Von Stefan Sasse
Gracchus vor der Volksversammlung |
Im ersten Teil zum Thema Untergang der römischen Republik haben wir uns ihre genaue Funktionsweise angesehen. Mit den alten Vorstellungen des Volkes, das sich auf dem Forum versammelt und über irgendwelche Politikfelder abstimmt, hatte das reichlich wenig zu tun - die Republik diente letztlich hauptsächlich dem Austragen von Konkurrenz und Wettstreit unter der Aristokratie, bot einen Kanal, der dem Staatswesen half anstatt es zu erschüttern. Die überwiegende Mehrheit des Volkes, selbst reiche Händler und Amtsadelige, hatten im Allgemeinen wenig Mitspracherecht. Warum aber begann das Staatswesen am Ende des 2. Jahrhunderts vor Christus langsam zu bröckeln? Was führte in gewalttätigen Taumel von Bürgerkriegen, in denen die Republik versinken sollte? - Der Beginn lag bei den Gracchen.
Die Gracchen waren ein altes römisches Familiengeschlecht, das um 130 v. Chr. seinen Höhepunkt bereits hinter sich hatte. Seine zwei jüngsten Vertreter waren die neun Jahre auseinanderliegenden Brüder Tiberus und Gaius. Der ältere, Tiberius, wurde 133 v.Chr. zum Volkstribun gewählt - ein Amt, das keinen allzu hohen Ruf genoss und eher ein Trittstein auf dem Weg zu höheren Weihen war. Tiberius Gracchus stand der aristokratischen Senatsschicht feindselig gegenüber, wollte jedoch trotzdem an Macht gelangen. Zu diesem Zweck wollte er das Volkstribunat nutzen. Sein Plan: die Kriege Roms in den vergangenen Dekaden hatten eine große Menge Land in Staatsbesitz mit sich gebracht (ager publicus). Dieses Land sollte an römische Bauern verteilt werden. Allein, die hatten kein großes Interesse und zogen lieber in die Stadt.
Tiberius Gracchus |
Das führte dazu, dass der Staat das Land günstig verpachtete. Nach Lage der Dinge waren die Pächter Großgrundbesitzer, die so ihre Besitzungen vergrößerten - Aristrokraten, Senatoren im Senat. Für einige Jahrzehnte lief das so und lieferte vielen ärmeren Senatoren so die Lebensgrundlage. Gracchus griff dieses System nun an. Er postulierte, dass die Senatoren sich das Land rechtswidrig unter den Nagel gerissen hätten, das eigentlich römischen Bürgern zustünde, und dass es verteilt werden solle. Jeder Grundbesitzer sollte eine bestimmte, kleine Menge behalten dürfen (die um 180 v.Chr. Standard gewesen war), der Rest sollte verteilt werden. Das ist der Kern der berühmten gracchischen Agrarreform.
Das war natürlich aus zweierlei Gründen absurd. Einerseits gab es für das Land kaum echte Interessenten; niemand wollte ernsthaft auf die Miniparzellen bewirtschaften, die die Reform austeilen würde. Andererseits aber lebten die bisherigen Besitzer des Landes teilweise bereits in der dritten Generation dort, hatten investiert, es bestellt und ihre eigene seelische Verankerung dort. Selbst Begräbnisstätten und Ahnenschreine lagen auf den Ländereien, die Gracchus aufzuteilen gedachte. Im Gegensatz zu vielen antiken Quellen, die eine Art sozialen Klassenkampf erklären, an dessen Spitze sich der edle Gracchus setzt (eine Interpretation, der man bis in die 1980er Jahre folgte) handelte es sich also vielmehr um einen internen Kampf der Aristokratie, der plötzlich unter Zuhilfenahme des Volkstribunats und des Pöbels ausgetragen werden sollte. Das war neu. Die Senatoren waren erschreckt und verwirrt. Trotzdem waren sie überzeugt, dass Gracchus ihnen nicht ernsthaft schaden konnte, denn sein Kollege (wie überall in der Republik hielten sich auch im Volkstribunat mehrere Amtsträger gegenseitig in Zaum), Marcus Octavius, war gegen die Reform und konnte sie mit seinem Veto verhindern.
Das Veto der Volkstribunen war eine mächtige, aber selten genutzt Waffe. Theoretisch konnte sie praktisch jedes Gesetzesverfahren zum Stillstand bringen. Da die Volkstribunen aber hofften, später höhere Ämter besetzen zu können und dies die Unterstützung der aristokratischen Senatoren voraussetzte, geschah das selten. Und wenn jemand es doch tat - die Amtszeit war nur ein Jahr. Ein Jahr Stillstand konnte die Republik verkraften, der Volkstribun war danach politisch erledigt und man wählte einfach jemand anderen. Die eigenen Verfahren konnte ja der Kollege blockieren. Mit einer solchen Argumentation dürften sich die Senatoren ebenfalls in Sicherheit gewogen haben. Und tatsächlich - als Gracchus sein Reformwerk in die Volksversammlung einbrachte, stand Marcus Octavius schon mit dem Veto bereit.
Das war natürlich aus zweierlei Gründen absurd. Einerseits gab es für das Land kaum echte Interessenten; niemand wollte ernsthaft auf die Miniparzellen bewirtschaften, die die Reform austeilen würde. Andererseits aber lebten die bisherigen Besitzer des Landes teilweise bereits in der dritten Generation dort, hatten investiert, es bestellt und ihre eigene seelische Verankerung dort. Selbst Begräbnisstätten und Ahnenschreine lagen auf den Ländereien, die Gracchus aufzuteilen gedachte. Im Gegensatz zu vielen antiken Quellen, die eine Art sozialen Klassenkampf erklären, an dessen Spitze sich der edle Gracchus setzt (eine Interpretation, der man bis in die 1980er Jahre folgte) handelte es sich also vielmehr um einen internen Kampf der Aristokratie, der plötzlich unter Zuhilfenahme des Volkstribunats und des Pöbels ausgetragen werden sollte. Das war neu. Die Senatoren waren erschreckt und verwirrt. Trotzdem waren sie überzeugt, dass Gracchus ihnen nicht ernsthaft schaden konnte, denn sein Kollege (wie überall in der Republik hielten sich auch im Volkstribunat mehrere Amtsträger gegenseitig in Zaum), Marcus Octavius, war gegen die Reform und konnte sie mit seinem Veto verhindern.
Das Veto der Volkstribunen war eine mächtige, aber selten genutzt Waffe. Theoretisch konnte sie praktisch jedes Gesetzesverfahren zum Stillstand bringen. Da die Volkstribunen aber hofften, später höhere Ämter besetzen zu können und dies die Unterstützung der aristokratischen Senatoren voraussetzte, geschah das selten. Und wenn jemand es doch tat - die Amtszeit war nur ein Jahr. Ein Jahr Stillstand konnte die Republik verkraften, der Volkstribun war danach politisch erledigt und man wählte einfach jemand anderen. Die eigenen Verfahren konnte ja der Kollege blockieren. Mit einer solchen Argumentation dürften sich die Senatoren ebenfalls in Sicherheit gewogen haben. Und tatsächlich - als Gracchus sein Reformwerk in die Volksversammlung einbrachte, stand Marcus Octavius schon mit dem Veto bereit.
Römer in Toga |
Nur, Gracchus war nicht bereit nach den Regeln zu spielen. Stattdessen agitierte er gegen die Oberschicht und Octavius, der kaum wusste wie ihm geschah, und ließ darüber abstimmen, ihn aus dem Amt zu heben - ein glatter Verfassungsbruch. Nach einem kurzen Sprechversuch erkannte Octavius die Fruchtlosigkeit seines Tuns, und dass er sich besser vor dem rasenden Mob in Sicherheit brachte bevor er umgebracht wurde. Gracchus bekam dann problemlos seine Refom durch. Der Senat reagierte darauf zunächst kaum. Die Reformen waren leicht zu verschleppen, und Gracchus' Amtszeit näherte sich ihrem Ende. Die nächsten Volkstribunen würden die Reform dann einfach auf dem kalten Weg stoppen. Nur, Gracchus spielte nicht mit und betrieb seine Aufstellung zur Wiederwahl - ein weiterer Verfassungsbruch. Dieses Mal reagierten die Senatoren. Sie warfen Gracchus vor, den Umsturz der Republik zu planen und sich selbst zum König erheben zu wollen - ein Vorwurf, der zum Standardrepertoire in den innenpolitischen Auseinandersetzungen Roms werden sollte. Mit gedungenen Schlägern drang man in die Volksversammlung ein und tötete Gracchus.
Diese Ereignisse waren der Sündenfall der Republik. Ab sofort zeigte sie sich immer unfähiger, die Kämpfe unter den Adeligen in geordnete, friedliche Bahnen zu lenken. Die Gewalt und die Instrumentalisierung der Masse, die sich in wahren Straßenkämpfen entladen sollte, nahmen hier ihren Anfang. Dagegen war das Ende des jüngeren Gaius Gracchus, der zehn Jahre später das Werk seines Bruders fortsetzen und Rache nehmen wollte, nurmehr ein Schlusspunkt. Gaius Gracchus versuchte eine eigene Machtbasis aus dem Stand der reichen, aber relativ einflusslosen Equiti aufzubauen, konnte jedoch 121 v. Chr. seine Wiederwahl nicht gegen die senatorische Agitation sichern. Mit hunderten von Anhängern besetzte er den Aventin und die Senatoren machten mobil und riefen erstmalig den Staatsnotstand aus. Nach langen, blutigen Straßenkämpfen mit hunderten von Todesopfern war Gaius Gracchus ebenfalls tot; die von den Gracchen ins Leben gerufene Agrarkommission stellte einige Jahre später, auf kalten politischen Weg erledigt, ihre Arbeit ein.
Diese Ereignisse waren der Sündenfall der Republik. Ab sofort zeigte sie sich immer unfähiger, die Kämpfe unter den Adeligen in geordnete, friedliche Bahnen zu lenken. Die Gewalt und die Instrumentalisierung der Masse, die sich in wahren Straßenkämpfen entladen sollte, nahmen hier ihren Anfang. Dagegen war das Ende des jüngeren Gaius Gracchus, der zehn Jahre später das Werk seines Bruders fortsetzen und Rache nehmen wollte, nurmehr ein Schlusspunkt. Gaius Gracchus versuchte eine eigene Machtbasis aus dem Stand der reichen, aber relativ einflusslosen Equiti aufzubauen, konnte jedoch 121 v. Chr. seine Wiederwahl nicht gegen die senatorische Agitation sichern. Mit hunderten von Anhängern besetzte er den Aventin und die Senatoren machten mobil und riefen erstmalig den Staatsnotstand aus. Nach langen, blutigen Straßenkämpfen mit hunderten von Todesopfern war Gaius Gracchus ebenfalls tot; die von den Gracchen ins Leben gerufene Agrarkommission stellte einige Jahre später, auf kalten politischen Weg erledigt, ihre Arbeit ein.
Marius |
Die Republik aber wurde die Geister, die sie rief, nicht mehr los. Die nächste Gefahr drohte ihr von anderer Seite, von außen. Die Bundesgenossen Roms, die für seine Kriege Truppen zu stellen hatte, aber das römische Bürgerrecht nicht besaßen, versuchten dieses schon seit längerem zu erreichen. Der resultierende Krieg zog sich über Jahre hin und stellte die erste Bewährungsprobe für das neue Berufsheer Roms dar, das durch die berühmte Heeresreform des Marius geschaffen worden war. Marius hatte sich seinen Ruhm ebenso wie sein militärischer Untergebener und Konkurrent Sulla im Krieg gegen den nordafrikanischen König Jugurtha errungen und hatte später gegen Kimbern und Teutonen gekämpft. Im Krieg gegen die Bundesgenossen war er insgesamt sechsmal Konsul. Politisch gehörte er in das Lager der Popularen, was einer eigenen Erklärung bedarf.
Seit den Reformen der Gracchen gab es zwei inoffizielle, mäanderende politische Parteien in Rom: die Optimaten, die für einen Erhalt der aristokratischen Herrschaft und ihrer Privilegien standen, und die Popularen, die eine moderate sozialpolitische Agenda verfolgten und mit ihr Rückhalt im Volk errangen, das wegen der zunehmenden Gewalt in der römischen Politik als Quell großer Schlägertrupps immer wichtiger wurde. Marius gehörte ins Lager der Popularen, während die Optimaten seinen Intimfeind Sulla unterstützten. Dieser Kleinkrieg führte dazu, dass Marius am Ende der Bundesgenossenkriege Ehrungen versagt blieben. Als Sulla Konsul wurde und gegen den kleinasiatischen König Mithridates Krieg führte, trug der Senat Marius das Oberkommando an - eine schwere Beleidigung für Sulla, der gewissermaßen auf dem Absatz kehrt machte, seine Armee nach Rom führte, Marius und seine Getreuen in die Flucht schlug und sämtliche popularen Reformen rückgängig machte, was vor allem das Amt des Volkstribunen betraf und praktisch in die Bedeutungslosigkeit stürzte. Danach nahm er den Krieg gegen Mithridates wieder auf.
Seit den Reformen der Gracchen gab es zwei inoffizielle, mäanderende politische Parteien in Rom: die Optimaten, die für einen Erhalt der aristokratischen Herrschaft und ihrer Privilegien standen, und die Popularen, die eine moderate sozialpolitische Agenda verfolgten und mit ihr Rückhalt im Volk errangen, das wegen der zunehmenden Gewalt in der römischen Politik als Quell großer Schlägertrupps immer wichtiger wurde. Marius gehörte ins Lager der Popularen, während die Optimaten seinen Intimfeind Sulla unterstützten. Dieser Kleinkrieg führte dazu, dass Marius am Ende der Bundesgenossenkriege Ehrungen versagt blieben. Als Sulla Konsul wurde und gegen den kleinasiatischen König Mithridates Krieg führte, trug der Senat Marius das Oberkommando an - eine schwere Beleidigung für Sulla, der gewissermaßen auf dem Absatz kehrt machte, seine Armee nach Rom führte, Marius und seine Getreuen in die Flucht schlug und sämtliche popularen Reformen rückgängig machte, was vor allem das Amt des Volkstribunen betraf und praktisch in die Bedeutungslosigkeit stürzte. Danach nahm er den Krieg gegen Mithridates wieder auf.
Sulla |
Die obige Darstellung ist sehr stark verkürzt. Die Ereignisse jener Epoche sind verwirrend, voller interner Konflikte, Putsche, Gewalttaten und Chaos. Sie sind wie ein Nachhall der gracchischen Ära, ein Erbe jener Zeit, und halten die Republik im Würgegriff. Die neuen Parteien in ihrem Ringen demontieren Stück für Stück die Traditionen der Republik, nehmen Reformen zurück oder setzen sie mit Gewalt durch. Mächtige Figuren werden gestützt und stützen sich auf die Macht der Schwerter, ehe sie stolpern und wieder verschwinden. Marius ist einer der großen Spieler, aber auch er fällt schließlich, zieht sich aus der Politik zurück, kehrt wieder, muss flüchten, herrscht erneut, stirbt dann an einer Lungenentzündung. Im Detail sind diese Abläufe von keiner großen Bedeutung; Roms Kriege verlaufen siegreich, der Bundesgenossenkrieg endet mit der Verleihung des Bürgerrechts an die Genossen und Mithridates wird schlussendlich ebenfalls besiegt. Die Republik ist keinesfalls mehr bedroht wie sie es etwa während der punischen Kriege war.
Die Demontage republikanischer Traditionen dieser Zeit aber ist nichts gegen den konservativen Hardliner Sulla, der die Oberherrschaft des Senats wiederherstellt. Er tut als Erster, was vorher niemand wagte, selbst ein Militärführer wie Marius nicht: er bringt seine Armee über die Grenzen Roms und erobert die Stadt. Marius hatte sich hierzu noch gedungener Schlägertrupps bedient. Man macht dafür vielfach die so genannte "Heeresklientel" verantwortlich, also den Effekt, dass die Armeen - mit ihrer zwanzigjährigen Dienstzeit - nicht mehr dem republikanischen Staatswesen, sondern den Heerführern selbst verpflichtet seien, die für ihre Abfindungen verantwortlich sind. Das aber ist ein zu einfach konstruierter Zusammenhang. Wir haben bereits gesehen, dass Marius sich nicht auf sein so genanntes Heeresklientel stützt; auch Pompeius wird es später nicht tun, Cäsar und Augustus dagegen sehr wohl. Die Gründe für den Untergang der Republik liegen also nicht alleine in der Heeresklientel, besonders da auch die Verteidiger der Republik Brutus und Crassus sich ihrer bedienen werden.
Die Demontage republikanischer Traditionen dieser Zeit aber ist nichts gegen den konservativen Hardliner Sulla, der die Oberherrschaft des Senats wiederherstellt. Er tut als Erster, was vorher niemand wagte, selbst ein Militärführer wie Marius nicht: er bringt seine Armee über die Grenzen Roms und erobert die Stadt. Marius hatte sich hierzu noch gedungener Schlägertrupps bedient. Man macht dafür vielfach die so genannte "Heeresklientel" verantwortlich, also den Effekt, dass die Armeen - mit ihrer zwanzigjährigen Dienstzeit - nicht mehr dem republikanischen Staatswesen, sondern den Heerführern selbst verpflichtet seien, die für ihre Abfindungen verantwortlich sind. Das aber ist ein zu einfach konstruierter Zusammenhang. Wir haben bereits gesehen, dass Marius sich nicht auf sein so genanntes Heeresklientel stützt; auch Pompeius wird es später nicht tun, Cäsar und Augustus dagegen sehr wohl. Die Gründe für den Untergang der Republik liegen also nicht alleine in der Heeresklientel, besonders da auch die Verteidiger der Republik Brutus und Crassus sich ihrer bedienen werden.
Münze mit Sullas Bildnis |
Sulla jedenfalls änderte die Spielregeln des politischen Roms noch einmal massiv. Nach seiner ersten, kurzen Invasion Roms kämpfte er den Krieg gegen Mithridates zu Ende, eher er von der erneuten Machtübernahme Marius' und seiner Freunde erfuhr. Die Gewalt zwischen den Anhängern der beiden Parteien nahm nicht ab, und bereits zuvor hatten Sulla, Marius und andere sie als Legitimation für ihre Eroberungen Roms herangezogen und versprochen, sie beizulegen. Sullas letzte Übernahme der Macht in Rom, im Rahmen derer er sich auf unbestimmte Zeit zum Diktator ernennen ließ, brachte denn auch Ruhe mit sich - die Ruhe, die auf einem Friedhof herrscht. Seine Diktatur war eine Herrschaft des Terror. Öffentliche Listen wurden ausgehängt, so genannte Proskriptionslisten. Die auf diesen Listen genannten ware vogelfrei, jeder durfte sie erschlagen und mitnehmen was er tragen konnte, ihr Besitz fiel in Staatshand. Ursprünglich waren die Liste wohl dazu gedacht gewesen, das Töten in kontrollierte Bahnen zu lenken - der Effekt, den sie hatten, war der eines Abrechnungs- und Bereicherungswunschzettels, und in immer neuen Listen wurden immer mehr Leute aufgeführt, deren Besitz oder Machtstellung man gerne hätte, ob sie nun zu den Popularen gehörten oder nicht.
Gewalt dieser Art muss aber immer eine Gegenreaktion hervorrufen. Als Sulla nach drei Jahren abtrat - das Volkstribunat war bedeutungslos, der Senat quasi allmächtig - und kurz darauf verstarb, versuchten die um ihren Besitz gebrachten Opfer in Prozessen ihr Gut wiederzuerlangen, und viele Reformen Sullas wurden rückgängig gemacht. Auch die Volkstribunen erlangten 70 v.Chr. ihre alte Macht wieder.
Gewalt dieser Art muss aber immer eine Gegenreaktion hervorrufen. Als Sulla nach drei Jahren abtrat - das Volkstribunat war bedeutungslos, der Senat quasi allmächtig - und kurz darauf verstarb, versuchten die um ihren Besitz gebrachten Opfer in Prozessen ihr Gut wiederzuerlangen, und viele Reformen Sullas wurden rückgängig gemacht. Auch die Volkstribunen erlangten 70 v.Chr. ihre alte Macht wieder.
Pompeius |
Noch einmal schien die Republik zurück auf einen festen Pfad zu finden. Es war die Zeit Catos und Ciceros, eine Blüte römischer Rhetorik. Doch neue Umsturzversuche wie der Catilinas und der Aufstieg von Politikern wie Cäsar, die sich nicht an die alterhergebrachte Ämterlaufbahn und republikanische Tradition hielten, sorgten für eine immer schnellere Erosion des Systems. Die Gesetze wurden immer häufiger und, vor allem, folgenlos gebrochen. Wiederwahlverbote oder Mindestalter, die Zahl von Provinzen im imperium nach der Konsullaufbahn, all das wurde plötzlich zur Verhandlungsmasse bei Intrigen um die Ämter. Die Kriterien der Vergabe waren mehr und mehr die Hausmacht, die sich hinter die Kandidaten stellte, sei es in Form von hörigen Truppen, sei es durch großes Geld und Kontakte. Die Funktionsweise der Republik jedenfalls repräsentierten sie nicht mehr. Cäsar und Augustus waren deswegen nicht die großen Zerstörer der Republik; die brachten vielmehr ein morsches Gebilde zum Einsturz, das schon vorher durch diejenigen ausgehöhlt worden war, die es zu retten vorgaben.
Literatur:
Klaus Bringmann - Römische Geschichte von den Anfängen bis zur Spätantike
Klaus Bringmann - Geschichte der römischen Republik
Klaus Bringmann - Cicero
Klaus Bringmann - Krise und Ende der Römischen Republik
Jochen Bleicken - Geschichte der Römischen Republik
Jochen Bleicken - Verfassung der Römischen Republik
Jochen Bleicken - Lex Publica
Alfred Heuss - Römische Geschichte
GEO Epoche Römische Republik
DVD "Rom"
Klaus Bringmann - Geschichte der römischen Republik
Klaus Bringmann - Cicero
Klaus Bringmann - Krise und Ende der Römischen Republik
Jochen Bleicken - Geschichte der Römischen Republik
Jochen Bleicken - Verfassung der Römischen Republik
Jochen Bleicken - Lex Publica
Alfred Heuss - Römische Geschichte
GEO Epoche Römische Republik
DVD "Rom"
Bildnachweise:
Gracchus Volksversammlung - unbekannt (gemeinfrei)
Tiberius - Guilleaume Brouille (gemeinfrei)
Toga - 1891 Dictionary of Classical Antiquities (gemeinfrei)
Marius - unbekannt (gemeinfrei)
Sulla - unbekannt (Gemeinfrei)
Münze - unbekannt (gemeinfrei)
Pompeius - unbekannt (gemeinfrei)
Sehr guter Artikel, auch wenn ich finde, dass er die Macht des Geldes zu sehr vernachlässigt. Schliesslich waren es vor allem reiche Händler- und Bankier-Familien, die die wahre Macht hinter den Senatoren darstellten. Schliesslich finanzierten sie die Politiker, wodurch diese zu Marionetten selbiger wurden.
AntwortenLöschenUnd wie kann man das in unserer Gesellschaft verhindern? Der Witz ist ja, dass man nicht für das Wohl aller eintreten kann, weil man dadurch nicht genügend 'Macht' anhäufen kann um die auf persönliche Bereicherung fokussierten Gegner weiter in Schach zu halten. Sobald man aber auf persönliche Bereicherung umschwenkt um im Spiel zu bleiben verliert man automatisch seinen Standpunkt und hat verloren.
AntwortenLöschenAch ja - die Einheit der 'Macht' ist auch noch extrem wichtig. Solange man 'Ruhm' als Einheit hat ist alles OK. Ruhm verblasst ohne weitere Anstrengung. Hat man allerdings die Einheit 'Geld' so bekommt man das Problem, dass Geld zum einen von alleine mehr werden kann und zum anderen, dass man nicht sieht mit welchen Mitteln es verdient wurde. Das öffnet Tür und Tor für Macht-geile Wendehälse. Entschuldigt den Begriff.
Letztendlich ging es aber auch darum, dass eine zu einer kleinen Clique gewordene Führungsschicht die Politik bestimmte. Auch waren es diejenigen, welche das meiste Geld hatten, da sie de facto bestimmten, wer welches Amt bekam. Durch ihre zahlenmäßige Unterlegenheit, die immer größer wurde, mussten sie immer mehr Kompromisse eingehen. Selbst die Restauration durch Sulla konnten sie in ihrer Schwäche nicht mehr ausnutzen.
AntwortenLöschenCicero und auch andere sprachen immer wieder von einem moralischen Verfall, der das Gebäude der res publica zum Einsturz bringen würde. Diese falsche Analyse (das Symptom zur Ursache gemacht) lässt sich später den Historiker Livius, der ein glühender Anhänger der res publica war, wundern, dass man weder die Fehler noch die dafür vorgesehenen Heilmittel mehr vertrage (Vorrede 8f.). Diejenigen, wie auch schon im Artikel angedeutet, welche die res publica (öffentliche Sache !!!) zu verteidigen vorgaben (sog. piscinarii, also Fischteichbesitzer, wie sie Cicero in seinem ironischen Grundton bezeichnet), meinten eigentlich nur ihre Privilegien und verunmöglichten eine Reform, wie das in der Geschichte immer der Fall war. Dadurch waren Änderungen, wie sie vor allen Dingen von Clodius in den 60iger und 50iger Jahren angemahnt und teilweise umgesetzt wurden, nur mit Gewalt durchzusetzen.
Bezeichnend für die Krise der res publica ist das Anwachsen von Geldmitteln und die damit einhergehende Korruption, der Einfluss der publicani auf politische Entscheidungen, Wirtschaftsvertreter in der Politik (Cicero war einer der größten!) und Ämterkauf. Die Verarmung der Massen bildete ein weiteres großes Problem. Deshalb konnte man mit Getreideschenkungen das Volk auf seine Seite ziehen. Bei 7-800.000 Menschen in den elenden Wohnvierteln kann man sich ungefähr vorstellen, was das für Zustände waren. Wohnraum wurde immer teurer, aber dafür qualitativ schlechter. Ciceros Briefe geben einen kurzen Überblick, wie sich Hausbesitzer (er war einer und der größte war Crassus, der aus dem ersten Triumvirat) sahen; Wohltäter, denen die Mieter gefälligst die Miete aushändigen sollen und saniert wurden die Häuser nur, wenn es unbedingt nötig war. Brände waren in diesen Vierteln an der Tagesordnung. Augustus ließ ein Gesetz verabschieden, dass dort kein Haus über 22m(!) hoch sein dürfe. Stellt man sich vor, dass die Miethäuser in Berlin heute ca. 20-25m hoch sind und in Rom 22m schon eine Beschränkung war, müssen das elendige Verhältnisse gewesen sein. Dazu kommt, dass nur die erste Etage aus Ziegeln, die oft ihre Bezeichnung nicht verdienten, bestand und die weiteren Aufbauten aus Holz! Feuerstellen befanden sich natürlich auch im Innern.
Mit dem Übergang zum Prinzipat gab es auch keine großen Verbesserungen für diesen Teil der Bevölkerung. Dem konnte mit der neuen Militärdiktatur viel einfacher und kostengünstiger entgegnet werden. Mit der Integration der equites und der publicani in die Administration, wurde auch die neue reiche Klasse in die Führungsklientel integriert und alles konnte von vorn los gehen.
Ansonsten lässt sich feststellen, dass die Entwicklung, zumindest was die Richtung betrifft, voraussehbar war und auch wurde. In diesem System, wo sich nach anfänglicher Gemeinsamkeit der Interessen (res publica), alles nur noch um Profitmaximierung ging (Cicero: der Staat hat für die Sicherung der res privata zu sorgen!), entwickeln soziale und staatliche Strukturen eine gewisse Eigendynamik...
Der Austausch des Kopfes oder der Köpfe kann diese vielleicht für kurze Zeit verlangsamen, aber in keinem Falle aufhalten. Schon allein deswegen, weil die Führungsschichten kein Interesse haben über gesellschaftliche Alternativen zu diskutieren und diese von vornherein unterbinden. Reformfähigkeit wird an Einzelbeispielen wie Verres, vorgespiegelt.
AntwortenLöschenSchon dem ehemalige (wahrscheinlich korrupte) Politiker und Historiker Sallust (Zeitgenosse Ciceros und Caesars) ist das aufgefallen. Er schreibt in seinem ersten Brief an Caesar (ep.II 7, 3ff., 8ff.): "Das bei weitem größte Gut aber wirst du für das Vaterland, die Mitbürger, für dich und deine Kinder, schließlich für das menschliche Geschlecht schaffen, wenn du die Sucht nach dem Geld entweder aufhebst oder, soweit das möglich ist verminderst. Anders kann weder das Haus- noch das Gemeinwesen weder daheim noch im Felde gelenkt werden...Schließlich: wo Reichtum als ruhmvoll gilt, dort ist alles Gute käuflich; Treu und Glauben, Rechtschaffenheit, Scham, Keuschheit. Denn zur Tüchtigkeit gibt es einen einzigen steilen Weg, zum Gelde strebt jeder, auf welchem es ihm beliebt. Sowohl durch schlimme wie durch gute Dinge wird er erworben.
Also nimm vor allem dem Geld das Ansehen. Weder über die bürgerliche Existenz noch die Ehrenstellung soll einer aufgrund des Vermögens mehr oder weniger Richter sein, ebenso wie weder Prätor noch Konsul aufgrund des Reichtums, vielmehr aufgrund der Würdigkeit gewählt werden soll."
Danke für die erschöpfende Darstellung!
AntwortenLöschenIch hoffe, dass es eine angenehme Erschöpfung war. Dachte zumindest, dass es ganz interessant wäre, da ja allgemein die prosopographische Betrachtung gerade dieser Epoche der Geschichte recht einseitig ist. Dein Schwerpunkt liegt ja wohl eher in der Moderne oder Gegenwart. Da meiner dann schon eher oder vor allen Dingen in der Krisenzeit der res publica Romana liegt, wollte ich den Blickwinkel diesbezüglich etwas erweitern.
AntwortenLöschenSalutem
Ja, absolut, vielen Dank!
AntwortenLöschenEin guter Artikel, vor allem der Schlusssatz gefällt mir.
AntwortenLöschenAber, es ist falsch, dass die Römer das Land nicht haben wollten, was Gracchus ihnen geben wollte. Sie sind ja genau deshalb in die Städte gezogen, um Land von dem ager publicus zu verlangen, welches der durch die Kriege hochverschuldete Staat den reichen Sernatoren, welche die Kriege finanziert hatten, gegeben hatte. Der Konflikt zwischen den Ständen bezeichnet man auch als Soziale Krise und sie war bestimmt ein großer Faktor für den Untergang der römischen Republik. Auch war es so, dass die Soldaten, die durch immer längere (auch überseeische) Einsätze so lange von ihren Höfen weg waren, dass sie diese aufgeben und an die Besitzer der großen latifundien verkaufen mussten ( Agrarkrise), welche ihre Arbeitskraft durch die der Sklaven ersetzten. Die nun Mittellosen Menschen zogen in die Städte, wo sie eine neue Schicht, das Proletariat, bildeten. Sie konnten jetzt auch nicht mehr ihre Kriegsausrüstung bezahlen, wodurch das Heer stark an Soldaten verlor (Heereskrise).Diese 3 Krisen und die Verfassungskrise (das Rom an seiner alten Verfassung festhielt, und mit dieser aber nicht in der Lage war, Peripherie und Zentrum zu verbinden) Sind wesentliche Faktoren des Untergangs der Republik, die weggelassen wurden.
Sonst, wie gesagt, guter überschaubarer und leicht zu lesender Artikel mit einem tollen Schlusssatz! ;)