Freitag, 24. Dezember 2010

Buchbesprechung: Harry Turtledove - Die Timeline-191-Romane

Von Stefan Sasse

Harry Turtledove 2005
Kontrafaktische Geschichte – auch virtuelle Geschichte genannt – übt seit jeher eine große Faszination aus. Die Frage des „Was wäre, wenn“ nimmt einen gefangen. Für Deutschland kann es eigentlich nur eine große Frage geben: was wäre, wenn Hitler nicht gelebt hätte? Wenn er keinen Erfolg gehabt hätte? Seine Eliminierung aus der Geschichte wäre wohl das erste Szenario, das man sich ausmalen würde. Für die Amerikaner ist das Ur-Thema ein anderes: hier ist die kontrafaktische Frage, was wohl geschehen wäre wenn das amerikanische Trauma des Bürgerkriegs ein anderes Ende gefunden hätte. Was wäre gewesen, wenn die Konföderierten Staaten von Amerika den Krieg siegreich beendet hätten? 

Dienstag, 14. Dezember 2010

Anatomie des Holocaust

Von Stefan Sasse

Ankunft von Juden in Auschwitz
Die Frage nach dem Verständnis des Holocaust ist in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch weitgehend ungeklärt. Zwar ist die Aufarbeitung - es wurde hier im Blog bereits diskutiert - in Deutschland besonders im Vergleich zu anderen Länderen und deren Kriegsverbrechen extrem fortgeschritten und tiefgreifend. Die Ermüdungserscheinungen gerade des vergangenen Jahrzehnts jedoch, das verhärtende Gefühl von "ich war nicht schuld, ich will das nicht mehr hören" erfordern einen anderen Ansatz der Aufarbeitung. Ich beschreibe diesen anderen Ansatz als "Täger-Perspektive". Gemeint ist, nicht einfach nur die Zahlen der Opfer und die Dimension des Verbrechens aufzuzählen und einen Blick auf die Riege der Top-Nazis von Goebbels über Heydrich zu Himmler und schlussendlich Hitler zu werfen. Das führt in meinen Augen zu nichts. Die Opfer des Holocaust generieren zu reinen Statistiken, und die Riege der nationalsozialistischen Führungsfiguren ist so unglaublich absurd in Verhalten, Gestus, Taten und Absichten, das man sie bis heute kaum versteht und wohl auch nie verstehen kann (vgl. hier). Weiterführend ist stattdessen die Frage, wer den Holocaust eigentlich durchgeführt hat und was die rund 200.000 damit direkt involvierten Menschen bewogen hat, sich der ersten und einzigen industriellen Massentötung der Geschichte zur Verfügung zu stellen. 

Dienstag, 7. Dezember 2010

Fundstücke XV

Von Stefan Sasse

USA erklärt weist auf die Existenz von Bedrohungsszenarien hin, in denen die USA mögliche Invasionsrouten der Nazis im Jahr 1942 erörteten. Die dazu gezeichneten Karten sind wirklich extrem originell. So finden sich Invasionsrouten quer über den Atlantik, via Brasilien die Süd- und Mittelamerikanische Küste entlang, eine japanische Invasion des Panamakanals über Argentien zur Unterstützung, eine Invasion der kanarischen Inseln und der Bermudas und - am besten - die Invasion über Neufundland und den St.Lawrence, die allen Ernstes als "klassisch" bezeichnet wird. 

Jede Einzelne dieser Invasionen ist vollkommen unmöglich. Die Deutschen verzeichneten 1942 Erfolge im U-Bootkrieg, gewiss, und die US-Pazifikflotte befand sich immer noch in der Defensive gegenüber den japanischen Streitkräften. Aber zu keiner Zeit war ein Übersetzen in die USA auch nur ansatzweise möglich, besonders nicht über so absurde Routen wie quer und nonstop über den Atlantik, der zu dieser Zeit trotz U-Booten effektiv ein angelsächsisches Mare Nostrum war. Auch die Vorstellung eines kombinierten deutsch-japanischen Angriffs setzt ein viel zu hohes Maß an Koordination dieser ungleichen Verbündeten voraus, die sich effektiv nie aushelfen konnten und wollten. 

Besonders lustig ist auch, dass in allen diesen Plänen die "5. Kolonne" der unzähligen hervorragend ausgebildeten, paramilitärisch geschulten und ausgerüsteten Deutschen und Japaner in den USA selbst ein herausragende Rolle spielt, die stets den kriegsentscheidenden Beitrag bei der Invasion leistet, indem sie an der Heimatfront Sabotageakte aus der eigenen Mitte verübt. Diese völlig unrealistische Angst vor Terroristen in den eigenen Reihen führte zu den beschämdenden Internierungen von US-Japanern besonders im amerikanischen Westen und lebt noch heute in der Terrorangst fort.

Mittwoch, 1. Dezember 2010

Der Holocaust und die Deutschen

Von Stefan Sasse

Zufahrt zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau 1945
Das Verhältnis der Deutschen zum Holocaust ist ein zwiespältiges. Es ist ein wohl weltweit einmaliger Vorgang, dass sich eine Nation so eindeutig und unmissverständlich zu einem Verbrechen bekennt, die Verantwortung auf sich nimmt und - wie unvollkommen auch immer - Wiedergutmachung dafür zu leisten versucht. Besonders in den letzten 20, 30 Jahren kommt außerdem eine massive und vergleichsweise profunde Aufarbeitung des Holocaust im breiten öffentlichen Bewusstsein hinzu. Das alles sind Leistungen, die man neidlos anerkennen muss und bei denen man etwa im Falle von Japans Kriegsverbrechen, denen der Sowjetunion oder auch der Kolonialverbrechen von England und Frankreich oder dem Umgang der USA mit der indigenen Urbevölkerung noch vergebens wartet. Gleichzeitig hat diese Aufarbeitung aber auch ihre Schattenseiten. Sie führte zu einem routinierten Betroffenheitsautomatismus, der echte Emotionen für das Thema mehr und mehr zu ersticken droht, zu Denkverboten und politischem Missbrauch. Im Folgenden soll genauer beleuchtet werden, wie die deutsche Aufarbeitung des Holocaust erfolgt ist, welche Probleme und welche Erfolge damit verknüpft sind und wie diese Entwicklung weitergetrieben werden kann. 

Dienstag, 30. November 2010

Von der Ersten zur Dritten Republik

Von Stefan Sasse

Flagge der Französischen Republik ("Tricolore")
Oftmals wird England als die eigentliche Wiege der Demokratie der Neuzeit angesehen (den Omni-Titel hält ja bekanntlich Athen), da es der erste Staat war, der ein Parlament einführte und damit der Macht des Königs deutliche Schranken setzte. Es dauerte jedoch bis weit ins 19. Jahrhundert, ehe das englische Parlament auch nur ansatzweise den Status einer "Volksvertretung" verdiente; lange nachdem seine mittlerweile unabhängigen amerikanischen Kolonien stark an England ausgerichtet die bisher stabilste Republik der Weltgeschichte gründeten. Doch bereits kurz nach der Unabhängigkeit der USA errichtete Frankreich in der Französischen Revolution die Erste Republik mit für die damalige Zeit einmaligen Rechten und Prinzipien. Die Nummer vor der "Republik" lässt dabei erahnen, dass noch einige nachkamen. Tatsächlich leben die Franzosen heute in der Fünften Republik, und die Geschichte der ersten drei dieser Republiken soll hier nachgezeichnet werden. 

Samstag, 27. November 2010

Fundstücke XIV

Von Stefan Sasse

Unter der Homepage http://geschichte-wissen.de/index.php findet sich die Seite Geschichts-Wissen, die sich als Nachschlagewerk versteht und bietet viele Artikel (aktueller Stand 340) aus den verschiedensten Bereichen an. Sie verfügt außerdem über ein Forum, ein Magazin und eine Impressionsseite. Geschichts-Wissen ist ab sofort auch in der Blogroll zu finden. Der Autor beschreibt die Seite wie folgt:
Geschichte prägt Gegenwart - mehr denn je sollte jedem Mensch bewusst sein, dass man aus Vergangenem lernen kann und muss. Geschichte-Wissen möchte einen Beitrag zur multimedialen Aufarbeitung der Geschichte im Internet leisten und dieses Bewusstsein schärfen.
Als Nachschlagewerk für verschiedenste Themen der Geschichte bietet Geschichte-Wissen eine Vielzahl an Ausarbeitungen und Aufsätzen. Im Forum können Diskussionen über politische und historische Themen geführt und in der Galerie Aufnahmen betrachtet werden.
Daneben können Sie als Mitglied von Geschichte-Wissen das Magazin "Geschichte prägt Gegenwart" kostenlos lesen.

Donnerstag, 25. November 2010

2008 ist nicht 1929

Von Stefan Sasse

Massenauflauf auf Wall Street 1929
Auf Youtube findet sich ein Video, in dem die politische Entwicklung von 1929-1932 der von 2008 bis 2010 entgegengestellt und erschreckende Parallelen festgestellt werden. Sozialabbau, Arbeitslosigkeit, Bankencrashs, Minderheitenhass, allgemeine Angst, Inflationsbefürchtung, Sparpolitik - die Ähnlichkeiten scheinen frappant. Sie sind es allerdings nur, wenn man sie so plakativ herausstellt, wie es dieses Video tut. 2008 ist nicht 1929, und 2010 ist nicht 1932. Es gibt Rahmenparameter, die sich drastisch unterscheiden und für die Einordnung der Situation wichtig sind, Rahmenparameter, die in dem Video nicht vorkommen. Vermutlich, weil sie das schöne Vergleichsbild zerstören würden. Nichts destotrotz sollten wir einen Blick wagen. Das Verständnis der Weltwirtschaftskrise, die nicht zu Unrecht als einer der Gründe, wenn nicht sogar der Grund für Hitlers Machtaufstieg gilt, ist elementar, um solche Geschehnisse in Zukunft zu vermeiden. Jedoch sollte man sich darüber bewusst sein, welche Unterschiede es gibt, und diese Unterschiede lassen hoffen. 

Dienstag, 23. November 2010

Der 2. Punische Krieg und der Untergang Karthagos

Von Stefan Sasse

Iberisches Falcate, 3. Jahrhundert v. Chr.





Nachdem der Erste Punische Krieg mit einer Niederlage Karthagos geendet hatte, war Rom, das zu Beginn des Krieges im Jahr 264 v. Chr. eine in Süditalien gerade erst arrondierte Landmacht gewesen war, plötzlich zur beherrschenden Seemacht des westlichen Mittelmeers geworden. Karthago hatte nicht nur jeden Einfluss auf Sizilien und das bis dahin fest beherrschte Sardinien verloren, sondern auch seine Flotte und hatte große Kriegsentschädigungen zahlen müssen. Diese jedoch schüttelte es schneller ab, als dies Rom lieb war. Bereits wenige Jahre nach der Kapitulation 241 v. Chr. und dem Ende der Söldnerkriege war Karthago eine prosperierende Wirtschaftsmacht und suchte seine Grenzen zu erweitern. Überseeisch war ihr dies nicht mehr möglich - die geringe Reichweite der damaligen Schiffe erforderte Flottenbasen in regelmäßigen Abständen, und ein potentiell feindliches Sizilien und Sardinien verweigerte Karthago diese. Es war also nur folgerichtig, dass Hamilcar Barcas, der erfolgreiche Militärführer des Sizilienfeldzugs im Ersten Punischen Krieg, nun Karthagos Macht in Spanien auszuweiten suchte. 

Dienstag, 16. November 2010

Fundstücke XIII

Von Stefan Sasse

Auf Youtube gibt es ein Video, indem anhand eines animierten politischen Atlas' von Europa die Grenzveränderungen innerhalb der letzten 1000 Jahre innerhalb von fünf Minuten vorüberziehen. Es ist interessant zu sehen, wie kurz manche Grenzen sich im Vergleich halten, oder wie die Fragtmentierung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation sich bei gleichzeitiger nationaler Konstitutierung drumherum vollzieht. Der Nachteil des Videos ist, dass das Ganze recht unübersichtlich ist. Es ist vollkommen unmöglich, die Veränderungen im Blick zu behalten; man muss das Video also für die verschiedenen Regionen mehrfach ansehen. Auch eine Zeitangabe wäre sinnvoll gewesen. Aber man muss die Dinge eben nehmen, wie sie kommen.

Mit Dank an Jonas L. für den Link.

Montag, 15. November 2010

Der amerikanische Bürgerkrieg

Von Stefan Sasse

Flagge der CSA (Rebel flag)
Noch heute, fast 150 Jahre nach seinem Ende, prägt der amerikanische Bürgerkrieg die amerikanische Gesellschaft auf tiefgreifende Art und Weise. Er stellt das große Trauma der Amerikaner dar, verwüstete der Krieg doch besonders den Süden, wie die Amerikaner es nie davor oder danach erleben sollten und ergriff alle Gesellschaftsschichten. Vier Jahre lang bekämpften sich Nordstaaten und Südstaaten bis aufs Blut, und die USA von 1865 waren nicht mehr die, die 1860 auseinandergebrochen waren. Wir wollen uns im Folgenden ansehen, wie der Krieg begann, was ihn auszeichnete, welche Entwicklungen durch ihn aggregiert wurden und welche Änderungen er hervorrief. 

Flagge der USA (Stars and Stripes)
Als South Carolina am 24. Dezember 1860 den Austritt aus der Union erklärte und ihr bald sechs Staaten (Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana, Texas) nachfolgten, die am 4. Februar 1861 eine eigene Regierung bildeten - die Confederate States of America - und die Forts und Militäranlagen der Bundesarmee praktisch ohne Gegenwehr übernahmen, erklärte der zwar abgewählte, aber noch im Amt befindliche Präsident Buchanan, dass die Union "intended to be perpetual" (als ewigwährend gedacht) sei, der Kongress und damit er aber nicht "the power by force of arms to compel a state to remain in the union" (die Macht der Waffen um einen Staat zum Verbleib in der Union zu zwingen) besäße. Bis zur Inaugaration Lincolns am 4. März 1861 traten auch viele Repräsentanten und Senatoren der Südstaaten aus dem Kongress zurück, was es den verblieben nördlichen Abgeordneten erlaubte, viele gegen den Süden gerichtete Gesetze durchzubringen, die vorher blockiert worden waren und die die wirtschaftliche Stoßrichtung des Nordens hin zu einer Industriegesellschaft unterstützten; etwa Zollgesetze (wir erinnern uns, diese waren ein stetiger Streitpunkt gewesen) und eine transkontinentale Eisenbahn durch die Nordstaaten.

Samstag, 13. November 2010

Das Blog und der Autor

Willkommen beim Geschichtsblog! 
Das Blog
Das Geschichtsblog will eine Lücke in der Internetlandschaft füllen, indem es pointierte Artikel zu verschiedenen historischen Themen anbietet. Diese Themen werden in essayistischer Form behandelt und meist im Hinblick auf eine bestimmte Problemstellung untersucht. Es existiert auf dem Geschichtsblog keine Kontinuität in Form einer chronologischen Geschichtsschreibung oder einer bestimmten Interpretationsleitlinie, die verfolgt werden würde. Jeder Artikel steht für sich allein, sofern er nicht explizit als Teil einer Artikelserie zur besseren Lesbarkeit geteilt wurde. Die Texte erheben keinen wissenschaftlichen, sondern journalistischen beziehungsweise schriftstellerischen. Auf Fußnoten und Ähnliches wird deswegen ausdrücklich verzichtet. Werke, die der Autor für bedeutend hält werden in den Literaturhinweisen angegeben.
Das Geschichtsblog ist selbstverständlich kostenlos. Alle Texte dürfen unter Angabe des Verfassers und Verlinkung auf den Ursprung nicht-kommerziell weiter verwendet werden. Finanziert wird das Geschichtsblog durch Teilnahme am Flattr- und Amazon-Partner-Programm. Wer dem Geschichtsblog helfen will, ist herzlichst dazu aufgerufen, die Beiträge wie auch das Blog selbst zu flattrn und bei Interesse die aufgeführten Bücher direkt über die entsprechenden Links zu bestellen. Es ist selbstverständlich auch möglich, per Paypal direkt zu spenden. 
Sämtliche Bilder auf diesem Blog sind aus der Sammlung von Wikimedia Commons entnommen und werden mit Verfasser- und Lizenzangabe am Ende des jeweiligen Artikels angeführt. Sollte der Autor trotzdem aus Versehen ein urheberrechtlich geschütztes Bild verwenden bittet er um kurze Mitteilung; das Bild wird dann umgehend gelöscht. 
Der Autor hofft, dass das Blog seinen Lesern unterhaltsame Artikel bietet und darüberhinaus neue Einsichten bietet. Jeder Artikel spiegelt stets auch die Meinung des Autors wieder; dies ist ein Effekt, der sich weder vermeiden lässt noch der hier zu vermeiden versucht wird. Wer mit der Argumentation eines Beitrags nicht einverstanden ist ist herzlich eingeladen, in den Kommentaren seine Sicht darzulegen. Der Autor wird sicher darauf antworten. Es sei abschließend darauf hingewiesen, dass Holocaustleugnungen in den Kommentaren nicht toleriert werden können und gelöscht werden, da das Unterlassen strafrechtlich bewehrt wäre. In allen anderen Fragen ist der Autor der Überzeugung, dass jeder das Recht hat, sich selbst zum Idioten zu machen, wie er will. Außerhalb des strafrechtlich relevanten Rahmens werden keine Beiträge gelöscht.

Der Autor

Stefan Sasse wurde 1984 in Stuttgart geboren und lebt in Fellbach-Oeffingen. Er machte 2005 sein Abitur und schloss 2010 das Studium der Geschichtswissenschaft, 2011 das Studium der Germanistik und Politologie ab. Im Januar 2012 begann er das Referendariat für das Lehramt am Gymnasium für diese Fächer, das er 2013 abschloss. Seither ist er als Lehrer tätig. Er versucht in seinen Artikeln, möglichst den aktuellen Stand der Forschung so weit bekannt mit einzubauen. Seine Hauptinteressengebiete liegen in der Zeitgeschichte sowie in der Geschichte der USA. Er ist besonders davon überzeugt, dass die Interpretation der Ereignisse des Holocaust und des Ersten Weltkriegs in der öffentlichen Auseinandersetzung einer Schieflage unterliegen, die dazu führt, dass beide nicht vollkommen verstanden werden. Um dieses Problem zu beheben, setzt er sich immer wieder mit diesen Themen auseinander. Stefan Sasse betreibt neben dem Geschichtsblog das tagespolitische Blog "Oeffinger Freidenker", ist Mitgründer und Hauptautor beim Debattenblog "Deliberation Daily", betreibt das Nerd-Blog "The Nerdstream Era" und ist regelmäßiger Contributor von Artikeln rund um das Thema "Das Lied von Eis und Feuer" beim Tower of the Hand.

Freitag, 12. November 2010

Vom Missouri-Kompromiss zur Sezession - der Weg in den Bürgerkrieg

Von Stefan Sasse

Schlacht von Gettysburg
Als die USA 1776 ihre Unabhängigkeit erklärten und begannen, ab 1777 ein geeintes Staatswesen zu erschaffen, gab es nicht wenige, die dem Projekt keine allzugroße Zukunft bescheinigten. Zu groß schienen die Gegensätze zwischen den Staaten, zu diametral entgegengesetzt ihre Interessen. Nicht nur fürchteten die kleinen Staaten das erdrückende Gegengewicht der Großen, nicht nur gab es religiöse Streitigkeiten zwischen den vielen Konfessionsgruppen; auch eine tiefe Spaltung in Nord- und Südstaaten war bereits damals vorhanden. Die nördlichen Staaten waren hauptsächlich von kleinen Farmen im Hinterland und den großen Küstenstädten - und damit vom Handel - geprägt. Im Süden dagegen herrschte der Typ des reichen Pflanzers als gesellschaftliche Konstitutierung vor. Diese Pflanzer-Aristokratie ließ riesige Plantagen vorrangig von Sklaven bewirtschaften, deren Existenz für die exportorientierte südliche Landwirtschaft mit ihren arbeitsintensiven Baumwoll- und Tabakplantagen als essentiell angesehen wurde. Als man 1787 daran ging, eine Verfassung auszuarbeiten, war die wichtigste Frage neben der prinzipiellen Existenz einer solchen Verfassung die Sklavenfrage. 

Donnerstag, 11. November 2010

Der Beginn des Kalten Krieges - eine sowjetische Perspektive

Von Stefan Sasse

Deutsche Panzer in Russland 1942
Noch heute ist der Kalte Krieg eine Ära, die von Historikern erst allmählich losgelöst von den Stereotypen und Ideologien jener Zeit betrachtet werden kann. Dumpf hallen die damaligen ideologischen Frontstellungen noch heute in vielen Debatten wieder. Dieser Doppelartikel zum Kalten Krieg will gar nicht versuchen, eine objektive Beschreibung zu liefern. Stattdessen soll die Brille der USA und der Sowjetunion aufgesetzt werden, um vielleicht beim distanzierten Blick durch diese BrilleErkenntnisse zu erfahren. Dieser Teil des Doppelartikels sieht den Beginn des Kalten Krieges aus der Perspektive der Sowjetunion.

Seit dem Überfall Hitlers auf die Sowjetunion hatte das Volk geblutet. Millionen waren tot oder in Gefangenschaft, was in den Fängen der Nazis praktisch auf dasselbe hinauslief. Das Bündnis mit den Westalliierten bestand fast nur auf dem Papier. Eine echte Entlastung war von ihnen kaum zu erwarten. Rund 90% der deutschen Streitkräfte standen an der Ostfront im Einsatz, und nur Alte, Invalide und ausländische Hilfstruppen hielten schlecht ausgerüstet den Atlantikwall gegen die untätigen Westalliierten. Anstatt der Sowjetunion wirklich beizustehen, landeten sie erst in Afrika und dann, 1943, in Italien - an beiden Stellen zogen sie dabei praktisch keine deutschen Truppen ab.

Dienstag, 9. November 2010

Der 9. November - ein deutscher Tag in einem deutschen Jahrhundert

Von Stefan Sasse

Zu sagen, dass Deutschland das 20. Jahrhundert entscheidend mitgeprägt hat, dürfte keine Übertreibung sein. Zwei Weltkriege gingen von seinem Boden aus, der größte organisierte Völkermord der Weltgeschichte, und für 50 Jahre war es Schlachtfeld des Ost-West-Konflikts und beständiger Brennpunkt des atomaren Zeitalters. Gleich vier große Ereignisse der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts fanden an einem 9. November statt. Diese geschichtlichen Ereignisse sind: der Beginn der Revolution von 1918/19, der Hitlerputsch 1923, die Reichspogromnacht 1938 und der Mauerfall 1989. Das erste und das letzte Ereignis sind zufällig an diesem Tag geschehen. Die beiden mittleren waren eine Reaktion auf den ersten. 

Montag, 8. November 2010

Der Beginn des Kalten Krieges - eine amerikanische Perspektive

Von Stefan Sasse

Noch heute ist der Kalte Krieg eine Ära, die von Historikern erst allmählich losgelöst von den Stereotypen und Ideologien jener Zeit betrachtet werden kann. Dumpf hallen die damaligen ideologischen Frontstellungen noch heute in vielen Debatten wieder. Dieser Doppelartikel zum Kalten Krieg will gar nicht versuchen, eine objektive Beschreibung zu liefern. Stattdessen soll die Brille der USA und der Sowjetunion aufgesetzt werden, um vielleicht beim distanzierten Blick durch diese Brille Erkenntnisse zu erfahren. Dieser Teil des Doppelartikels sieht den Beginn des Kalten Krieges aus der Perspektive der USA.

Landung in Sizilien
Seit dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 verlangte Stalin von den Westmächten die Eröffnung einer zweiten Front in Frankreich. Logistisch war dies jedoch nicht vor 1943, eher 1944, zu bewerkstelligen. Um dennoch Druck von der Sowjetunion zu nehmen, führten die Alliierten mehrere Operationen durch. Zum einen wurde die Sowjetunion mit Material beliefert. Stiefel, Jeeps, Munition, Panzer, Rationen - hunderte von Tonnen wurden über die gefahrvolle Nordroute nach Murmansk gebracht und so der Roten Armee entscheidend der Rücken gestärkt. Gleichzeitig unternahm man eine Landung in Nordafrika, um dem deutschen Afrikakorps das Rückgrat zu brechen. 1943 landete man in Italien und eröffnete dadurch die zweite Front. Bereits zu dieser Zeit drohte Stalin unverholen mit dem Separatfrieden mit Hitler, wenn die Alliierten nicht endlich eine wirksame zweite Front eröffneten - der Italienfeldzug fraß sich schnell fest und zog kaum deutsche Truppen ab. 

Samstag, 6. November 2010

Fundstücke XII

Von Stefan Sasse

Neue Absurditäten aus dem Bereich der NS-Vergangenheitsbewältigung: Fußballfans aus Dachau dürfen ihr Plakat "Dachau-City '95" nicht mehr bei UEFA-Spielen aufhängen, weil andere darin eine Beleidigung sehen könnten. Das ist zu allem Überfluss auch noch vorauseilender Gehorsam, denn bisher hat sich niemand beschwert, nicht einmal der Zentralrat der Juden, dem die Beschwerde in diesen Fällen bekanntlich locker auf den Lippen sitzt. Das ist auch ein Schlag ins Gesicht der Stadt Dachau selbst, die seit vielen Jahren versucht, sich ein Image als aufgeschlossene Stadt der Versöhnung zu geben und es an Aufarbeitung der Nazi-Zeit wahrlich nicht vermissen lässt. Mit dem Verbot setzt die UEFA die Stadt damit einfach mit dem KZ gleich - genau das also, was die Einwohner endlich abschütteln wollen. Und sind wir ehrlich - die heutigen Einwohner können dafür endgültig nichts mehr.

Mittwoch, 3. November 2010

Vom Volk als historischer Größe

Von Stefan Sasse

Akropolis in Athen
Besonders in populärwissenschaftlichen Darstellungen findet sich sehr häufig "das Volk" als handelnder Akteur. Das Volk zerreißt den Lutellus-Frieden mit Karthago, das Volk führt die französische Revolution durch, das Volk steht 1848 in Deutschland auf, das Volk bringt die Berliner Mauer zum Einsturz. Dabei ist "das Volk" häufig nur eine Chiffre, die hauptsächlich zur Wertung benutzt wird. Es ist sicher kein Zufall, dass die Kategorie "das Volk" spätestens mit dem Untergang des Römischen Reichs bis praktisch zur Französischen Revolution in der Versenkung verschwindet. Zeichnen wir den Weg nach, den es angeblich in der Geschichte geht und demaskieren den Mythos vom Volk, das angeblich handelt, wann immer es dem Historiker gefällt. 

Freitag, 29. Oktober 2010

Die amerikanischen Präsidenten...mit den Animiacs Teil 3/3

Von Stefan Sasse

Dies ist die Fortsetzung des ersten und zweiten Teils.

Franklin Delano Roosevelt
Roosevelt President who
helps us win in World War Two. 
Franklin Delano Roosevelt war einer der prägendsten Präsidenten der USA und gehört zu den meistunterschätzten Politikern des 20. Jahrhunderts. Bereits bei seiner Wahl schmiedete er ein enges Bündnis mit dem Zeitungszar William R. Hearst, mit dem er die öffentliche Meinung auf dem Höhepunkt der Great Depression beeinflussen konnte. Im Amt machte er wahr mit seinem Wahlprogramm des "New Deal", mit dem er die Ära der neoklassischen Theorien, die das Land so tief in die Krise geritten hatten, effektiv beendete. Obwohl der New Deal anfangs wegen zu zögernder Umsetzung und einem vorzeitigen Abbruch nicht den Effekt hatte, den er hätte haben können, sorgte er zumindest für einen psychologischen Umschwung. Unter Roosevelt begann eine Entwicklung, die für die politische Landschaft Amerikas heute noch prägend ist: das "voter reallignment" (etwa: Wähler-Umorientierung). Bisher waren die Demokraten die Partei des konservativen Südens gewesen, die Republikaner die des progressiven Nordens. Zwischen Roosevelt und Johnson änderte sich das praktisch vollständig; die beiden Parteien tauschten Ansichten und Wählerschaften praktisch aus. - Roosevelt wäre so vielleicht als Präsident des Umschwungs in die Geschichte eingegangen; der Antagonismus zu Hitlers Deutschland jedoch hob ihn darüber hinaus. Als Erbe von Versailles war das amerikanische Volk - und mit ihm der Großteil seiner politischen Repräsentanten - isolationistisch eingestellt. Obwohl Roosevelt also Hitler allzugerne früh den Weg verstellt hätte (an entsprechenden Zeugnissen herrscht kein Mangel) konnte er dies nicht. Nach Kriegsausbruch unterstützte er indirekt Großbritannien und später die UdSSR mit massiven Hilfslieferungen und provozierte Hitler dazu mit der "Shoot-on-sight-order" dermaßen, dass an seinem Willen zum Kriegseintritt eigentlich kein Zweifel bestehen kann. Warum Hitler ihm das Geschäft abnahm, nachdem der Angriff der Japaner af Pearl Harbor im Dezember 1941 die USA eigentlich im Pazifik band, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben. Ob die USA von Pearl Harbor vorher wussten, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Es ist auch nicht relevant. Wichtig ist, dass die USA im Krieg endgültig die Fesseln der Depression abschüttelten und die Industrie durch den Kriegsbedarf einen gigantischen Boom entwickelte. Doch die Kriegführung, die seit Eintritt der USA eigentlich nur mit einem letztlichen Sieg der Alliierten enden konnte, war nicht alles. Roosevelt bastelte im Krieg selbst aktiv an einer Nachkriegsordnung. Seine Vision war die einer "One World", mit den Vereinten Nationen als politischem Körper, durch die Kooperation von USA und UdSSR in Balance gehalten. Dass es anders kommen sollte, erlebte Roosevelt nicht mehr - er starb im April 1945, nur wenige Tage vor Hitler.

Dienstag, 26. Oktober 2010

Vom Freistaat Bayern bis zum Kappputsch - die deutsche Revolution 1918/19

Von Stefan Sasse

Dies ist die Fortsetzung des ersten Teils.

Wahlaufruf der USPD an Häuserwand, fotographiert 1998
Seit der Wahl zur Nationalversammlung war die Revolution offensichtlich heruntergekühlt. Während in der Provinz noch Räteexperimente gemacht wurden, glaubte die Politik die Lage beruhigt. Damit aber saß sie einem Irrtum auf, denn die meisten Konfliktfelder waren allenfalls vertagt, aber keinesfalls gelöst worden. Besonders die sozialen Forderungen hatten bisher bei weitem nicht den regierungsamtlichen Widerhall gefunden, den die Arbeiter sich offensichtlich erwarteten. Dabei war der Ruf nach Sozialisierung nicht nur bei den Anhängern von USPD und KPD populär; er erreichte auch bei der sozialdemokratischen Klientel deutliche Mehrheiten. Die Volksbeauftragten hatten im Dezember zwar eine Sozialisierungskommission eingesetzt; die KPD-Polemik, es handle sich um eine Sozialisierungsverhinderungskommission war nicht aus der Luft gegriffen. Während Berlin noch ruhig blieb, entwickelte sich das Ruhrgebiet zu einem Zentrum der Sozialisierungsbewegung, wo die großteils im Bergbau beschäftigten Arbeiter am wenigsten aus dem Stinnes-Legien-Abkommen gewonnen hatten. 

Sonntag, 24. Oktober 2010

Fundstücke XI

Von Stefan Sasse

Der japanische Künstler Isao Hashimoto hat eine animierte Karte erstellt, auf der alle Atombombentests zwischen 1945 und 1998 optisch dargestellt werden. Zu Beginn lässt sich das Ganze noch ziemlich langsam an. Ein paar amerikanische Tests, nichts Aufregendes. Dann kommen die Russen dazu, und das setzt die USA auch in hektische Aktivität. Richtig krass wird es dann in den 1950er Jahren, um einen Höhepunkt um 1962 herum zu finden. Es ist wirklich krass, wie viele Tests in den vergangenen 50 Jahren durchgeführt wurden. Auch das "wo" ist interessant; die USA und die Sowjetunion lassen zwar einen guten Teil in Wüsten im eigenen Land stattfinden, aber besonders die USA machen gerne im Pazifik Test (Stichwort Bikini-Atoll). Die Franzosen und Engländer dagegen zünden besonders gerne im Pazifik und Australien sowie in Nordafrika.

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Vom Matrosen- zum Spartakusaufstand - die deutsche Revolution 1918/19

Von Stefan Sasse
Statue eines rev. Matrosen in Berlin
"Wenn die Deutschen Revolution machen und einen Bahnhof stürmen wollen,
dann kaufen sie vorher eine Bahnsteigkarte." - Lenin
Das obige Zitat Lenins wurde vielfach verwendet, um die Bemühungen deutscher Revolutionäre zu karikieren und ihnen die generelle Fähigkeit zur Revolution abzuerkennen. Dabei ist es wenn nicht falsch, so doch zumindest nur eingeschränkt richtig. In der Revolution von 1918/19, die man früher noch als "Novemberrevolution" bezeichnete - ein Begriff, der wegen seiner Unschärfe und Nähe zur Dolchstoßlegende vermieden werden sollte - zeichneten sich Deutsche als Revolutionäre mit großem Realitätssinn wie auch mit Visionen aus. Dass sie heute verschämt verschwiegen wird, dass man ihr nur selten gedenkt und sie allgemein als eine verfehlte Revolution einordnet ist verständlich, denn lange galt sie als Inbegriff des Verrats der "Novemberverbrecher", nach dem Zweiten Weltkrieg verstellte der beginnende Kalte Krieg eine objektive Sicht auf die Dinge. Es soll deswegen der Versuch gemacht werden, eine Darstellung der Revolution aus dem Blickwinkel heutiger Forscher heraus zu geben und die Geschichte dieser Revolution zu erzählen, die mit hehren Zielen angetreten, von ihren eigenen Eltern verraten im Feuer der entfesselten rechtsextremen Soldateska unterging. 

Dienstag, 19. Oktober 2010

Der Fall des Königreichs Jerusalem und die Einigung der muslimischen Welt

Von Stefan Sasse

Wappen des Königreich Jerusalem
Nach dem Ende des Ersten Kreuzzugs hatte sich das Königreich Jerusalem als politische Größe etabliert. König Balduin I. weitete seine Macht weit über die Stadt Jerusalem selbst aus, und für knapp 80 Jahre beherrschten die Kreuzfahrer das Heilige Land. Doch gegen Ende des 12. Jahrhunderts kam es zu einem Niedergang der abendländischen Macht, der schließlich in der verlorenen Schlacht von Hattin eine abrupte Beschleunigung fand. Noch für Jahrhunderte würden christliche Kreuzfahrer in das Heilige Land ziehen, doch Jerusalem sollte nie wieder in ihre Hände fallen. Erst 1917 setzten britische Soldaten als erste christliche Soldaten wieder einen Fuß in die Stadt, und der Komandeur der Streitkräfte Viscount Edmund Allenby besaß auch genügend Geschichtsbewusstsein und Empire-Trunkenheit, um das offizielle Ende der Kreuzzüge auszurufen. Doch welches Schicksal ereilte die Region im 12. Jahrhundert, in der sie von der Glorie zum völligen Untergang taumelte? 

Sonntag, 17. Oktober 2010

Die französische Revolution Teil 2/2

Von Stefan Sasse

Dies ist die Fortsetzung des ersten Teils

Sturm auf die Tuilerien vom 10. August 1792
Während die Revolution ihre ersten freiwilligen Truppen in den Krieg schickte, ereigneten sich im revolutionären Zentrum Paris erneut dramatische Ereignisse. Das Manifest des Herzogs von Braunschweig hatte den radikalen Linken mit ihren Forderungen nach einer Absetzung des Königs einen enormen Auftrieb gegeben, ein Schwenk, den die Nationalversammlung nicht zu ziehen bereit war. Wie bereits im Juli 1789 erwies sich das Volk einmal mehr als Aggregator der Ereignisse: Bewaffnete stürmten am 10. August 1792 die Tuilerien, wohl mit dem Ziel, den König und seine Familie zu ermorden. Diese hatten sich jedoch während der brutalen Kämpfe mit der Schweizer Garde, bei der hunderte von Aufständischen wie Soldaten starben, in die Nationalversammlung geflüchtet, die unter dem Druck der Straße vor vorläufige Absetzung und Inhaftierung des Königs beschloss. Dieses singuläre Ereignis wurde jedoch noch von etwas anderem überschattet: die revolutionären Aufständischen vom 10. August stürzten außerdem die Pariser Stadtverwaltung und setzten sie als commune de Paris neu ein, gewählt nach einem allgemeinen und gleichen (Männer-)Wahlrecht.

Freitag, 15. Oktober 2010

Der Hundertjährige Krieg Teil 2/2

Von Stefan Sasse


Dies ist die Fortsetzung des ersten Teils



Die Schlacht von Azincourt
1415 entschied sich Henry V., der mittlerweile seinem Vater Henry IV. auf den englischen Thron nachgefolgt war, das französische Angebot, die Grenzen des Brétigny-Friedens endgültig herzustellen, abzulehnen und stattdessen den Krieg wiederaufzunehmen. Zu diesem Zweck stellte er eine Armee auf und landete bei der französischen Hafenstadt Harfleur. Die Belagerung allerdings zog sich deutlich länger hin, als Henry erwartet hatte. Seine Pläne, nach der Einnahme auf Paris zu marschieren und den Feind so final zu schlagen, waren damit wertlos, denn als Harfleur endlich fiel, war die Feldzugsaison schon fast wieder um (man muss sich vor Augen halten, dass Kriege lange Zeit vor allem im Sommer geführt wurden, wenn es leicht war das Heer zu ernähren, indem man die fast reifen, aber noch nicht geernteten Feldfrüchte der Bauern für sich nutzte und so gleichzeitig den Feind seiner Lebensgrundlagen beraubte). Henry V. entschied sich deswegen, statt auf Paris in einer Art Wiederholung des Feldzugs Edward III. direkt auf das (nun englische) Calais zu marschieren und auf dem Weg dorthin das Land zu verheeren, damit die Wirtschaftskraft des Gegners zu schwächen und die Autorität der französischen Krone zu unterminieren. Wie bereits bei Edward III. ging das ganze schief: eine deutlich größere französische Armee maneuvrierte Henry V. aus und stellte sich ihm bei Azincourt in den Weg. Ohne Vorräte und praktisch ohne Chance blieb Henry keine andere Möglichkeit mehr, als wie Edward III. bei Crécy die Schlacht anzunehmen.


Mittwoch, 13. Oktober 2010

Die französische Revolution Teil 1/2

Von Stefan Sasse

"Die Freiheit führt das Volk"
Bis heute feiern die Franzosen an jedem 14. Juli mit einem gewaltigen Fest den Jahrestag des Sturms auf die Bastille in Paris im Jahre 1789, der als Zeichen des Volksaufstands gegen den König gewertet wird. Trotz des späteren Terrors (terreur) gilt die Revolution noch heute wenn nicht als Geburtsstunde, so doch als Wiedergeburtsstunde der grande nation, und sie beschäftigt die Vorstellungskraft bis heute. Welche Geschehnisse aber führten zur Revolution? Was ist dran an den Geschichten, Marie Antoinette hätte dem hungrigen Volk schnippisch entgegnet, wenn es kein Brot habe solle es Kuchen essen? Warum führte Frankreich bald Krieg gegen alle seine Nachbarstaaten, wie konnte es ihn gewinnen? Und wie konnte die Revolution in den Terror übergleiten? Diesen Fragen wollen wir uns im Folgenden widmen. 

Montag, 11. Oktober 2010

Der Hundertjährige Krieg Teil 1/2

Von Stefan Sasse

Phasen des Hundertjährigen Krieges
Von 1337 bis 1453 wütete in Frankreich, Flandern, Spanien und Südengland ein Konflikt, den Historiker im 19. Jahrhundert als "guerre de cinct ans", als Hundertjährigen Krieg, bezeichnen würden. Mit wechselnden Allianzen und ebenso wechselndem Kriegsglück bekämpften sich die englischen und französischen Könige. Der Preis war nichts weniger als die französische Krone, auf die das Haus Valois ebenso Anspruch erhob wie das englische Königshaus. Dabei hatten Frankreich und England bereits die vielen Jahrzehnte zuvor miteinander gefochten, und sie kämpften auch noch viele Jahrzehnte danach gegeneinander - tatsächlich bis zu den napoleonischen Kriegen ins 19. Jahrhundert hinein. Und noch heute schmerzt manchem Engländer die Seele wenn er erkennen muss, dass die französische Flotte über größere Flugzeugträger verfügt als die englische Royal Navy. Doch was macht diesen Zeitabschnitt 1337 bis 1453 zu so etwas besonderem, dass man ihm den Namen "Hundertjärhiger Krieg" gab und bis heute im Gedächtnis hält? 


Sonntag, 10. Oktober 2010

Der Erste Kreuzzug

Von Stefan Sasse

Statue Urban II. in Clermont
Clermont, Frankreich, im Jahre des Herrn 1095. Papst Urban II. hat ein Konzil in die Stadt einberufen. Dies ist beileibe nichts Ungewöhnliches. Es gibt viel zu besprechen, denn die Kirche befindet sich in einer Krise. Vor etwa 40 Jahren haben sich die Ostkirche mit ihrem Sitz in Byzanz und die Westkirche mit Sitz in Rom in einem Schisma endgültig gespalten. Der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation weigert sich offen, die Position Urban II. und dessen Oberhoheit über den Kaiser anzuerkennen und unterstützt einen Gegenpapst. Doch auf dem Konzil wird dann eine öffentliche Rede des Papstes zu einem nicht näher definierten Thema angekündigt, die nicht nur Klerikern, sondern allen offenstehen soll. Wegen des Andrangs wird sie schließlich auf das freie Feld vor der Stadt verlegt. Dort spricht Urban II. von den muslimischen Horden, die aus dem Osten in Byzanz einfallen und die heiligen Stätten der Christenheit - Jerusalem, Bethlehem, Nazareth - besetzt halten und dort auf das düsterste schänden. Er ruft dazu auf, das Kreuz zu nehmen und in das Heilige Land zu ziehen, um es von den Ungläubigen zu befreien. Die Ressonanz ist überwältigend. Öffentlichkeitswirksam (und wohl abgesprochen) bittet der mächtige Bischof Le Puy darum, sich dem Zug als erster anschließen zu dürfen, und kaum einen Tag später steht Graf Raimund von Toulouse vor den Toren und verkündet, ebenfalls das Kreuz nehmen zu wollen. In der ganzen westlich-mittelalterlichen Welt - das Reich selbst ist wegen der Unterstützung des Gegenpapstes von dem Enthusiasmus kaum betroffen - stößt der Aufruf auf ungeheure Ressonanz, und bald schon sind zehntausende auf dem Weg in das ferne, unbekannte Heilige Land, in dem nach populären Versprechungen Milch und Honig fließen und das Paradies schon fast verwirklicht ist. 

Freitag, 8. Oktober 2010

Zwei Filme, historische Fakten und was sie wirklich erzählen

Von Stefan Sasse

Im Jahr 2005 kam der Film "Kingdom of Heaven", zu deutsch "Königreich der Himmel" in die Kinos. Er porträtierte die Geschichte eines jungen Kreuzritters namens Balian, der zum Baron von Ibelin und Vertrauten König Balduin IV. aufsteigt, ehe er sich nach der katastrophalen Schlacht von Hattin mit der Verteidigung von Jerusalem betraut sieht, die von einem weit überlegenen Heer Saladins geführt wird. Es ist lohnenswert, sich mit diesem Film zu befassen, denn es handelt sich um einen der besten Historienfilme überhaupt. Warum aber ist das so? 

Der Film errang keine überragenden Kritiken, als er in die Kinos kam, und darf auch nicht als überragender Publikumserfolg gelten. Die Geschichte war zu schlaglichtartig, schlecht zusammengefügt und die tragenden Charaktere waren blass und seltsam entrückt. Um es kurz zu sagen: "Königreich der Himmel", wie er 2005 in die Kinos kam, wirkte unfertig, war kein besonders guter Film und ließ den Zuschauer wenig berührt zurück. Das lag daran, dass die erste von Ridley Scott abgegebene Version 194 Minuten umfasste und das Studio in einem für Hollywood leider typischen Anfall von Unterschätzung des Zuschauerst forderte, den Film auf zwei stunden zu kürzen und den Fokus auf Action und Romanze zu legen; entsprechend wurde das fertige Werk auch vermarkter ("vom Regisseur von Gladiator" sagt schon alles). 2006 jedoch veröffentlichte Ridley Scott seinen Director's Cut auf DVD. Der "Königreich der Himmel", der hier veröffentlicht wurde, ist ein praktisch völlig anderer Film. Er ist fast 45 Minuten länger und beseitigt sämtliche Fehler des Hauptwerks, das dadurch zu einem konsistenten und überzeugenden Ganzen wird, das bei weitem nicht die Aufmerksamkeit erfährt, die es verdient.


Freitag, 1. Oktober 2010

Fundstücke X

Von Stefan Sasse

Ein Student der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe hat als Abschlussarbeit ein PC-Spiel auf Basis der Half-Life-2-Engine programmiert, das die DDR-Grenze thematisiert. Das Game heißt "1378km" - in Anlehnung an die Grenzlänge - und lässt den Spieler entweder als "Republikflüchtling" oder als Grenzpolizist agieren. Der eine muss flüchten, der andere die Flucht verhindern. Der Programmierer will so "Geschichtsbewusstsein" steigern, weil man die junge Generation mit solchen Spielen am ehesten erreichen könne. Die Reaktionen waren erwartungsgemäß heftig; SpOn und BILD zerreißen es. "Experten" erklären es unisono für völlig ungeeignet. Besieht man sich die Experten wie etwa Axel Klausmeier - Direktor der Stiftung "Berliner Mauer" - so wird klar, dass das Ergebnis der Befragung bereits vor Herausholen des Mikrofons klar wurde. Im SpOn-Interview darf Klausmeier vorher noch eine Bildwand mit Fotographien der Maueropfer ablaufen, damit die Botschaft am Zuschauer auch ja nicht vorbeigeht.  Die Berichterstattung ist also, wie so häufig, mindestens genauso tendenziös wie ihr Gegenstand. Mir scheint, dass ein solches Game trotz der vom Programmierer eingebauten moralischen Wegsperren wie etwa dem Prozess im Jahr 2000, dem sich ein Mauerschütze stellen muss, eher nicht übermäßig zu empfehlen ist, weil eine größere Reflexion des Gegenstands damit kaum möglich erscheint, aber ich müsste es spielen, um mir ein vollständiges Bild davon zu machen. Das aber wird vorerst nicht möglich sein; zum "Beitrag zu einer sachlichen Debatte" hat die Karlsruher Hochschule nämlich Präsentation und Veröffentlichung verschoben. Sehr sachlich, äußerst lobenswert. /Ironie

Donnerstag, 30. September 2010

Die deutschen Bundespräsidenten

Von Stefan Sasse 

Was die Bestimmung eines Nachfolgers für Horst Köhler anging, wurde viel auf die Vergangenheit rekurriert. Da wurde davon geredet, dass das Postengeschacher einer Demokratie unwürdig sei, oder es wird die SPD verteufelt, dass sie 2009 einen eigenen Kandidaten aufgestellt habe statt Horst Köhler wiederzuwählen, was noch nie vorgekommen sei. Es ist also Zeit einmal zu sehen, wer bisher in der BRD Bundespräsident war, wie diejenigen Bundespräsidenten wurden  und welche Überlegungen dahinter standen.

Theodor Heuss
Der erste Bundespräsident ist zugleich derjenige, der das Amt entscheidend geprägt hat - ähnlich wie Adenauer das Amt des Bundeskanzlers. Es musste sich schließlich erst erweisen, wie die in der Verfassung dargelegten Gewalten mit- und gegeneinander arbeiteten, wer Koch und wer Kellner war. Es wurde schnell deutlich, dass die Adenauer'sche Interpretation des Bundeskanzleramts keinen Raum für einen mehr als repräsentativen Bundespräsidenten ließ - ein Amt, das Theodor Heuss entsprechend ausfüllte. Er hat noch heute einen hervorragenden Ruf, gilt als großer Intellektueller, der als ausgesprochen überparteilich galt, wozu vermutlich seine Herkunft aus der FDP beitrug.  Auch seine Staatsbesuche wurden viel gefeiert, und er trug deutlich zur Akzeptanz des neuen, demokratischen Deutschland bei. Er war ein Liberaler alten Schlags, und am Ende seiner zweiten Amtszeit wurde offen darüber debattiert das Grundgesetz zu ändern, damit ihm weitere Amtszeiten erlaubt seien (das GG begrenzt die Amtszeiten eines Bundespräsidenten auf zwei). Heuss jedoch lehnte dies ab.

Mittwoch, 29. September 2010

Die amerikanischen Präsidenten...mit den Animaniacs Teil 2/3

Von Stefan Sasse

Mit diesem Artikel setzen wir unsere im ersten Teil begonnene kleine Reise durch die Präsidenten der USA fort, bei der uns die Animaniacs mit ihrem Song "Presidents of the United States of America" begleiten.

Abraham Lincoln
"Up to bat comes old Abe Lincoln
There's a guy who's really thinkin'
Kept the United States from shrinking
Saved the ship of state from sinking."
Abraham Lincoln hatte es im Wahlkampf 1860 geschafft, die demokratische Partei über die Sklavenfrage zu spalten. Da er innerparteilichen Widerstand bereits vorher ausgeschaltet hatte, stand ihm damit der Weg ins Weiße Haus offen, das er als erster Republikaner betrat. Die Republikaner waren damals noch nicht die rechtsgerichtete Südstaatenpartei, die sie heute sind, sondern eine progressive Partei von Abolitionisten, besonders im Norden stark. Für den Süden war die Wahl Lincolns, durch den sie den Machtkampf im Bund endgültig an den Norden verloren, der letzte Tropfen in dem Fass, das sie zur Sezession bewegte. Lincoln verstand sich selbst als Gemäßigter; er erklärte, dass wenn er die Sezession verhindern könne, ohne einen einzigen Sklaven zu befreien, er es auch tun würde. Als die Schüsse von Fort Sumter abgegeben und der Krieg damit da waren, zögerte er aber nicht, die Freiwilligen, die zu den Fahnen des Nordens geströmt waren, in großen Schlachten zu verheizen und die unfähigen Oberkommandeure des Nordens zu feuern und durch noch unfähigere Kandidaten zu ersetzen. 1863 proklamierte er die Sklavenbefreiung im ganzen, ungeteilten Unionsgebiet, um damit die moralische Luftherrschaft wiederherzustellen und das wankende Großbritannien und Frankreich von einem Kriegseintritt auf Seiten der Konföderation abzuhalten. Als Lee seinen wagemutigen (oder, je nach Standpunkt, wahnwitzigen) Vorstoß im dreitätigen Gemetzel bei Gettysburg abbrechen musste, war es endgültig nur noch eine Frage der Zeit, bis die drückende quantitative und qualitative Überlegenheit der Nordarmee sich gegenüber der Inkompetenz ihrer Generäle ausgleichen und den Süden in die Knie zwingen würde. Wir werden nie erfahren, ob Lincoln die Aufgabe der Reconstruction des geschlagenen Südens besser vollbracht hätte als seine Nachfolger, denn diesen überließ er den Kladderadatsch, nachdem er 1865 von dem Schauspieler John Wilkes Booth ermordet wurde. 

Dienstag, 28. September 2010

Fundstücke IX

Von Stefan Sasse

Die SZ berichtet über einen interessanten Fall zum Thema Holocaust und Meinungsfreiheit: Im Jahr 2004 veröffentlichte der Politikwissenschaftler Konrad Löw im "Deutschland Archiv", einer zur Bundeszentrale für Politische Bildung gehörenden Zeitschrift, einen Artikel mit dem Titel "Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte", indem er die Theorie einer "deutsch-jüdischen Symbiose" im Dritten Reich postulierte. In Kurzform gebracht erklärte er, die Mehrheit der Deutschen sei nicht antisemitisch gewesen und habe mit den Juden sympathisiert; gleicherzeitig hätten gerade die mit den Deutschen kollaborierenden Juden, die damit "ihr nacktes Leben retten" wollten, ihren eigenen Leuten sehr großen Schaden angetan. Als die BpB merkte, dass sie diesen Artikel veröffentlicht hatte, hielt sie die größtenteils noch nicht ausgelieferte Auflage zurück, stampfte sie ein und entschuldigte sich öffentlich. Diese Reaktion wurde nun vom Bundesverfassungsgericht als "nicht angemessen" verurteilt. In der Begründung erklärte das Gericht, dass die BpB die Meinungsfreiheit von Privatpersonen achten müsse, sofern diese nicht extremistisch sei und mit ihr in Verbindung gebracht werden könne, und dass sie nicht ihre Geschichtsdefinition als einzig verbindliche hinstellen dürfe. Dieses Urteil ist richtig. Eine Art von oben verordnete Zensur, die Forschung nicht zulässt wenn sie zu Ergebnissen kommt, die nicht dem herrschenden Bild entsprechen, spielt eher Extremisten in die Hände. An dem Fakt des Holocaust ändert sich durch Löws Thesen nichts. Natürlich könnte man sagen, dass er analog zum Fall Steinbach historisch richtige Fakten ausgesprochen hat, diese jedoch zu merkwürdigen Implikationen führen (à la "Die Juden haben den Holocaust selbst mit durchgeführt"). Das ist allerdings in einem dezidiert wissenschaftlichen Magazin nicht zulässig, im Gegensatz zu Steinbachs schnoddrig hingeworfenem Unsinn.

NACHTRAG: Prantl argumentiert dagegen. 

Der vergessene Krieg

Von Stefan Sasse

Phasen des Koreakriegs
Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatten sich neue Brandherde gebildet. Während in Europa die NATO dem Ostblock - zu diesem Zeitpunkt noch nicht formal unter dem Bündnis des "Warschauer Pakts" zusammengefasst - argwöhnisch gegenüberstand, hatte die Teilung Koreas zwischen den USA und der UdSSR in Folge des letzten Feldzugs gegen Japan zwei Staaten geschaffen, die wie Deutschland auch in einen kommunistischen und einen demokratischen Teil getrennt waren. Nordkorea war dabei unter Kim-Il Sung kommunistisch, während der Süden von Präsident Rhee Syng-Man beherrscht wurde, der ein stark repressives Regime führte und seine späteren Wiederwahlen nur durch massive Manipulation sichern konnte. Der Süden wurde von den USA, der Norden von der UdSSR gestützt. Ein Interesse an Korea hatten eigentlich beide Seiten nicht, aber der Logik des Kalten Krieges nach konnte keine ihren Anspruch aufgeben, ohne zu "verlieren". Ergo belauerten sich bald Armeen an beiden Seiten der Demarkationslinie, dem 38. Breitengrad, während man Reden von der Wiedervereinigung schwang.

Montag, 27. September 2010

Die amerikanischen Präsidenten...mit den Animaniacs Teil 1/3

Von Stefan Sasse

Die 1990er Jahre Cartoon-Serie "Animaniacs", von Steven Spielberg mitproduziert, ist noch heute eine der Sternstunden des Satuarday-Morning-TV. Neben zahllosen Slapstick-Gags finden sich besonders in den Songs, die in der Serie zum Besten gegeben werden, immer wieder irgendwelche pädagogisch wertvollen Informationen, sei es zur Geschichte von Magellans Erkundungsfahrt, der Zusatzstoffe in Lebensmitteln, der Beschaffenheit des Universums, der Funktionsweise der Multiplikation, der Geographie der Erde oder der USA oder der Funktionsweise des Panamakanals. Natürlich hat das Animaniac-Trio Yakko, Wakko und Dot auch ein Lied über die Präsidenten der USA fabriziert; so patriotisch ist man dann doch. Das ist für uns Grund genug, uns das Lied und, vor allem, die dahinterstehende Geschichte genauer anzusehen und uns auf einen Parforce-Ritt durch die Historie der US-Präsidenten zu machen. Auf geht's!

George Washington
"George Washington was the first, you see, 
he once chopped down a cherry tree!" 
singt Wakko zum Einstieg. Gemeint ist damit die Legende, dass Washington als kleines Kind den Kirschbaum seines Vaters umgehackt hat und auf Nachfrage des Vaters die Tat mit den Worten "I cannot lie" ("Ich kann nicht Lügen") gestand, eine Legende, die wohl nach Washingtons Tod von Parson Weems in die Welt gesetzt wurde. Washington war Offizier im French and Indian War, mit dem wir uns bereits am Rande beschäftigt haben, und schien deshalb in einem Land ohne militärische Fachkompetenz geeignet zur Führung der Revolutionsarmee. Als man nach den Querelen um die Articles of Confederation einen geeigneten Vorsitzenden für die Kommission brauchte, die eine neue Verfassung ausarbeitete, verfiel man auf den seriösen Washington, der denn auch 1789 als erster Präsident gewählt wurde - Kunststück, war er doch der einzige Kandidat, wie auch bei seiner Wiederwahl 1792.


Donnerstag, 23. September 2010

Das blutige 20. Jahrhundert

Von Stefan Sasse

Berlin Alexanderplatz 1903
Das 20. Jahrhundert hat sich selbst in Abgrenzung zur so genannten "Neuzeit", die übereifrige Chronisten der Renaissance in ihrem Bestreben, sich vom angeblich so finsteren Mittelalter abzuheben ab 1500 ausgerufen hatten, den Begriff "Moderne" übergestülpt. Der technische Fortschritt, der sich mit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts bereits angekündigt hatte, zog im 20. Jahrhundert an Geschwindigkeit noch einmal dramatisch an und veränderte in den Industriestaaten das Leben dramatisch. Elektrizität und fließendes Wasser mit all den dazugehörigen technischen Segnungen griffen in den Alltag in seit der Erfindung des Aquädukts kaum mehr gekannter Weise ein. Autos und Straßenbahnen transportierten die Menschen mit ungekannter Mobilität, und eigentlich erfüllten sich damit all die Heilsvisionen eines durchtechnisierten Utopia, die besonders die Sozialdemokratie des ausgehenden 19. Jahrhunderts gekennzeichnet hatten. Doch gleichzeitig ist das 20. Jahrhundert das blutigste Jahrhundert der Weltgeschichte und hat eine kompromierte Abfolge von Massakern gesehen, die in der Geschichte der Menschheit ihresgleichen sucht.  Wir wollen diesen Eruptionen der Gewalt hier exemplarisch nachspüren und uns die Frage stellen, warum gerade das 20. Jahrhundert ein solches Nebeneinander von technischem und zivilisatorischem Fortschritt und Barbarei gesehen hat.

Dienstag, 21. September 2010

Fundstücke VIII

Von Stefan Sasse

1921 schrieb Eduard Bernstein zur gefälschten Abdankungserklärung des Kaisers:
Soweit Wilhelm II. als wollende Person in Betracht kam, war die Mitteilung von seinem Rücktritt eine fromme Vorwegnahme der Ereignisse. 

- Eduard Bernstein
So wie er in seinem Buch "Die deutsche Revolution 1918/19" kann man es natürlich auch ausdrücken.

Die Geschichte der SPD Teil 2/2: 1949-1999

 Von Stefan Sasse

Dies ist die Fortsetzung des ersten Teils.

Das Ergebnis der Wahlen 1949 hatte keinen klaren Sieger hervorgebracht. Die CDU und die SPD waren etwa gleich stark, dazu gab es einige weitere Fraktionen; in den einzigen bundesdeutschen Wahlen ohne 5%-Hürde waren neun ins Parlament eingezogen. Während die KPD den neuen Staat ablehnte (sie hatte als einzige Partei während der Verfassungsberatungen gegen die Annahme des Grundgesetzes gestimmt), standen die anderen vertetenen Parteien (die NSDAP-Nachfolgepartei SRP hatte es nicht ins Parlament geschafft und wurde 1950 verboten) hinter dem neuen, demokratischen Staatswesen. Nachdem keine Seite eine klare Mehrheit verbuchen konnte, stand nun die Wahl des ersten deutschen Kanzlers an. Da die CDU die meisten Stimmen wenn auch nur knapp auf sich vereinigte, führte Adenauer die Verhandlungen an. Zur Wahl standen drei Möglichkeiten: eine bürgerliche Koalition mit FDP, DP und Zentrum; eine große Koalition mit der SPD oder eine Volksfrontregierung unter Einschluss aller demokratischen Parteien. 

Montag, 20. September 2010

Die Geschichte der SPD Teil 1/2: 1863-1949

Von Stefan Sasse

Altes Wahlplakat der SPD
Die SPD ist die älteste Partei Deutschlands mit einer fast ununterbrochenen Parteigeschichte seit 1890 und einer Bewegungsgeschichte, die bis in die 1860er Jahre zurückreicht. In dieser Beziehung sticht sie aus den anderen Parteien heraus, die nicht auf eine solch lange Vergangenheit zurückblicken können. Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist von Anbeginn an mit der des deutschen Nationalstaats verknüpft. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die SPD stark gewandelt: von einer revolutionären Arbeiterpartei, sich scharf von den Bürgerlichen und Bauern abgrenzend, wurde sie mehr und mehr zu einer reformerischen Kraft, dann staatstragende Partei der Weimarer Republik, Widerstandskämpfer im Dritten Reich, erneut Klassenpartei in den Anfangsjahren der BRD, zur Reformkraft und Zentrum der intellektuellen Politisierung, ehe sie in einen noch nicht abgeschlossenen Transformationsprozess hin zur "Neuen Mitte" abglitt. Dieser Geschichte gilt es nachzuspüren.

Mittwoch, 15. September 2010

Die rechtlichen Grundlagen des Principats Teil 2/2

Von Stefan Sasse

Dies ist die Fortsetzung des ersten Teils

Zenturio
3. Komplex: Machtausübung im Prinzipat

Augustus‘ primäres Machtinstrument war das Heer, das unter seiner Ägide die Wandlung zum stehenden Berufsheer vervollständigte, die sich seit Marius und Sulla vollzogen hatte. Dieses Heer stand nach Abschluss des Bürgerkriegs an den Grenzen der Provinzen, die als Unruheherde betrachtet wurden, etwa in Germanien oder an den Grenzen des Partherreichs. Um die Kontrolle über die Legionen aufrecht zu erhalten und sich damit das eigentliche Gewaltmonopol im Reich zu sichern, das nicht zu halten geradezu als eine Einladung für Usurpatoren gelten musste (wie die spätere Geschichte zeigt, wo es immer wieder Kommandanten der Legionen waren, die nach dem Thron griffen). Das Instrument Augustus‘, die Legionen unter seiner Kontrolle zu halten und dies nicht wie im vorangegangenen Bürgerkrieg aus eigenen Mitteln und damit einer nicht verfassungsgemäßen übergroßen Heeresklientel zu tun, war das imperium proconsulare (maius).