Von Stefan Sasse
Wenn man keine Ahnung hat, sollte man's vielleicht lassen. Rudolf Walther jedenfalls trägt in einem aktuellen taz-Artikel "Männer im Elitekampf" einen dermaßen großen Haufen Unsinn zusammen, dass man nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann. Es geht dabei, wie so oft, um den Zweiten Weltkrieg und die Nazis.
Zum Einen verkürzt Walther grob den Inhalt des so genannten "Historikerstreits":
"[Den Streit um die Diplomaten des AA mit dem Historikerstreit zu vergleichen] ist bar jeder Sachkenntnis. Im Historikerstreit 1986 ging es darum, eine von Joachim Fest (FAZ) und Ernst Nolte eingefädelte Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen zurückzuweisen. Noltes Begründung: Die Verbrechen Stalins hätten zeitlich früher stattgefunden als die Hitlers. Das war Teil des deutschnational grundierten, "geistig-moralischen" Wendemanövers. Die kritische Öffentlichkeit lehnte es rundweg ab."
Schon interessant; da streiten sich monatelang Historiker (daher der Name Historikerstreit), aber eigentlich sind sich bis auf Fest und Nolte alle einig. Nicht, dass ich hier Nolte unf Fest verteidigen will, aber wie das hier oben dargestellt wird ist einfach blanker Unsinn. Walther macht aber gleich weiter:
"Gegen die apologetische Haltung der deutschen Geschichtswissenschaft belegte Fischer die expansiven Kriegsziele des Kaiserreichs und die Hauptschuld Kaiser Wilhelms II. und seiner Regierung am Ersten Weltkrieg. Konservative Häuptlinge der Historikerzunft entfesselten 1961-64 eine wüste Propagandaschlacht gegen Fischers These und brachten das Auswärtige Amt dazu, die Geldmittel für eine Vortragsreise Fischers in die USA zu sperren. Das gelang nicht, weil amerikanische Universitäten einsprangen. Heute widersprechen Fischers These nur noch Nationalisten und andere Narren."
Oh, ich Narr. Es ist immer einfach, Thesen dadurch zu verteidigen, dass man alle Gegenredner zu Deppen erklärt, aber es ist wirklich sicher, einen Konsens in der Geschichtswissenschaft darüber zu statuieren, dass Fischers Thesen die Erforschung des Ersten Weltkriegs deutlich vorangebracht haben - seine Schlüsse und Schlussfolgerungen aber teilt heute in seiner Form niemand mehr. Das gleiche gilt übrigens für Wehlers "Sonderweg"-These: die Geschichtswissenschaft ist inzwischen weiter; Fischer wie Wehler waren Wegbereiter, wie es Historiker immer sind. Eine endgültige Wahrheit haben sie auch nicht gefunden, so sehr es auch in diesem Fall in Walthers Weltbild passen mag, das offensichtlich fest gefügt ist.
So sehr die Intention Walthers auch zu loben ist - sich gegen die tatsächlich vorhandenen Relativierungsbestrebungen jungkonservativer Historiker und Hobbyhistoriker zu stellen -, so sehr schießt er leider auch über das Ziel hinaus. Das Publikum der taz mag ja vielleicht auf dem Stand der 68er-Rebellion hängen geblieben sein; inzwischen ist es aber eigentlich nicht mehr notwendig, sich in einer solchen Aggression und mit solchem Eifer gegen den geringsten Relativierungsverdacht zu werfen. Eine Kodifizierung des NS-Geschichtsbilds bringt uns keinen Meter voran. Die Aufarbeitung und Gedächtnisarbeit wird durch Geiferer wie Walther eher behindert.
"Oh, ich Narr. Es ist immer einfach, Thesen dadurch zu verteidigen, dass man alle Gegenredner zu Deppen erklärt,"
AntwortenLöschenDas trifft leider viel zu oft zu. Keine Diskussion, aber dafür möglichst lautes Geschrei.
Das ist nur ein Vorbote. Der Kampf über die Deutungshoheit über WK I+II wird erst noch starten. Gebt uns noch 10 Jahre, bis die letzten Kinder des Krieges unter der Erde sind, welche persönliche Verantwortung und Scham mit ins Grab genommen haben.
AntwortenLöschenIm DLF lief kürzlich ein Beitrag, welcher von einem Präventivkrieg des Wilhelminischen Reiches spricht. Das wird wohl kaum ein Nationalist oder Narr gewesen sein. Das Deutsche Reich ist keineswegs der Alleinschuldige. Das wurde selbst im real exisitierenden Sozialismus so gesehen. Und Churchill ist zu "verdanken", dass aus Hitlers Scheibchenkrieg (Ö, CZ, PL usw.) zügig ein Weltkrieg wurde und Länder aus strategischen Gründen mit hineingerissen wurden, welche noch gar nicht auf der Speisekarte standen.
Ganz emotions- und standpunktlos: ich erwarte, dass in ein paar Jahren der Kampf um Schuld und Reparationen die Massenmedien und deren Titelstorys erreicht haben wird und dann erst richtig durchstartet. Beiträge wie der in der taz sind nur Vorboten.
Wenn ich dich richtig verstehe wäre es dir lieber gewesen, Churchill hätte gewartet bis Hitler seine Menüreihenfolge abgearbeitet hätte, also Osteuropa und die SU dem deutschen Machtbereich zugeschlagen sind und damit der "Kampf um die Weltherrschaft" begänne? Mir gruselt ob dieser Vorstellung. Ich denke wir können Churchill für seine Kriegestreiberei in diesem Fall gebührend dankbar sein.
AntwortenLöschen