Von Stefan Sasse
Atomexplision über Nagasaki 1945 |
Gleichzeitig richten sich geradezu Heilsvorstellungen an die Atomenergie, verbunden mit dem Glauben, man könne die Atomenergie vollständig kontrollieren und nutzen.
Die Atombomben
Ohne den Vorlauf der Wissenschaften wäre der Abwurf nicht möglich gewesen. Bereits der Erste Weltkrieg als „Krieg der Chemiker“ (Giftgase) und besonders der Zweite Weltkrieg als „Krieg der Physiker“ (Abwurf der Atombomben) wurden auch stark durch den wissenschaftlichen Fortschritt geprägt. Die Entwicklung der Atomenergie jedoch fußte vorrangig auf dem spezifisch wissenschaftlichen Antrieb der Physiker ab 1900 und besonders in den 1920er Jahren. Einzelne Theorien brachten bahnbrechende Impulse, die zur modernen Kernphysik synergierten.
Otto Hahn |
1938 revolutionierten die Spaltungen und die Spaltprodukte durch den Chemiker Otto Hahn die Physik. Vorerst konnten sich die durchführenden Chemiker diese Phänomene nicht erklären; sie teilten sie der österreichischen Physikerin Lise Meitner mit, die wiederum mit Otto Frisch diskutierte und so zu dem Schluss kam, dass der Kern durch Beschuss mit Neutronen gespalten wurde. Bereits vier Monate später wurde eine Fülle von Publikationen losgetreten, die sich mit der Kernspaltung beschäftigten. Man forschte mit Nachdruck und Energie am Phänomen der Kernspaltung. Bald kam auch die Frage auf: Kann man damit eine Bombe bauen? Und: Kann Deutschland eine Bombe damit bauen? Für viele Emigranten ist diese Fragestellung auch aufgrund ihres persönlichen Hintergrundes wichtig. Manche engagieren sich persönlich für eine Entwicklung in den USA, um Deutschland zuvorzukommen; vorerst wird der Gedanke eines „Forschungswettbewerbs“ jedoch zurückgewiesen. So entstand der berühmte Brief an Präsident Roosevelt, der wegen des Einmarschs an Deutschland bald an Brisanz gewann.
Kurz nach der Entdeckung der Kernspaltung durch Otto Hahn gab es mehrere Versuche, dieses Experiment nachzustellen und dadurch die Spaltung zu beweisen sowie Überlegungen, wie sich die Kernspaltung zivil wie militärisch nutzen ließe. Versuche einer selbst auferlegten Verpflichtung der Wissenschaft, die Forschung nicht weiterzutreiben, laufen wegen des Konkurrenzdrucks und der gewaltigen Möglichkeiten ins Leere. In der Situation des deutschen Überfalls auf Polen erfuhr der Brief Einsteins an Präsident Roosevelt eine Bedeutung, die viel drastischer eine Bedrohung darstellt als es die kryptischen Andeutungen über deutsches Potenzial sonst getan hätten. Die Welten von Militär und Wissenschaft verschmelzen geradezu und geben der weiteren Entwicklung der Atomfrage eine ungeheure Dynamik.
Die deutsche Kernwaffenforschung
Werner Heisenberg |
Das Projekt machte bis 1942 große Fortschritte, vor allem im Zuge der Blitzkriegsführung. Zum einen profitierte das Projekt von den Ressourcen der Kriegsbeute, beispielsweise Uran aus Belgien, Informationen und einem Teilchenbeschleuniger aus Frankreich sowie schwerem Wasser aus Norwegen. Zum anderen aber wird die Forschung nicht auf die Bombe fokussiert, da man davon ausgeht, den Krieg schnell mit konventionellen Mitteln zu gewinnen. Es gibt in dieser Zeit intensiven Austausch mit dem Heereswaffenamt.
Im Januar 1942 erkundigte sich das Heereswaffenamt sehr präzise nach der Realisierung von Atomwaffen und dem notwendigen Zeitrahmen. Die Wissenschaftler gestehen die prinzipielle Möglichkeit ein, setzen den Zeitrahmen jedoch auf mehrere Jahre fest. Interessant ist hier, dass das Interesse des Heeres sich erst mit einer Kriegswende herauskristallisiert und auch bald wieder erlöscht, als klar wird, dass die Entwicklung zu lang dauern würde. Sie gibt das Projekt in zivile Hände ab, woraufhin Heisenberg für das Kaiser-Wilhelm-Institut Projektleiter wird. Ab diesem Zeitpunkt gerät die deutsche Forschung deutlich gegenüber den Amerikanern ins Hintertreffen. Trotzdem ließen die Forscher nicht nach und betonten auch beständig den militärischen Nutzen der Forschungen. Ab 1943 verlangsamte sich das deutsche Uranprojekt trotzdem deutlich und hatte mit Schwierigkeiten beispielsweise bei der Ressourcenversorgung und den Arbeitsbedingungen (Bombardierungen) zu kämpfen. Die Bombardierungen behinderten nicht nur die Arbeiten selbst, sondern auch die Kommunikation zwischen den Gruppen.
Die alliierte Landung in der Normandie beinhaltete auch eine Kommission die den Auftrag hatte, im deutsch besetzten Europa nach Spuren des deutschen Uranprojekts zu suchen, da die Amerikaner zu diesem Zeitpunkt noch fest davon überzeugt waren, dass Deutschland kurz davor steht die Bombe zu bauen. Im November 1944 wurde Straßburg erreicht, wo man in Weizsäckers Institut Informationen fand, die aussagten, dass die Deutschen noch nicht so weit sind und wie ihr Forschungssystem aufgebaut ist. Ende April 1945 werden die mittlerweile an einem Punkt in Haigerloch konzentrierten Forscher verhaftet und ihre Ergebnisse beschlagnahmt. Die Forscher wurden auf einem Landsitz in England interniert, wo sie noch bis Sommer 1945 der Ansicht waren, sie seien weiter gewesen als die Amerikaner. Man hörte sämtliche ihrer Gespräche ab. Bei der Nachricht vom Abwurf der Atombombe in Japan war für die Forscher, mit Ausnahme Hahns, weniger das moralische Ausmaß der Katastrophe wichtig als vielmehr die Übernahme der Führungsrolle der USA in der Physik.
Carl Friedrich von Weizsäcker 1983 |
Die amerikanische Kernforschung
In den USA ging es von Anfang an stets um die Entwicklung der Atombombe. Der Ursprungsimpuls kam von den Emigranten, die hoch motiviert waren, eine deutsche Bombe zu verhindern oder Deutschland zumindest zuvorzukommen; dazu kommt der Kriegsausbruch, der Roosevelts Interesse weckt. Bis 1940 werden diese Forschungen hauptsächlich mit privatem Geld an den Universitäten finanziert. Diese Zögerlichkeit erklärt sich hauptsächlich mit der Unsicherheit über die Möglichkeit zur Realisierung dieses Projekts. Als diese Frage mit dem MAUD-Report positiv beantwortet wird und der Angriff auf Pearl Harbor Amerika in den Krieg eintreten lässt, ist die Initialzündung für das auf mehrere Orte verteilte Manhattan-Projekt gegeben. Im Großkomplex Los Alamos laufen die Fäden zusammen und wird an der Synergie des Ganzen gearbeitet.
Ground Zero Krater der Trinity Test Site |
In den amerikanischen Militär- und Regierungskreisen beginnt eine Diskussion über den Einsatz der Bombe; Eisenhower beispielsweise erläutert, dass Japan ohnehin besiegt sei. Es allerdings geht nicht auf das Gebot der bedingungslosen Kapitulation ein. Die an der Forschung beteiligten Wissenschaftler warnten davor, tatsächlich Waffen aus der Forschung zu erstellen und ein nukleares Wettrüsten zu starten und drängten darauf, dass die Bombe nicht eingesetzt wird. Es kommt zu einem letzten Ultimatum an Japan, das jedoch nicht darauf eingeht. Der Einsatz steht unter enormem Zeitdruck, da die Bombe erst am 6. August abgeworfen werden kann – das Wetter ist wichtig, denn die Bomber fliegen auf Sicht – und am 8. August der sowjetische Angriff auf Japan beginnt. In Höhe von 560 Metern über dem Stadtzentrum von Hiroshima explodiert die Bombe. Innerhalb einer Zehntausendstelsekunde werden 300.000 Grad Hitze frei; die Energie besteht dabei zur Hälfte aus Druck. In einem Umkreis von 2km gibt es keine Überlebenden. Trotzdem kapituliert Japan immer noch nicht. Am 9. August wird eine weitere Bombe auf Nagasaki abgeworfen. Wegen schlechter Sicht treffen die Amerikaner anders als in Hiroshima nur den Stadtrand, weswegen die Opferzahl geringer ist. Am 10. August kapitulierte Japan.
Scheitern des deutschen Uranprojekts | Erfolg des Manhattan-Projekts |
Politische Ursachen: | Politische Ursachen |
- Polykratie | - Bündelung der Ressourcen ab 1941/42 |
- andere Rüstungsprioritäten | - Entscheidung für die Bombe |
- Widerstand der Wissenschaftler? (R. Jungk, T. Powers) à unwahrscheinlich | - Motivation der Wissenschaftler |
Wissenschaftsimmanente Ursachen: | Wissenschaftsimmanente Ursachen: |
- gegen „deutsche Physik“ (M. Walker) | - keine außergewöhnlichen Konflikte |
- Differenz Theorie/Experiment/Technologie | - Theorie+Experiment+Technologie |
- Vorbehalte gegenüber „big science“ | - Durchbruch zu „big science“ |
- „brain drain“ durch Emigration | - „brain gain“ |
- Polykratie, keine Bündelung | |
Ca. 70 Mitarbeiter | Ca. 50.000 Mitarbeiter (1944 Höhepunkt mit etwa 133.000 Mitarbeitern) |
Ca. 80 Millionen Dollar Etat | Ca. 2,5 Milliarden Dollar Etat |
Eine wichtige Frage bleibt die nach dem Grund für den Einsatz der Bombe. Viele meinen, dass es für die Beendigung des Krieges notwendig war. Truman selbst brachte immer das Argument des Verhinderns von amerikanischen Opfern vor; er bezifferte die Kosten für die Eroberung Japans mit 500.000 Mann, was bereits unter Zeitgenossen sehr umstritten war. Man wollte außerdem den Kriegseintritt der Sowjetunion verhindern und sich für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg positionieren. Dazu kommt das wissenschaftliche Argument; man wollte wissen, ob die Bombe funktioniert. Es gab ebenfalls ein sozial-kulturelles Argument: die Revanchegedanken von Pearl Harbour und den Rassismus der Amerikaner gegen die Asiaten als „unterlegene Rasse“. Für Nagasaki gibt es gibt weitere Grüne, vor allem Japans Nicht-Kapitulation nach Hiroshima und der Beweis, dass man mehr Bomben hat und der Test eine alternative Technologie.
Präsident Truman |
Im Dezember 1945 wurde die Erklärung auf der Außenministerkonferenz in Moskau noch einmal bestätigt; im Januar 1946 gab die UN ihre erste Resolution heraus, die auch die United Nations Atomic Energy Commission gründet. Vorsitzender der Kommission wurde der stellvertretende Außenminister der USA Dean Acheson. Auch Oppenheimer hatte die Fronten gewechselt und war radikaler Gegner der Atomkraft geworfen und gehörte der Kommission an. Im März 1946 erschien der Acheson-Lilienthal-Report, der eine internationale Kontrolle über die gesamte Atomenergie forderte - von Beginn der Kette an mit der Verarbeitung von Uran. Nach dem Report soll die Nuklearforschung international gemeinsam vorangetrieben werden, die Uranvorräte der Welt sollen internationalisiert werden. Im Juni 1946 wurde Baruch zum amerikanischen Gesandten bei der Kommission ernannt. Er brachte für diesen Job keine Qualifikation mit außer seiner strikt anti-sowjetischen Einstellung. Am 14. Juni legte er der Kommission einen Plan vor, der sich zunächst stark an den Acheson-Lilienthal-Report und die Resolution anlehnte, sich jedoch darin unterschied, dass sämtliche Kontrollen an eine Organisation übergeben würden, die ständige Kontrollen durchführt und die auch durch ein Veto im Sicherheitsrat nicht beeinflusst würde. Bis sie funktioniert, sollten die Amerikaner aber als Einzige ihre Atomwaffen behalten. Wenig überraschend lehnte die Sowjetunion diesen Vorschlag ab. Das hatte zwei Gründe. Zum einen war es die Fortsetzung des US-Atomwaffenmonopols, zum anderen die Ausklammerung des Vetos, die der SU sämtliche Möglichkeiten aus der Hand nehmen würde. Durch die Ablehnung des Baruch-Plans kommt die Arbeit der Kommission endgültig ins Stocken. Im Mai 1948 stellt die Kommission ihre Arbeit ein und wird 1952 aufgelöst.
In den späten Vierziger Jahren standen sich beide Seiten bald strikt gegenüber. Besonders um Berlin entspannten sich mehrere Krisen, eine der heftigsten 1948. In dieser Situation der Blockade kam es zu einer beachtenswerten Drohgebärde der USA, als diese 60 atomwaffentaugliche B-29-Bomber nach Großbritannien verlegte. Gleichzeitig versuchte man auf die Regierungen der kleinen Staaten Einfluss zu nehmen. Das sieht man das besonders deutlich am kommunistischen Umsturz der Tschechoslowakei 1948 oder am griechischen Bürgerkrieg, aber auch die relativ große Stärke der kommunistischen Parteien in Frankreich und Italien bot den Westmächten oft Anlass zur Sorge.
"Baker"-Explosion auf dem Bikini-Atoll |
Gleichzeitig trieb die Sowjetunion ihre Forschung unter Kurchatov voran. Am 20. August 1945 ergeht ein Dekret Stalins, dass den starken Ausbau der Forschung vorsah. Wie beim Manhattan-Projekt wurden neue, geheime Forschungszentren aus dem Boden gestampft. Man verwendete auch deutsche Spezialisten und profitierte massiv von Spionage. Der erste Atomreaktor wurde nach Muster des Hamford-Reaktors 1946 in Betrieb genommen; am 29. August 1949 wurde in Semipalatinsk die erste sowjetische Bombe gezündet. Damit endete die Phase des amerikanischen Monopols.
Bildnachweise:
Explosion - unbekannt (gemeinfrei)
Hahn - unbekannt (CC-BY-SA 3.0)
Heisenberg - unbekannt (CC-BY-SA 3.0)
Weizsäcker - Kurt Hilberath (CC-BY-SA 3.0)
Ground Zero Trinity - Los Alamos MP (gemeinfrei)
Truman - USAA Signal Corps (gemeinfrei)
Baker - DOD (gemeinfrei)
Darf ich mal nachfragen wann du die Fortsetzung planst?
AntwortenLöschenDas interessiert mich als Physiker schon ein wenig.
Beste Grüße,
Eike Scholz
Relativ zeitnah, ein oder zwei Wochen max.
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