Montag, 25. April 2022

Rezension: Kai Brodersen - Ich bin Spartacus

 

Kai Brodersen - Ich bin Spartacus

Nach unserem letzten Ausflug in die Geschichte der Antike (mit Jörg Findlings "Kaiser von morgens bis abends") rezensiere ich hier gleich einen weiteren Band der Reihe "Geschichte erzählt". Das gerade einmal rund 80 Seiten starke Bändchen von Kai Brodersen beschäftigt sich mit einem der prominentesten Charaktere der römischen Geschichte, dem Sklavenführer Spartacus. Bekannt ist er vor allem durch die Hollywood-Verfilmung mit Kirk Douglas von 1960, deren berühmteste (wenngleich frei erfundene) Szene dem Buch auch dem Namen gegeben hat. Einem jüngeren Publikum mag die grauenhafte Blut-und-Titten-Serie "Spartacus" des Spartensender Starz ein Begriff sein, die sich dem Mythos beinahe noch freizügiger angenommen hat als Kubrick anno 1960, falls das überhaupt möglich war.

Man darf den Adaptionen sicherlich zugutehalten, dass die Quellenlage äußerst dünn und zudem widersprüchlich ist. Aus den Reihen der rebellierenden Sklaven gibt es keinerlei schriftliche Hinterlassenschaften, so dass wir einerseits auf die Zeugnisse der Sieger angewiesen sind, die überwiegend nur fragmentarisch erhalten blieben, und andererseits auf später geborene Autoren zurückgreifen, für die Spartacus' Revolte so lange zurücklag wie für uns der Siebenjährige Krieg. Kai Brodersens Ansatz, die Geschichte hauptsächlich in Quellen zu erzählen, ist daher gut zu bewerkstelligen: allzu umfangreiches Material steht ohnehin nicht zur Verfügung.

Die Struktur, die Brodersen für seinen Ansatz wählt, ist gut durchdacht. Anstatt sich in Details und Spekulationen über den schattenhaften Thraker zu verlieren, führt er zuerst in die Realitäten der Sklaverei im Alten Rom ein, vor allem auf die verschiedenen Gruppen von Sklaven und diejenigen, die später eine so entscheidende Rolle spielen: die Hirten und Gladiatoren. Das ist schon alleine deswegen clever, weil die römischen Autoren selbstverständlich voraussetzen, dass wir als Lesende uns damit auskennen; mit dem Abstand von zweiundzwanzig Jahrhunderten aber ist der historische Kontext unerlässlich, der uns erfahren lässt, dass die Hirten die Gegend kannten, selbstständig und vor allem bewaffnet waren und deswegen einen Kern aufständischer Truppen bilden konnten. Auch die Unterbringung der Sklaven in kasernenartigen Unterkünften erlaubte eine Befreiung großer Gruppen.

Doch Brodersen hört bei der Schaffung von Kontext hier nicht auf, sondern erzählt auch die Geschichte des ersten und zweiten Sklavenkrieges, die dem Aufstand des Spartacus vorausgingen, nach, ohne die einige spezifische Reaktionen der Römer einerseits und Überlegungen der Sklaven andererseits kaum nachvollziehbar wären.

Damit hören aber für mich die positiven Aspekte des Buches auf, das ich leider nicht weiterempfehlen kann. In meinen Augen scheitert Brodersen mit der Idee, die "Quellen erzählen zu lassen", in mehrfacher Hinsicht.

Eine davon ist strukturell. Ich fand es sehr schwierig, zu unterscheiden, wo Quellen anfangen und Brodersen aufhört (ja, ich weiß, die Überschriften sind eigentlich ziemlich explizit, mir geht es mehr um den Lesefluss). Das liegt daran, dass Brodersen sich den Ton der Quellen selbst zu eigen macht, und dieser Tonfall ist ohnehin nicht gerade mit heutigen Lesegewohnheiten kompatibel und sehr voraussetzungsreich. Die Idee, Quellen erzählen zu lassen, setzt voraus, dass man in der Quellenanalyse und Quellenkritik bewandert ist. Die Quellen sind ja keine objektiven, sachlichen Erzähler, sondern in höchstem Maße von Weltsichten geprägt, die nicht nur subjektiv und von Interessen geprägt sind, sondern auch auf normativen Rahmen beruhen, die uns heutzutage zutiefst fremd sind.

All das fällt aber bei der großflächigen, seitenlangen Zitierung der antiken Autoren letztlich unter den Tisch, weil Brodersen nur sehr rudimentär weitere Einordnungen und Kritik bietet. War das Ziel, die Differenz der antiken Autoren zu verdeutlichen, so hätte dies ökonomischer in einer Zusammenfassung durch Brodersen selbst erledigt werden können, die dann Raum gelassen hätte für Einordnungen des Experten. War das Ziel, uns ein Gefühl für die Zeit zu geben, so scheitert dies schon daran, dass die Stimmen der antiken Welt für uns weitgehend unverständlich und in einem stark formalisierten Stil geschrieben sind, der zwar für Althistoriker*innen durchaus Sinn ergeben mag, aber für einschlägig nur laienhaft befleckte Lesende sicher nicht.

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