Dienstag, 7. Februar 2012

Nachtrag zu Steinbach

Von Stefan Sasse

Götz Aly äußert sich in der FR zum Thema und erklärt, dass die Fans von links und rechts ihre jeweiligen Lager in Weimar reichlich fließend wechseln konnten und dass die Idee einer Verschmelzung von Nation und Sozialismus damals sehr beliebt war. Sicher, damit hat er natürlich auch Recht. Aber das erklärt immr noch nicht, ob die NSDAP links oder rechts war. Festzustellen, dass ein Großteil ihrer Anhänger zu blöd oder indifferent war, die Unterscheidung zu treffen, sagt ja über die Ideologie noch nichts aus. Deren Gehalt ändert sich ja nicht dadurch, dass sie falsch verstanden wird, auch wenn ihre Vertreter dieses Fehlverständnis aus strategischen Gründen aktiv unterstützen. Aly verweist auch auf die Tatsache, dass es unter den Ostblockdiktaturen Verfolgung und Mord gegeben hat. Das bezweifelt ja auch gar niemand, aber es führt von der Frage erneut weg. Das Problem ist, dass "links" und "rechts" nur sehr schwammig definierte Begriffe sind. Wenn man jeweils die Stücke nimmt, die einem in den Kram passen, kann man die NSDAP natürlich zu einer linken Partei machen. Damit kann ich aber auch die KPdSU zu einer rechtsextremen Partei machen, was komischerweise im Umkehrschluss niemand jemals tut. Denn unter Stalin gab es ebenfalls einen starken Nationalismus, er verfolgte ethnische Minderheiten und breitete das eigene Territorium aggressiv aus. Nur, was davon konstituiert einen nun als rechts oder links? Der Terror alleine ist es jedenfalls nicht, darin kann man Steinbach, Aly und alle anderen problemlos beeinander finden. 

Ich bleibe dabei, dass die NSDAP nicht links war. Versuchen wir erst einmal einige Begriffe zu definieren, damit wir sicherstellen, dass wir überhaupt vom Gleichen reden. Was ist "links", was ist "rechts"? Ich habe bereits in meinem Eingangsartikel zu Steinbach gesagt, dass jeglichem "links"-Sein ein Zug von Internationalismus und Pazifismus beiwohnt. Das sind elementare ideologische Merkmale, die von der Sowjetunion auch mit großem Erfolg ausgeschlachtet wurden (ihr gelang es noch in den 1980er Jahren, auf dem Höhepunkt des Afghanistankrieges, bei großen Teilen der deutschen Friedensbewegung propagandistisch als friedliebendes Land dazustehen), auch wenn die Realität anders aussah. Ein weiteres konstituives Element ist die Egalisierung. Unter linken Ideologien sind alle Menschen gleich, sollen alle Menschen zudem möglichst emanzipiert sein (erneut: wir reden hier von den Ideologien, nicht von der Wirklichkeit). Im Gegensatz dazu sind rechte Ideologien betont national und leben von der Abgrenzung der eigenen Nation oder des eigenen Volkes von anderen, konstituieren also gerade nicht die Gleichheit aller Menschen. Dieser Punkt ist der größte Reibungspunkt von Rechten und Linken, hier unterscheiden sie sich am deutlichsten. Und dieser Punkt ist es auch, der nicht nur die Einordnung der NSDAP, sondern eben auch der KPdSU erschwert, denn dieses Element macht letztere ebenfalls reichlich rechts. Auch vom Pazifismus halten Rechte bekanntlich wenig. 

Ein Element, das in beiden Definitionen bislang nicht vorkam, war der Sozialpopulismus, der von Aly (wie auch anderen diese These vertretenden Historikern) immer wieder als Beweis für das Linkssein der NSDAP herangezogen wird. Ja, sicher, die NSDAP führte diverse soziale Wohltaten ein, die es größtenteils in die BRD hinübergeschafft haben. (Aly: "Wer den deutschen Mieter- und Kündigungsschutz, das Kindergeld, die Krankenversicherung für Rentner oder den Naturschutz für fortschrittlich hält, sollte bedenken, dass die Gesetze 1937, 1934, 1937, 1941 und 1938 erlassen oder in ihrer Schutzfunktion erheblich gestärkt wurden.")Sozialpopulismus aber ist kein linkes Alleinstellungsmerkmal. Er ist ein Wahlkampfmechanismus, ein PR-Gag (bestenfalls mit positiven Folgen). Ein rechtes Regime kann genauso problemlos soziale Wohltaten verteilen wie ein linkes. Sogar konservativ-demokratische Regierungen können das, völlig problemlos. Ja, ich meine Sie, Herr Adenauer. Ob die jeweilige Maßnahme rechts oder links einzuordnen ist, hängt wieder von dem emanzipativen Aspekt ab. Und hier sieht die Bilanz der Nazis nicht besonders links aus, denn die meisten ihrer sozialpolitischen Taten dienten der Zementierung eines sehr reaktionären Männer- und Frauenbilds (Muttertag, Kindergeld, etc.) und kaum dem Versuch, alle zur gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft zu bewegen. Daher muss man vorsichtig sein, wenn man so leichtfertig Dinge durcheinander wirbelt, weil sie einem gerade in den Kram passen. 

Das größte Problem an der Debatte ist aber eigentlich, dass die "links"- und "rechts"-Begrifflichkeiten überhaupt keinen großen Erklärungswert mit sich bringen. Sie sind politische Kategorien. Es geht um die Diskreditierung eines politischen Gegners, und Aly macht das in seinem Statement auch bemerkenswert deutlich:
Viele Deutsche identifizieren Rechts mit Böse und Links mit Gut. Ihrem geschichtlichen Durchblick hilft das nicht.
Richtig, Herr Aly, dem geschichtlichen Durchblick hilft das überhaupt nicht. Stalins Sowjetunion und Hitlers Deutschland waren beides totalitäre Regime, die Millionen Menschen auf dem Gewissen haben. Was also soll die Frage, ob irgendetwas darin links oder rechts war? Beide benutzten die Ideologien, denen sie anzuhängen vorgaben, als reinen Deckmantel und Legitimationsinstrument. Die Internationale war Stalin ein Außenbüro der KPdSU in jeder Hauptstadt und Zuflucht für den KGB, und er verfolgte nationale Minderheiten mit einer ähnlichen Begeisterung wie sein Pendant in Berlin. Hitler, auf der anderen Seite, ignorierte praktisch alle revolutionären Aspekte seiner eigenen Ideologie. Die "Volksgemeinschaft" war letztlich nur ein anderes Wort für "Maul halten und parieren", und in seinem Deutschland waren die in den Wahlkämpfen der 1920er Jahre so vehement kritisierten Unternehmer ebenso eine Stütze des Staates wie die Militäraristokratie. Das änderte sich erst nach dem Juli 1944, als das Reich bereits brennend in den Untergang taumelte und danach trachtete, so viele wie möglich mit in den Abgrund zu reißen. Letztlich bedeutsam ist wohl die Frage, als was Stalinismus und Hitlerismus wahrgenommen wurden. Und in dieser Wahrnehmung ist Hitler rechts und Stalin links, und beide Ideen tragen seither an diesen Exponenten und werden zur ständigen Selbstreflexion mit ihren totalitären Auswüchsen gezwungen. Das tut weh, und es provoziert Reaktionen.

18 Kommentare:

  1. Ich finde die ganze Debatte irgendwie ahistorisch. Das Rechts/Links Schema wandelt sich natürlich im laufe der Zeit. Deshalb macht es eigentlich nur Sinn, wenn man den Rechts/Links begriff der damaligen Zeit verwendet. Und die damalige (Selbst-) Beschreibung der Nazis war eindeutig Rechts.

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    1. O_Ton Goebbels:

      “Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir deutsche Linke! Nichts ist uns verhaßter als der rechtsstehende nationale Bürgerblock” (Dr. Goebbels, Der Angriff vom 6.12.1931 – zitiert aus: Radnitzky, Das verdammte 20. Jahrhundert, S. 162)

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    2. Toll. Die DDR war auch dem Namen nach eine demokratische Republik. Man muss schon den Willen haben zu unterscheiden was aus Zwecken des politischen Kalküls oberflächlich gesagt und behauptet wird und was tatsächlich Kern der Politik war.

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    3. Ah, gut zu wissen, "Cornflake Man". Dann weiß man ja auch, warum zu Zwecken des politischen Kalküls die BRD als "Demokratie" gilt und gegen "Nazis" gekämpft wird. Nicht wahr?

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  2. "Stalins Sowjetunion und Hitlers Deutschland waren beides totalitäre Regime, die Millionen Menschen auf dem Gewissen haben."
    Stimmt

    " Was also soll die Frage, ob irgendetwas darin links oder rechts war? Beide benutzten die Ideologien, denen sie anzuhängen vorgaben, als reinen Deckmantel und Legitimationsinstrument."
    Ich muss hier wiedersprechen!
    Klar ist, dass der Stalinismus als Sonderform eine Entartung des Kommunismus ist, bei dem kernpunkte der Kommunistischen Ideologie buchstäblich in ihr Gegenteil verkehrt wurden. Hier kann man tatsächlich von einem Deckmantel sprechen.
    Im Gegensatz dazu ist beim Nationalsozialismus die Ideologie quasi 1 zu 1 umgesetzt worden. Das "Führerprinzip" = Führung des Staates durch eine vom Schicksal ausgewählte Person, ist einer DER definierenden Faktoren des Faschismus. Ebenso der Nationalismus, der extreme Rassismus sowie der Militarismus.
    Man kann also nur schwer sagen, dass die faschistische Ideologie ein Deckmantel für den Nationalsozialismus war.

    Ich halte auch den Totalitarismusbegriff hier für wenig hilfreich, denn dieser bezeichent ja "nur" die äussere Form und das System der Herrschaft, nicht den ideologischen Überbau.

    Es gibt aber eine wichtige Unterscheidung:
    Kommunistische und "Linke" Systeme sind stets ideologisch egalitär und kollektivistisch. Zahllose Verbrechen des Stalinismus wurden ja unter dem Vorzeichen des Klassenkampfes gemacht.

    "Rechte" Systeme versuchen, den Klassengegensatz durch Korporative Wirtschaftssysteme zu überwinden und sind auch mehr oder weniger stark Ständisch ausgeprägt.
    Dabei werden aber die alten Eliten durch eine Funktionselite sukzessive ersetzt. Zugleich werden teilweise alte Moralvorstellungen und Traditionelle Soziale Systeme abgelehnt. Insofern haben faschistische Systeme auch eine gesellschaftliche Modernisierungstendenz.
    (Ein wichtiger Unterschied zum Erzreaktionären Franquismus)

    Insofern kann man meiner meinung nach klar sagen, dass der Nationalsozialismus klar "Rechtsradikal" ist. Aber er ist halt nicht reaktionär.
    (Insofern ist die Aussage von Steinbach vollkommener Bullshit und dient nur dazu, sich selber und seine Revanchistischen Ideen sauber zu waschen und über den Linken etwas Schmutz abzuladen.)

    LG
    Mike

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  3. Stimme dir größtenteils zu. Aber: der NS benutzte nicht den Faschismus als Deckmantel. Deswegen hatte er mit dem Ständestaat auch nichts zu tun. "Faschisten" wurden die Nazis nur von den Linken genannt, das war keine Eigenbezeichnung. Der NS war revolutionär, konnte damit gar nicht konservativ sein, aber diese revolutionäre Ideologie wurde nie umgesetzt, sogar gewaltsam unterdrückt (-> Röhmputsch 1934).

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  4. Ich meine, eigentlich waren die Begriffe „links“ und „rechts“ vor dem Aufkommen der faschistischen Bewegungen ziemlich klar und eindeutig: links stand für fortschrittlich, freigeistig, egalitär(sozial), dagegen stand rechts für konservativ/reaktionär, autoritär und elitär. Mit der modernen Massendemokratie tauchte nun das Phänomen auf, dass eine Bewegung mit eigentlich klar rechten Zielen sich in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht teilweise linker Programmpunkte und vor allem linker Rhetorik bedienen musste, um die Volksmassen zu erreichen. Das ist aber meiner Meinung nach schon alles, was den Faschismus und Nationalsozialismus links erscheinen lässt.
    Ebenso sind die Begriffe natürlich auch unklar geworden durch die Entwicklung von Bewegungen mit linken Zielen zu einer autoritären und elitären Praxis. Also wären nach dem ursprünglichen Verständnis im Endeffekt beide "totalitären" Systeme rechts.

    Hinzu kommt, dass vielen Menschen, unabhängig vom eigenen Standort, kaum klar ist, dass das Rechte und das Linke eben nicht nur hinsichtlich der sozialen Frage zu unterscheiden ist, sondern dass es auch um den Kampf zwischen kritischem progressivem Denken und individueller Emanzipation einerseits und einem Beharren auf Tradition und autoritären Strukturen andererseits geht. So scheinen viele – ablehnend wie zustimmend – zu meinen, das linke Prinzip bestehe in einem Gemeinschaftskult, der auch mit radikalem Antiindividualismus und Antiintellektualismus einhergehen kann, was dann auch Begeisterung für gewisse exotische Kulturen einschließen soll, wie man an den Islamdebatten sehen kann. Solche Umstände der Begriffsverwirrung erleichtern es konservativen Propagandisten, die Nazis in ideologische Nähe zu „den Linken“ zu rücken. Denn ansonsten haben natürlich besonders konservative, also objektiv relativ weit rechts stehende Kreise immer ein Interesse daran, ihre relative ideologische Nähe zu extrem rechten Ideologien zu verschleiern. 1979 versuchten auch schon Franz-Josef Strauß und Edmund Stoiber herauszustellen, dass die Nationalsozialisten vorrangig Sozialisten gewesen seien. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-39867302.html

    Darüber hinaus gibt es im rechtskonservativen Bereich die Tendenz, jegliche fortschrittlichen emanzipatorischen Bestrebungen als im Kern totalitär aufzufassen und somit den Totalitarismus in jeder Form auf das linke Prinzip zurückzuführen. Am konsequentesten wurde diese Überlegung wohl von Erik von Kuehnelt-Leddihn (http://de.wikipedia.org/wiki/Erik_von_Kuehnelt-Leddihn) propagiert, der dies dann auch ausdrücklich auf die Demokratie als solche bezog. In abgeschwächter scheinbar pro-demokratischer Form schlägt sich diese Denkfigur dann in Publikationen wie „Politically Incorrect“, „Achse des Guten“, „eigentümlich frei“, „Junge Freiheit“ etc. nieder, wenn die modernen Fortschrittsgedanken und Emanzipationsbestrebungen - Internationalismus, Umweltbewegung, Frauenbewegung, usw. – als totalitär und freiheits- und demokratiefeindlich diffamiert werden.

    http://sebastianhartig.blogspot.com/2012/02/zur-debatte-um-erika-steinbach-waren.html

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  5. Ein Gesichtsblog, der selber völlig unwissend ist, naja wen wunderts... mal eine kleine Erleuchtung gefällig Herr Sasse:

    „Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke… Nichts ist uns verhasster als der rechtsstehende nationale Besitzbürgerblock.“
    (Joseph Goebbels, 1931 in „Der Angriff“)

    „Meine gefühlsmäßigen politischen Empfindungen lagen links.“
    (Adolf Eichmann, Organisator der Massenmorde an den Juden, in seinen Memoiren)

    „Wir haben die linken Klassenkämpfer liquidiert, aber leider haben wir dabei vergessen, auch den Schlag gegen rechts zu führen. Das ist unsere große Unterlassungssünde.“
    (Hitler, 24. Februar 1945, Tagung der Reichs- und Gauleiter, zitiert bei Rainer Zitelmann in „Hitler–Selbstverständnis eines Revolutionärs“, Seite 457)

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  6. Ich hab ein Geschichtsblog, kein Gesichtsblog. Für letzteres fühle ich mich tatsächlich wenig kompetent.

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  7. Ich mache mal den Versuch, die Links-Rechts-Typisierung etwas präzise(r) vorzunehmen. Als "Links" würde ich (auch nach heutigem Verständnis!) das Streben nach Emanzipation des Individuums von all jenen Zwängen - praktisch wie strukturell - sehen, die einer freien Entfaltung der menschlichen Produktiv- und Kreativkräfte entgegenstehen. Steht im Prinzip genauso bei Marx, von wegen "das Ende aller Verhältnisse, in denen der Mensch ein geknechtetes, ein unfreies Wesen ist". Das wurde im Laufe der Zeit erweitert auf Kategorien, die Marx & Engels nicht oder nicht in dem Maße im Blick hatten: Geschlecht, Rasse, sexuelle Orientierung usw. usf. Der Weg dahin ist die Gleichberechtigung und Gleichstellung ALLER Menschen, verbunden mit einer Demokratisierung aller öffentlichen Lebensbereiche und dem Abbau von Autoritäten (hier spricht man gerne vom "Absterben des Staates"). Dass die Sowjetunion in dieser Hinsicht nicht sonderlich "links" war, bedarf vermutlich keiner weiteren Erläuterung.

    "Rechte" beabsichtigen hingegen keine Emanzipation nach INNEN, also des Individuums, sondern nach AUßEN, also der Nation. Die eigene Nation soll sich von fremden Einflüssen befreien, den "eigenen Weg gehen", sich gegenüber unbefugtem Grenzübertritt ebenso verteidigen wie gegen militärische Aggression usw. Die Bevölkerung hat dem Ziel der Emanzipation nach außen zu folgen und die Pflicht, sich nicht "verräterisch" zu verhalten. Dieses Ziel findet sich bis heute bei Konservativen in aller Welt (man denke an die Kampagnen gegen Irakkriegsgegner_innen in den USA) und ist auch nicht per se unvereinbar mit demokratischen Verfassungen.
    Der Nationalsozialismus übersteigerte diesen Gedanken ins Extrem: nicht die gleichberechtigte Stellung Deutschlands unter lauter anderen gleichberechtigten Staaten war das Ziel, sondern die Vorherrschaft einer (im übrigen immer als pan-germanisch aufgefassten) "arischen Rasse" und ihrem Staatswesen über den Rest der "minderwertigen" Staaten und Völker. Dies erfoderte die Ausschaltung von Opposition und v.a. "volksfremder" Gruppen im Innern ebenso wie die aggressive Expansion nach Außen.
    Da stellt sich die Frage danach, ob die NSDAP womöglich "links" gewesen sei, gar nicht mehr.

    Übrigens hatte das Wort "Sozialismus" 1920 eine ganz andere Bedeutung und ein ganz anderes "standing" als heute - es wurde bis in weite Teile des (Klein-)Bürgertums hinein als verheißungsvolle Utopie verstanden. Und wen, wenn nicht die "Arbeiter", hätten die Nazis denn sonst im Namen ansprechen sollen? "Nationalsozialistische Deutsche Elbjunker-Partei"? Also bitte.
    Unter den Industriearbeiter_innen hatte die NSDAP bis zuletzt (Reichstagswahl im März 1933) mit Abstand die wenigsten Wähler_innen

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  8. Genau das ist es: Wenn man den individual-emanzipatorischen Aspekt als konstitutiv für das linke Prinzip ansieht, können die Nazis niemals als links betrachtet werden. Das Wort Sozialismus wurde in der Tat damals weitgehend unabhängig vom politischen Standort und vom Links-Rechts-Schema gebraucht; so auch bei Oswald Spengler als preußischer Sozialismus, der im Grunde den Gedanken der Volksgemeinschaft vorwegnimmt.

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  9. "Wenn man den individual-emanzipatorischen Aspekt als konstitutiv für das linke Prinzip ansieht,"

    Genau das ist es aber nicht!
    Es gibt genauso den Gruppenbetonten Ansatz beim Linken Denken, vor allem beim Sozialismus/Kommunismus
    der Linke Libertarismus hat dagegen diesen Ansatz. Im Gegensatz dazu ist der ziemlich libertäre Politiker Ron Paul als der Godfather der Tea-Party Bewegung alles andere als "Links"

    Der Hauptpunkt bei "linken" Bewegungen ist meiner Meinung nach die Überwindung der Klassengesellschaft, während die Eher Rechten Systeme die Klassengesellschaft erhalten bzw verstärken wollen.
    Das heisst aber nicht, dass "Rechts" nun mit "Reaktionär" gleichzusetzen ist, so wollten sowohl der Italofaschismus als auch der Nationalsozialismus sehr wohl eine Klassengesellschaft einführen.
    Allerdings war diese völlig anders wie die althergebrachte Ordnung, so dass beiden Bewegungen durchaus eine Sozial umstürzlerische Komponente enthielten.

    Für meine genauere Einordnung Politischer Konzepte wäre es vieleicht nicht schlecht, die Frage nach "Rechts oder Links" aufzugeben und durch einen mehrdimensionalen raum zu ersetzen, mit der Unterscheidung von z.B. Egalitarismus <--> Elitismus; Individualistisch <--> Gruppenbezogen, usw.
    Da haben aber sicherlich schon viele Leute viele schlaue Bücher drüber geschrieben. :-)



    @Stefan: Die Frage, ob nun der Nationalsozialismus ein Spielart des Faschismus darstellt oder nicht, wäre eine eigene Diskussion wert. Allerdings diente der nationalsozialismus meiner Meinung nach NICHT als Deckmantel für irgendetwas, sondern die Politische Praxis des NS-Staates stimmte mit der Ideologischen Basis weitgehend überein. Führerkult, Der Massenmord an den Juden und anderen "unerwünschten" Bevölkerungsgruppen sowie der Vernichtungskrieg (u.V.M.) sind keine Gegensätze zur NS-Ideologie.
    Im gegensatz dazu ist der Stalinismus mit Stalinkult und Nationalchauvinismus nur mit großen Problemen mit dem Marxismus als Ideologie in Übereinstimmung zu bringen. (Deshalb hier der Begriff der "Entartung")

    LG
    Mike

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  10. Selbstverständlich hast du Recht, diverse elemente decken sich durchaus. Allerdings fehlen auch wesentliche Bestandteile der Ideologie in der späteren Praxis, besonders alle revolutionären Aspekte. Der bürgerliche Staat, den die Ideologie so angreift, und ihre Gesellschaft, bleiben in ihren Grundfesten bestehen.

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  11. Ist es aus ethischer Sicht nicht gleichgültig welche Ziele eine Person oder Gruppe verfolgt - seien dies nun linke oder rechte Ziele?

    Entscheident sind doch die Mittel, die sie zur Erreichung dieser Ziele anwenden (wollen), also ob sie Gewalt anwenden oder ob sie ihre Ziele friedlich erreichen (wollen).

    Ich glaube nicht, dass es für mich einen Unterschied machen würde, ob ich von jemanden auf der Straße zusammengeschlagen werden, weil ich für ihn der falschen Rasse oder aber der falschen Klasse angehöre.

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  12. @ Martin Hedler:
    1. Geschichtswissenschaft ist nicht Ethik.
    2. Je nachdem welcher Ethik sie sich bedienen, ist das Motiv nicht gleichgültig. Die Kantsche Ethik z.B. urteilt allein aufgrund des Motivs.

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  13. @citrone:
    Deine korrekten Anmerkungen unbenommen, möchte ich trotzdem weder aus linken noch aus rechten Motiven verprügelt werden.

    @Stefan:
    Wenn Pazifismus ein Kriterium für Linkssein ist, gibt es per dieser Definition also keine linke Gewalt? War demnach auch die RAF nicht links?

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  14. @Martin: Nein. Leider ist die Linke nicht gewaltlos; es heißt nicht umsonst Revolution und Diktatur des Proletariats und Vernichtung der Burgeoisie. Aber Kriege werden abgelehnt.

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  15. Ok, ich hatte Pazifismus enger ferstanden, als "Gewaltverzicht". Eben noch einmal bei Wikipedia geschaut und wieder was gelernt.

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