazu dient, die Moderne von der Zeit davor zu trennen. Im populären Narrativ waren die Frauen Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende durch den Mann unterdrückt und errangen ihren Platz in der Welt erst im späten 19. und im Verlauf des 20. Jahrhunderts. Die Sichtweise der heutigen Zeit als einer erleuchteten und der Vergangenheit als einer düsteren, zurückgebliebenen aber ist anachronistisch und wenig aussagekräftig. Tatsächlich ist die Gleichberechtigung der Frau ein modernes Thema, aber vor allem deshalb, weil sie erst seit kurzer Zeit überhaupt eine Rolle spielt. Ich will im Folgenden versuchen, diesen Gedanken etwas näher auszuführen. Es soll keineswegs versucht werden, Erfolge oder Zielsetzungen der Feminismus-Bewegung zu relativieren (meine zeitgenössischen Gedanken dazu finden sich hier), sondern einen Erklärungsversuch für einige Paradoxien des bestehenden, oben skizzierten Narrativs zu finden und die Emanzipationsbewegung in einen allgemeineren historischen Kontext zu rücken. 

Das größte Problem der feministischen Geschichtssicht ist die Erhöhung der eigenen Leistung als Ausbruch aus einem uralten Schema. Die Idee, dass die Frau Jahrhunderte der Unterdrückung durch den Mann erlitt, ehe einige aufrechte Suffragetten und später Alice Schwarzer (als pars pro toto) diesen Zustand beendeten, ist absurd. Weder waren die früheren Frauen allesamt zu blind, dumm oder impotent, um ihren Zustand erkennen und ändern zu wollen, noch ist es vorstellbar, dass eine als untragbar empfundene Unterdrückung eines so großen Gesellschaftsteils über so lange Zeit Bestand hat. Es muss immer auch Profiteure auf der unterdrückten Seite geben, immer auch eine gewisse Grundpragmatik, oder der Aufstand ist unvermeidlich. Um dies an anderen Situationen aufzuzeigen: viele Diktatoren schaffen einen großen, vernetzten und privilegierten Militärapparat, auf den sie sich stützen. Niemals ist die Gesamtheit des Volkes gleich unterdrückt; eine solche Herrschaft wäre nicht aufrecht zu erhalten. Tatsächlich waren frühere Arrangements - und "früher" steht hier für die Zeit vor dem 19. Jahrhundert - hauptsächlich pragmatischer Natur und weniger Ausdruck einer patriarchalischen Allmacht. 

Hauptquartier einer Organisation gegen das Frauenwahlrecht
Bedeutet das, dass Mann und Frau früher gleichberechtigt waren? Sicher nicht. Nur, eine allgegenwärtige Unterdrückung hat auch nicht stattgefunden. Sicherlich ist es richtig, dass in Rechtsfragen ein starkes Gefälle vom Mann zur Frau bestand. Die Verfügungsgewalt über das Eigentum, die Möglichkeit, Rechtsakte abzuschließen und die Vertretungsmöglichkeiten vor Gericht oder in eventuell vorhandenen politischen Repräsentationskörpern waren mit wenigen Ausnahmen männliche Domänen. Das Problem ist, dass ein überwältigender Großteil der Bevölkerung während des größten Teils der europäischen Geschichte vor allem zwei Dinge war: arm und weitgehend rechtlos. Das Problem mangelnder Rechte und Machtmittel war keinesfalls auf die Frau beschränkt. In einer mittelalterlichen Bauernfamilie kann die Frage einer "Gleichberechtigung" aus praktischen Gründen kaum aufkommen. Einer Gleichberechtigung zu was?

Gearbeitet haben in solchen Familien ohnehin alle, ob Mann, Frau oder Kind. Etwas anderes war schlechterdings nicht vorstellbar. Um das eigene Überleben zu sichern, war man darauf angewiesen die vorhandene Arbeit so effizient wie möglich aufzuteilen. Dieses Muster findet sich auch noch in den Arbeiterfamilien des Raubtierkapitalismus im 19. Jahrhundert: arbeiten müssen alle, auf die eine oder andere Weise. Die grundlegende Wahl eines Lebensstils, die dem Feminismus - wie noch zu zeigen wird - eigentlich zugrundeliegt war schlicht nicht gegeben. Die Frage der Gleichberechtigung war deswegen auch so lange nicht auf der Agenda, weil eine grundlegende Vorstellung darüber, wie sie eigentlich aussehen sollte überhaupt nicht vorhanden war. Politische Emanzipation hatten über lange Strecken weder Mann noch Frau (noch Mitte des 19. Jahrhunderts war die Bevölkerung in weiten Teilen Europas weitgehend rechtlos, und wo überhaupt gewählt werden konnte handelte es sich praktisch ausschließlich um Zensuswahlrechte, die breite Bevölkerungskreise ausschlossen). Breite Bildung genossen weder er noch sie. Lediglich der Adel spielte hier in einer anderen Liga. 

Werbeplakat für das Frauenwahlrecht, 1909
Es ist kein Zufall, dass die Rufe nach Gleichberechtigung ausgerechnet im 19. Jahrhundert begannen. Sie fallen zusammen mit der Entstehung des modernen Bürgertums. Erst im Bürgertum nämlich ist die eine, absolute Grundvoraussetzung für die Emanzipationsbewegung gegeben: die Rolle des Mannes als Alleinverdiener. Erst die wirtschaftliche Prosperität jener Epoche, die breiteren Bevölkerungskreisen die Möglichkeit gab, einen Teil der Familie von der Last des Broterwerbs zu befreien und das als Statussymbol initiierte schuf diese Grundvoraussetzung. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Frau zuhause blieb und der Mann das Geld heranschaffte veränderte sich die Gesellschaft grundlegend. Es ist daher auch nachvollziehbar, dass die Emanzipationsbewegung lange Zeit eine Angelegenheit der oberen Schichten blieb und in der Arbeiterschaft, wo die Situation der Frauen eigentlich am Schlechtesten war, keinen Zuspruch fand. Wer ohnehin für das Überleben schuften muss, der interessiert sich nicht für die Möglichkeit, eine Universität zu besuchen. Stattdessen steht die wirtschaftliche Sicherheit im Vordergrund (siehe hier).

Schichtinteressen sind einer der meistunterschätztesten Faktoren in der Emanzipationsgeschichte. Das moderne Feminismusnarrativ hat es geschafft, sich als eine Bewegung aller Frauen, gleich welcher Schicht und Alters, auszugeben. Das ist heute so falsch wie damals, und nirgends wird dies deutlicher als an den frühen Suffragetten des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die zwar mit Verve für ihr Recht zu wählen eintraten, sich aber andererseits den ganzen Tag von Kindermädchen und weiblichen Haushaltshilfen umsorgen ließen, ohne etwas dabei zu finden. Ihr Bildungserwerb und die Entstehung ihres politischen Bewusstseins war nur möglich, weil sie die materiellen Grundlagen dafür besaßen - genauso wie bei den Männern, deren politisches Bewusstsein ebenfalls, wenn auch zeitverschoben früher, mit materiellen Zugewinnen und steigender wirtschaftlicher Sicherheit und Prosperität entstand. Die Frauen stellen zu keiner Zeit einen monolithischen Block mit einheitlichen Interessen dar. Die Behauptung des Gegenteils durch den Feminismus beruht auf dem gleichen Denkfehler wie Marx' Theorie, die Bourgeoisie und Proletariat einheitliche Klasseninteressen zusprach. Beide konnten nie verstehen, warum sich Teile der von ihnen imaginierten Klassen ihrer Utopie entzogen. 

Britische Suffragette,  1910
Der Grund dafür liegt schlicht darin, dass die Gesellschaft komplexer aufgebaut ist, als die Vordenker dieser Bewegungen (die sich teilweise verblüffend ähneln) es wahrhaben wollten. Dem Geschlecht der Frau anzugehören allein schafft noch keine riesige Zugehörigkeit, genausowenig wie Arbeiter zu sein jemanden sofort für andere Arbeiter einnimmt. Eine Frau der gebildeten Oberschicht wird zu einem männlichen Mitglied dieser Schicht stärkere Bindungen empfunden haben als zu einer ungebildeten, ungelernten Fabrikarbeiterin, und der eine Arbeiter kann engere Geistesverwandtschaft mit einem liberalen Unternehmer erkennen als zu einem streng katholischen, das Zentrum wählenden Kollegen. Die Ignoranz gegenüber solchen komplizierteren Bindungen, die teilweise das "Klasseninteresse" deutlich überlagern und in den Hintergrund drängen (um in der marxistischen Terminologie zu bleiben) ist bis heute ein ungelöstes Paradox in den linken und feministischen Ideologien, das deren Vertreter oftmals ratlos zurücklässt. Vielleicht ist es gerade diese Geistesverwandtschaft, die dafür sorgte dass sich die Emanzipationsbewegung auf Seiten der politischen Linken findet. 

Der wirtschaftliche Aufschwung und das rasante Wachstum der Mittelschicht besonders im 20. Jahrhundert bedingt praktisch den Aufstieg des Feminismus. Veränderungen innerhalb der Gesellschaft finden stets zeitversetzt statt; niemals passiert alles gleichzeitig, einem abgestimmten Organismus ähnlich. Daher wurde die rechtliche Benachteiligung von immer mehr Frauen im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts als drückender empfunden. Daher gab es Schritte, sie abzuschaffen, und genau daher gibt es auch Männer, die sich diesem Ziel verschrieben (in Deutschland etwa setzte sich die Sozialdemokratie von Beginn an für die Gleichberechtigung von Mann und Frau ein). Das Statussymbol der Ehefrau, die nicht arbeiten MUSS, weil der Mann erfolgreich genug ist seine Familie alleine zu versorgen, war zu seiner Zeit ein gigantischer Fortschritt und nicht, wie es das Emanzipationsnarrativ heute sieht, das finstere Mittelalter der Frauenrechte. Für die damalige Zeit gewannen Frauen durch dieses Arrangement massiv an Sicherheit. Sie mussten nicht mehr ihre Gesundheit ruinieren, um auf dem Feld oder in der Fabrik zu schuften, und sie mussten keine Gebärmaschinen mehr sein, um die Altersversorgung sicherzustellen. Stattdessen konnten sie erstmals selbst an Kultur und Bildung teilhaben, wie die Männer ein oder zwei Generationen vor ihnen. Erst auf Grundlage dieser Entwicklung war es überhaupt möglich - und notwendig - die Gleichberechtigung auf eine neue Stufe zu treiben. 

"Woman Power", Symbol des pol. Feminismus
Die Richtigkeit dieses Sachverhalts erkennt man heute beispielsweise überall dort, wo die Frau arbeiten MUSS. Der anhaltende Niedergang besonders der unteren, gefährdeten Mittelschicht und die Ausweitung des Niedriglohnsektors seit den 1980er Jahren hat den Zweiverdienerhaushalt zur Regel gemacht. Wo beide Seiten gezwungen sind zu arbeiten ist wiederum wenig Raum für Rechte. Die Emanzipationsbewegung findet ihre stärksten Anhänger nicht zufällig in der gebildeten Mittelschicht, besonders im akademischen Umfeld. Hier sind die Vorteile am sichtbarsten, am greifbarsten und am wichtigsten. Entsprechend ist die Emanzipationsbewegung hier auch am erfolgreichsten. Es ist dem Feminismus nie gelungen, eine Brücke zu den unteren Gesellschaftsschichten zu schlagen, und er hat es selten ernsthaft versucht. Das Unverständnis etwa Alice Schwarzers gegenüber einer Ikone wie Verona Feldbusch, das Unverständnis von Feministinnen gegenüber den Tussi-Stilen und anderen Trends sozial eher niedrig stehender Schichten legt darüber beredtes Zeugnis ab. Es gibt kaum emanzipatorische Programme für Niedriglohn- und Facharbeiterjobs, selbst heute nicht. Die Emanzipatonsakteure fordern eine Frauenquote für Vorstände; politische Forderungen für Arbeiterinnen, alleinerziehende Mütter oder Hartz-IV-Empfängerinnen sind seine Sache nicht. Er ist heute mehr denn je eine Klassenveranstaltung. Es ist die große Lebenslüge des Feminismus, mit dem Anspruch für alle Frauen sprechen zu wollen diesen Sachverhalt zu verdrängen. Es geht ihm inzwischen um die Sicherung von Privilegien für seine Klientel, und das heißt gut bis sehr gut verdiendende Frauen mit breiter Bildung. Ihren Erfolg zu sichern und auszubauen ist das Ziel des Feminismus. Eine Emanzipationsbewegung für die unteren Schichten ist er nicht. Diese haben seit dem Ende des Sozialismus keine mehr.

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Bildnachweise: 
Marsch - unbekannt (gemeinfrei)
HQ - Harris&Ewing (gemeinfrei)
Plakat - Hilda Dallas (gemeinfrei)
Suffragette - Ch. Chusseau-Flaviens (gemeinfrei)
Symbol - unbekannt (gemeinfrei)

10 Kommentare:

  1. Sehr guter Artikel, und besonders starker letzter Satz!

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  2. Hallo Stefan,

    ich bin ein sehr großer Fan und begeisterter Leser Deines Blogs. Immer wieder empfinde ich Deine Beitrage als gut recherchiert, intelligent, quer denkend und Erkenntnisreich. Vor allem differenziert sich Dein Blog für mich gegenüber dem überwiegenden Teil dessen, was man im Internet (und leider zunehmend auch in anderen Medien) so zu lesen bekommt durch Deine polemikfreie Darlegung. Auch schreibst Du ohne journalistischen Hintergedanken, was Deinen Blog in dieser Kombination in meinem Newsreader ziemlich einzigartig macht. Mit anderen Worten: Deine Beiträge bedeutet mir was.

    In sofern sticht dieser Artikel heraus. Es erscheint mir, als würde Dir bei diesem Thema das gewisse Maß an Distanz abhanden kommen, was Deine anderen Artikel auszeichnet. Und zum ersten Mal habe ich das Gefühl, als würde dies Deine Betrachtung in Mitleidenschaft ziehen.

    Konkret:

    Alice Schwarzer ist ein deutsches Phänomen. BTW: Zu dem hat sich das Meinungsbild von Alice Schwarzer in der deutschen Gesellschaft von Ihrer Person und Ihrer Eigendarstellung abgekoppelt. Es gibt so gut wie keine Person des öffentlichen Lebens, dessen gegenwärtige Wahrnehmung so sehr von den 70er und 80er Jahren geprägt ist. Gleiches gilt für die Wahrnehmung 'der Frauenbewegung'. Wie dem auch sei:

    Beispiele aus Deinem Text:

    'Die Idee, dass die Frau Jahrhunderte der Unterdrückung durch den Mann erlitt, ehe einige aufrechte Suffragetten und später Alice Schwarzer (als pars pro toto) diesen Zustand beendeten, ist absurd'

    Alice Schwarzer ist Repräsentant einer weltweiten Frauenbewegung? Warum auch das strenge Wort absurd? Einen Anteil an der Veränderung der Gesellschaft, die die Frauenbewegung ja wohl mindestens gefördert hat, kann doch nicht abgesprochen werden.

    'Es ist die große Lebenslüge des Feminismus, mit dem Anspruch für alle Frauen sprechen zu wollen diesen Sachverhalt zu verdrängen'

    Ich gebe Dir ja recht, dass Emma & Co nicht alle Schichten der Gesellschaft und schon gar nicht weltweit erreicht oder vertritt. Ein solcher Anspruch ist aber auch kein reines Phänomen der Frauenbewegung sondern taucht bei nahezu allen sozialen Veränderungsbewegungen auf. Dabei bin ich mir nicht mal sicher, ob 'Emma & Co' diesen Anspruch überhaupt noch hat.

    weiterhin:

    - Die Frauenbewegung reduziert sich nicht auf das Thema Gleichstellung. Vielmehr ist auch das Thema Gewalt gegen Frauen Teil der Bewegung. Dein Versuch, die Frauenbewegung in einem historischen Kontext zu setzten, reduziert sich aber auf die Frage der wirtschaftlichen Aspekte.

    - In diesem Kontext lesen sich Deine historischen Verweise auch unglücklich.

    Jetzt könnte ich noch was zur Rolle der Frau in der DDR schreiben, aber so wichtig ist mir das Thema ja gar nicht.

    Ich freue mich auf den nächsten Artikel,

    Gruß

    Michael

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  3. Ich möchte mich Michaels Kommentar anschließen. Mir scheint, dass insbesondere die letzten 20 bis 30 Jahre wissenschaftlicher Auseinandersetzung im Bereich der Frauen- bzw. Geschlechterforschung vollkommen ignoriert werden. Der Feminismus wird als eine kohärente und homogene Gruppe dargestellt, die einer klar sichtbare historischen Entwicklung entspringt. Das aber ist falsch und das als Historiker zu ignorieren mindestens problematisch.

    Zu allen Zeiten, besonders aber heute, ist Feminismus eben nicht nur Alice Schwarzer und Suffragetten sondern bedeutend mehr und gerade der letzte Gedanke deiner Ausführungen wird in den feministischen Kreisen in denen ich mich bewege (bzw. vor allem lese) sehr (selbst-)kritisch bearbeitet. Beispielsweise wird insbesondere die vielfach gezeigte Karrierefixierung, die auch du zu Recht kritisierst, argwöhnisch beobachtet und vielerorts abgelehnt.

    MfG,
    Carsten

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    1. "Beispielsweise wird insbesondere die vielfach gezeigte Karrierefixierung, die auch du zu Recht kritisierst, argwöhnisch beobachtet und vielerorts abgelehnt."

      Dann kann man aber natürlich nicht statistisch den gleichen Erfolg erwarten wie bei einem karrierefixierten Mann. Ist es das, was dann eine Frauenquote ausgleichen soll?

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  4. Ich hätte hier vermutlich deutlicher sagen sollen: ich meine den politischen Feminismus, nicht die Emanzipationsbewegung im Allgemeinen. Ich habe Schwarzer außerdem explizit "pars pro toto" gesetzt; ich denke auch an solche Figuren wie Thea Dorn oder Barbara Bierach.

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  5. Erstmal vielen Dank für den Artikel.

    Ich muss sagen, ich finde diese Einseitigkeit sogar gut, denn genau das ist es ja, was auch in der Öffentlichkeit behandelt wird. Natürlich ist nicht jede Feministin eine Alice Schwarzer oder Thea Dorn, aber dieser "andere Feminismus" findet in der Öffentlichkeit nicht statt. Die meisten wissen gar nicht, dass es ihn überhaupt gibt.

    Und ich glaube, das ist auch das größte Problem. Der ganze öffentliche Diskurs richtet sich nach der Agenda von Leuten wie Alice Schwarzer & co. Ich finde, man konnte das gut an den Meinungsartikeln zur Frauenquote sehen. Als wenn sich die Modernität von Deutschland, Frauengleichstellung, Pipapo daran bemisst, ob es für die 30!-Dax-Unternehmen eine feste Quote gibt oder nicht. Ehrlich gesagt stellen sich mir da die Haare zu Berge.

    Und - so ist zumindest mein Gefühl - ich finde auch, dass diese Karrieredominanz dazu führt, dass der familiäre Aspekt ständig unter den Tisch fällt. Als wenn es reicht, einen Kindergartenplatz zu haben und schon können Mama und Papa beide die Top-Karriere machen ohne irgendwelche Einbußen. Das ist natürlich Quatsch, selbst ein Kind oder gar mehrere, mit Kindergartenplatz und Ganztagsschule kostet immer noch Zeit, Kraft und Energie. Und das fällt imo regelmäßig unter den Tisch und es würde mich auch stark wundern, wenn eine dieser Vorstandsfrauen ein Kind unter 12 Jahren hat.

    Ja, lange Rede kurzer Sinn. Ich finde einfach diese Dynamik bedenklich, dieses ganze feministische Gequatsche hat sich recht vollständig von der Wirklichkeit abgekoppelt und führt ein merkwürdiges Eigenleben.

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  6. Toller Artikel, kann dem nur zustimmen, die Klasse ist wichtiger als Geschlecht. Allerdings versäumt der Autor, auf die prekäre Lage von Männern aus den unteren Schichten einzugehen, also auf die Tatsache, dass Männer aus den Unterschichten immer schon und heute auch noch viel mehr benachteilgt werden als Frauen aus den oberen Schichten.
    Einen Artikel zum Zusammenhang von sozialer LAge und Geschlecht vor dem Hintergrund der aktuellen Quotendebatte findet man hier:
    http://www.freitag.de/community/blogs/guenterbuchholz

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  7. "Toller Artikel, kann dem nur zustimmen, die Klasse ist wichtiger als Geschlecht."

    Angesichts der sexuellen Gewalt, welcher Frauen seit jeher durch Männer ausgesetzt sind, ist Deine Behauptung entweder zynisch oder dumm.


    Zum Artikel: Dieser soll sich, so Stefans Kommentar oben, nur auf den politischen Feminismus (in Deutschland) beziehen. Diese Absicht wird im Text jedoch nicht deutlich, sollte daher nachträglich herausgearbeitet werden, um Missverständnissen vorzubeugen.

    Die rechtliche und (dereinst) gesellschaftliche Gleichberechtigung weiblicher und männlicher Menschen nur politisch und ökonomisch zu betrachten zeugt vom Blinden Fleck vieler (männlicher) Diskussionsteilnehmer: Dass nämlich die nahezu allen Frauen drohende sexuell bedingte Gewalt nach wie vor eine (wenn nicht gar die) entscheidende Ungleichheit zwischen Frauen und Männern darstellt. Über diese mit sozialhistorisch-weitschweifendem Blick hinwegzugehen, verhindert psychologische Einsichten, ohne die moderner Feminismus (oder Egalitarismus) sich nicht verstehen lässt.

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  8. Ja und Nein. Gewalt im eigenen Haus, das hat etwa Arne Hoffmann eindrücklich herausgestellt, ist keine exklusiv männliche Domäne. Obwohl Frauen mit Sicherheit besonders in der von mir auch zweifelsfrei zugestandenen Periode sicherlich teils schwere Misshandlungen erdulden mussten, ist dies in meinen Augen immer noch eine historische Anomalie. Unter Männern ist das Schlagen der Frau selten eine Tat, derer man sich rühmt. Gewalt ist seit jeher die Ausflucht derer, die keine andere Lösung sehen, und nichts heroisches. Sie zeugt von einem primitiven Geist. Die Hemmschwelle ist heute deutlich höher als früher, keine Frage. Dafür ist sie für Frauen gesunken.

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  9. Bei allem Respekt, Stefan... "Arne Hoffmann" (!) hat irgendetwas "eindrücklich herausgestellt"? Willst Du mich veräppeln?

    Im Übrigen ging es mir nicht ums häusliche Prügeln, sondern um die empirisch messbaren Auswirkungen dessen, was feministische Theorien als "Rape Culture" beschreiben.
    Über Gleichberechtigung von Frauen und Männern - wenngleich als Historiker - zu schreiben, ohne dabei Wörter wie "Vergewaltigung" oder "Vergewaltigungsmythos" auch nur ein einziges Mal zu verwenden, ist verdächtig.

    Überhaupt scheint mir der linke und linksliberale Diskurs, sofern er nicht akademisch geführt wird, einen blinden Fleck für die Argumente und empirischen Grundlagen feministischer Standpunkte aufzuweisen. Mit Schrecken erinnere ich mich beispielsweise an peinlich bildungsbereinigte Ergüsse auf Spiegelfechter und anderen Seiten - von den Kommentaren hunderter Crétins einmal ganz zu schweigen.
    Insbesondere über dieses Thema sollte man erst einmal ausreichend lesen, bevor man sich öffentlich dazu äußert. Wem gar ein grober Überblick entsprechender Studien in Kriminologie, sowie Empirischer Psychologie und Sozialpsychologie der Geschlechter fehlt, macht sich mit nahezu jeder Äußerung über "Den Feminismus" lächerlich.
    In Deinem Essay sehe ich keine derart üblen Mängel. Doch solltest Du Dich mMn um einen schärferen Blick für die menschlichen (dh psychologischen und sozialen) Grundlagen dieser historischen Entwicklung bemühen.

    Zum Abschluss und Anstoß noch einige empirische Trivialitäten, die für manchen keine zu sein scheinen:
    In den Vereinigten Staaten der 90er Jahren waren 91% aller Vergewaltigungsopfer weiblich und 99% aller Vergewaltiger männlich. Der Anteil von Frauen, die in ihrem Leben wenigstens einmal vergewaltig wurden, liegt - je nach Studie - in westlichen Staaten zwischen 15 und 30%. Wegen der Hemmschwelle für eine Strafanzeige (die oft ein Familienmitglied betreffen würde und mit medizinischen sowie psychischen Strapazen verbunden wäre) wird von einer ungewöhnlich hohen Dunkelziffer ausgegangen.
    [siehe auch http://bjs.ojp.usdoj.gov/content/pub/pdf/SOO.PDF ]

    Ach ja, wer einmal nichts zu tun hat, kann Barry Deutschs berühmte "Male Privilege Checklist" lesen und darüber nachdenken, welche Punkte auf ihn selbst zutreffen...:
    http://www.amptoons.com/blog/the-male-privilege-checklist/
    (Zu den meisten Punkten gibt es empirische Studien, die verlinkt sind. Aber auch die Diskussion in den Kommentaren ist lesenswert.)

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