Sonntag, 25. Juli 2010

Der Ausbruch der amerikanischen Revolution

Von Stefan Sasse


Britischer Sieg bei Carillon
Es begann alles mit einem Sieg. 1763 endete der Siebenjährige Krieg, der in den amerikanischen Kolonien bereits seit 1754 getobt hatte und den die amerikanischen Kolonisten nur als „French and Indian War“ bezeichneten, mit einem überwältigenden Sieg Großbritanniens. Seine beiden Gegner in der kolonialen Aufteilung der Welt, Frankreich und Spanien, lagen geschlagen im Staub. Indien, Kanada und weite Gebiete westlich der amerikanischen Kolonien wurden im Frieden von Paris Großbritannien zugeschlagen. Die Fläche, die von London aus regiert wurde, hatte sich mit einem Schlag vervielfacht. 

Doch lag in gerade diesem Sieg die Saat für den folgenden Unabhängigkeitskrieg und den Verlust der amerikanischen Kolonien. Großbritannien hatte im Krieg Schulden von fast 157 Millionen Pfund angehäuft; allein die jährlichen Zinszahlungen betrugen 5 Millionen Pfund bei einem normalen Friedenshaushalt von 8 Millionen Pfund. Es war dabei nicht zu erwarten dass es gelingen würde, das Budget wieder auf solche Ausmaße herunterzukürzen, da die weiten im Friedensvertrag von Paris gewonnenen Gebiete fast menschenleer waren – das heißt, von Weißen leer. Die Indianer, die dort lebten, konnten nicht wie in den Kolonien üblich von den ansässigen Siedlern und deren eigenen Polizeistreitkräften im Zaum gehalten werden. Es war offensichtlich, dass um den Frieden in der Region zu sichern Großbritannien ein stehendes Heer in Amerika würde unterhalten müssen, ein in Friedenszeiten für das Land bisher einzigartiger Vorgang. Dieses Heer kostete 300.000 Pfund jährlich, Tendenz steigend. 


Hinzu kam, dass die Wirtschaft in Großbritannien zu jener Zeit in der Rezession steckte. Die Amerikaner jedoch erlebten gleichzeitig einen Boom und eine wahre Konsumrevolution (zumindest in den Verhältnissen des 18. Jahrhunderts), von denen heimkehrende Soldaten in Großbritannien natürlich zu berichten wussten. Der Gedanke, dass die Amerikaner als Profiteure des Konflikts nun auch etwas zur Bewältigung der Kosten zu tragen hätten, lag deshalb nahe. Diese jedoch waren eine jahrzehntelange Phase des salutary neglect (heilsame Vernachlässigung) gewöhnt, in der Großbritannien sie im Großen und Ganzen in Ruhe gelassen hatte. 

Wirtschaftswachstum in den Kolonien
Für Großbritannien lag auf der Hand dass es notwendig war, die Kolonialpolitik zu ändern. Von der praktisch kaum durchgeführten Kontrolle – nicht einmal eine ordentliche Handelsregulierung war den Briten gelungen – sollte nun eine kohärente Politik verfolgt werden, was durch die politische Instabilität in England während der 1760er Jahre erschwert war. Der erste Schritt dabei, die Organisation der neu erworbenen Ländereien in Kanada, im Ohia-Tal und westlich der Appalachen durch das Ziehen der so genannten „Proclamation Line“ zu regeln, die die Kolonien effektiv auf das Gebiet östlich der Appalachen beschränkte, das durch den steten Zustrom an Siedlern (eingangs der 1770er Jahre bereits über 5 Millionen, Tendenz rasch steigen) und der starken Auslaugung der Böden zu klein zu sein schien. 

Durch diesen Schritt wurden besonders die Landspekulanten hart getroffen, aber auch jene, die sich Hoffnungen auf billiges Siedlungsland im Westen gemacht hatten. Die Probleme wurden durch die hastige Grenzziehung, die das Gebiet westlich der Appalachen den Indianern als Siedlungsgebiet zuwies, kaum gelöst. Der Sugar Act von 1764, der Zölle auf eine ganze Reihe von Produkten erhob (z.B. Zucker, Kaffee und Tee), sorgte bereits für starke Kritik und Unruhen im Land. Dazu kam, dass Großbritannien die Währungskrise, die durch die Notierung von amerikanischen Schulden in Pfund hervorgerufen worden war und die im Currency Act die in Umlauf befindlichen kolonialen Papierwährungen verbot, äußerst ungeschickt anpackte. Doch der ein Jahr später erlassene Stamp Act, der eine direkte Steuer auf praktisch jede Art von Papiernutzung von Zeitungen über Dokumente zu Spielkarten vorsah, rief richtig harsche Reaktionen hervor.

Mobs stürmten die Behörden, bedrohten die Beamten und boykottierten lautstark die Steuern. Als unter Eindruck der Drohungen erste Beamte öffentlich erklärten, die würden die Bestimmungen des Stamp Act nicht ausführen, widerrief Großbritannien 1766 den Act. Es war klar, dass die Kolonien keine direkten Steuern akzeptieren würden. Ergo ging Großbritannien den Pfad weiter, Zölle auf bestimmte Produkte zu erheben und den Handel mit dem Ausland stärker zu kontrollieren. 

Dahinter steckte die Absicht einer typisch merkantilistischen Politik. Die Kolonien sollten Rohwaren ausführen und dafür britische Fertiggüter importieren. Während dies für die Großpflanzer-Aristokratie des Südens durchaus ein gutes Geschäft war, fühlten sich die Händler im Norden, die Zugang zu den europäischen Märkten und eine rasche ökonomische Entwicklung der Kolonien wollten, bedroht. Großbritannien fand also durchaus lokale Eliten, die zur Kooperation bereit waren. Doch inzwischen wurde die Sache mehr und mehr zu einer prinzipiellen Angelegenheit. 

Im Declaratory Act von 1766 erklärte sich das britische Parlament für in Kolonien betreffende Fragen souverän. Die Briten beendeten damit die Diskussion über die Repräsentation der Kolonien im englischen Parlament. Manche Amerikaner hatten argumentiert, dass nur durch Repräsentation im Parlament ein Recht für dieses entstünde, Steuern zu erheben (in der amerikanischen Interpretation waren Steuern und Zölle dabei identisch). Da die Kolonien im englischen Parlament jedoch nicht vertreten waren und angesichts der Realitäten mehrmonatiger Schiffsreisen über den Atlantik auch nicht konnten, so folgerten sie, durften auch nur ihre lokalen Parlamente Steuern erheben. Dass sie in diesen die Mehrheit hatten, versteht sich von selbst, und diese Steuern würden nicht in der gebeutelten britischen Staatskasse landen. 

Die Briten ihrerseits argumentierten, dass für eine Repräsentation im Parlament die Wahl ein unwichtiger Vorgang sei. Jedes Parlamentsmitglied sei mit den anderen dadurch verbunden, dass es Mitglied der britischen Gemeinschaft sei. Dadurch verträten alle Parlamentsmitglieder ähnliche Interessen; ergo wäre jeder Brite überall auf der Welt auch vertreten. Dies wurde als virtual representation bezeichnet. Die Kolonien waren dabei gezwungen, Beschlüsse des Parlaments anzuerkennen, weil es in jedem Reich eine höchste Instanz geben müsste. Entweder also waren die Kolonien Teil der britischen Gemeinschaft und den Beschlüssen des Parlaments unterworfen, oder sie waren es nicht – und damit unabhängig. Es waren die Briten selbst, die die Amerikaner mit dieser Argumentation in Richtung Unabhängigkeit treiben würden, als ihre Kompromissbereitschaft mit den renitenten Kolonisten endlich erschöpft war. 

Charles Townshend
Vorerst aber schwelte der Streit noch weiter. 1767 wurden in den Townshend-Acts weitere Zölle für eine ganze Reihe von Produkten wie Papier, Blei und Glas eingeführt, was dank des Wirtschaftsaufschwungs inzwischen breitere, konsumierende Schichten traf. Die von dem Radikalen Samuel Adams geführten „Sons of Liberty“ verfassten als Reaktion Boykottaufrufe für britische Waren, die einen erstaunlichen Erfolg hatten. Die Kolonisten versuchten sich in Autarkie, schmuggelten und stellten selbst her was möglich war. Großbritannien erlitt jährliche Einfuhrverluste von rund 700.000 Pfund, während die Einnahmen der Townshend-Acts sich auf lächerliche 3.000 Pfund beliefen. Im Versuch, die Townshend-Acts durchzusetzen und die entgleitende Kontrolle im Brennpunkt Boston wiederherzustellen, stationierten die Briten mehr und mehr Soldaten in der Stadt, ein unerhörter und nie dagewesener Vorgang. Bald standen 4.000 Soldaten den gerade 15.000 Einwohnern der Stadt gegenüber. In der aufgeheizten Atmosphäre war es nur eine Frage der Zeit, bis es zum Eklat kommen würde. 

Boston Massacre (Propagandabild)
1770 kam es genau dazu. Eine wütende Menschenmenge griff einen Abordnung Soldaten mit Stein- und Schneeballwürfen an, und irgendwann löste sich ein Schuss. Die Soldaten feuerten in die Menge, fünf Menschen starben. Radikale stilisierten den Zwischenfall zum so genannten „Boston Massacre“ hoch, der ab sofort ein propagandistisches Topos der Extraklasse bilden würde. Im gleichen Jahr widerrief die britische Regierung – allerdings ohne Wirkungszusammenhang – die Townshend-Acts, mit einer Ausnahme: der Zoll auf Tee blieb erhalten, als Zeichen dafür, dass das Parlament seine Position nicht aufgab. 

Danach beruhigte sich die Lage. Das Problem allerdings blieb ungelöst. Es existierte immer noch keine kohärente britische Wirtschafts- und Handelspolitik, und die politischen Forderungen hingen noch in der Luft. Als drei Jahre später der „Tea Act“ der East India Trading Company, die in schweres wirtschaftliches Fahrwasser geraten war, faktisch das Teemonopol in den Kolonien zusprach, wurden die Emotionen erneut aufgeheizt. Das ist auf den ersten Blick erstaunlich, denn die Kosten für englischen Tee sanken durch den „Tea Act“ deutlich. Jedoch erschien nicht nur die oktroyierte Monopolstellung gefährlich, viele Händler in Massachusetts sahen sich außerdem in ihrer Geschäftsgrundlage gefährdet, schmuggelten sie bislang noch billigeren niederländischen Tee ein, der durch die Preissenkungen des „Tea Act“ nicht mehr konkurrenzfähig war. Im Dezember 1770, sieben Monate später, eskalierte der Streit, erneut am Brennpunkt Boston. Die Radikalen sorgten dafür, dass drei Teeschiffe nicht entladen wurden, und „Sons of Liberty“ kaperten als Indianer verkleidet die Schiffe und kippten den Tee ins Meer. 

Boston Tea Party
Für Großbritannien, dem dadurch wieder ein gewaltiger Schaden entstanden war, kam dies einer Kriegserklärung gleich. Die Briten sperrten den Hafen Bostons, bis die Stadt die entstandenen Schäden beglichen hätte, und lösten das Parlament von Massachusetts auf. Außerdem wurden britische Soldaten in Privathäusern einquartiert und verfügt, dass Soldaten und Offizielle ab sofort nicht mehr in Amerika vor Gericht gestellt würden, sondern in Großbritannien. Die Soldaten des „Boston Massacre“ waren 1770 noch in den Kolonien vor Gericht gestellt (und freigesprochen) worden. Diese Bestimmungen waren in den „Coercive-Acts“ (Zwangs-Akte) von 1774 niedergelegt, die von den Amerikanern bald als „Intolerable Acts“ (Nicht tolerierbare Akte) gebrandmarkt wurden. Erneut wurden Waren boykottiert. Als die Briten kurz darauf im „Quebec-Act“ auch noch die Landfrage im Westen endgültig lösten, indem sie das Land des Ohio-Tals, das auch von mehreren Staaten beansprucht wurden der kanadischen (loyalen) Provinz Quebec zuschlugen und den dortigen Katholiken Glaubensfreiheit zusicherten, war für die Amerikaner das Maß voll. Erneute Boykottaufrufe für britische Waren wurden verfasst und durchgezogen. Im September trat dann der erste gewählte Kontinentalkongress der Kolonien zusammen, der einen generellen Boykott englischer Waren beschloss, einen zweiten Kontinentalkongress für das nächste Jahr einberief und die Staaten offiziell aufforderte, Milizen aufzustellen. England indes verbot im „Prohibitory Act“ (Verbots-Akt) die Einführung amerikanischer Güter, um so deren wirtschaftlichen Lebensnerv zu treffen und sie wieder an die Kandare zu nehmen; als auch dies nicht fruchtete, erklärte König George III. alle Kolonien für als im Status der Revolte befindlich und entsandte Truppen, um die Lage wieder in den Griff zu bekommen. 

Minute Men (Concord, Massachusetts)
Überall im Land legten die Milizionäre, die so genannten „Minute Men“, indessen Waffen- und Vorratslager an. Die Briten erfuhren natürlich davon und setzten eine Abordnung von 600 Mann in Marsch, um ein solches Vorratslager in Concord, Massachusetts, auszuheben. Dies wiederum wurde von der örtlichen Miliz in Erfahrung gebracht, die sich den 600 Mann bei Lexington, Massachusetts, in den Weg stellte. Es gab einen kurzen Schusswechsel, und die Milizionäre räumten das Feld. Als die Briten jedoch in Concord ankamen, war das Lager bereits leer geräumt, so dass sie unverrichteter Dinge nach Boston zurückmarschieren mussten. Auf dem Marsch wurden sie beständig aus dem Hinterhalt von den Milizionären beschossen und verloren fast 200 Mann. Der Unabhängigkeitskrieg hatte begonnen. 

Die amerikanische Revolution war nicht von Radikalen gemacht worden. Es war vielmehr die herrschende Elite, die sie letztendlich initiierte und die dann die Massen dafür mobilisierte. Wirtschaftliche Interessen waren stark mit politischen Forderungen verflochten. Die Gewohnheit eines halben Jahrhunderts der fast vollständigen Freiheit von englischer Herrschaftsausübung war von England übersehen und sträflich vernachlässigt worden. Der Prozess war nicht irreversibel oder unvermeidlich; die inkonsistente britische Politik und ihre häufig schweren Fehler jedoch entfremdeten die Kolonien rasant vom Mutterland und schufen erst das Bewusstsein einer amerikanischen Identität, ohne die der finale, radikale Schritt der Unabhängigkeit gar nicht möglich gewesen wäre. Selbst nach den Schüssen von Lexington und Concord wäre es noch immer möglich gewesen, eine Einigung zu erzielen, es fehlte jedoch beiden Seiten der Wille dazu.

Weiterführende Literatur:
Gordon S. Wood - The American Revolution - A History

Robert Middlekauff - The glorious cause
Charlotte A. Lerg - Die amerikanische Revolution
Udo Sautter - Die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika
Alle Bilder Wikimedia Commons. 

37 Kommentare:

  1. Danke danke danke für deinen Blog und diesen Artikel!
    Ich bin gerade für ein Schuljahr in den USA und habe den Collegekurs U.S. History.
    Es ist super schwer zu verstehen und uch muss jeden Tag ein Kapitel im Buch lesen (sprich 20 Seiten)! Ich hatte riesen große Probleme, bis ich deinen Blog gefunden hab! Genau der Inhalt den ich brauche, spannend zu lesen und super zusammen gefast! Und natürlich das Beste: in meiner Sprache! :)
    Vielen Dank nochmal und liebe Grüße.

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  2. Ja da muss ich dir zustimmen ;)

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  3. Antworten
    1. Hallo ich bin Dario und liebe Schwänze

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    2. Oh mein Gott :O Weg von dieser Seite! Das ist eine Lernseite und kein spam!

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  4. Schwwwuuuuuuuullllllllll tobi ist schwuuul

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  5. teupe die verfickte hure eyy

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  6. lang aber auch audführlich
    find ich nicht schlecht

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  7. ich sehe das als inkorreckt an

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  8. Also ich verstehe gar nichts :D

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  9. sehr hilfreich :) danke.

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  10. Hallo, vielen Dank für die ausführliche und doch verständliche Darstellung der Amerikanischen Revolution :) eine Frage, die Boston Tea Party war doch aber im Dezember 1773 und nicht 1770, oder? ;) und warum genau fand das alles in Boston statt, gibts da einen bestimmten Grund für?

    LG

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    1. Korrekt, mein Fehler.
      Boston war ein Zentrum der revolutionären Energie, schon allein, weil seine Elite statt aus Pflanzern oder religiösen Spinnern aus Händlern und Bürgern bestand, die ihre ökonomischen Interessen bedroht sahen. Zudem waren viele der angesehenen Bürger im Nebenberuf Schmuggler und durch die britische Politik bedroht.

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  11. ich habe gespendet für weitere Texte

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  12. Find ich richgtig gut. ich mache gerade einen Vortrag und diese Seite hilft mit ungemein

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  13. wirklich sehr hilfreich

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  14. summasumarum, wen juckt´s?

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    1. mich juckts nicht! meinen nachbarn wiedrrrrrum auch nicht....

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