Montag, 15. November 2010

Der amerikanische Bürgerkrieg

Von Stefan Sasse

Flagge der CSA (Rebel flag)
Noch heute, fast 150 Jahre nach seinem Ende, prägt der amerikanische Bürgerkrieg die amerikanische Gesellschaft auf tiefgreifende Art und Weise. Er stellt das große Trauma der Amerikaner dar, verwüstete der Krieg doch besonders den Süden, wie die Amerikaner es nie davor oder danach erleben sollten und ergriff alle Gesellschaftsschichten. Vier Jahre lang bekämpften sich Nordstaaten und Südstaaten bis aufs Blut, und die USA von 1865 waren nicht mehr die, die 1860 auseinandergebrochen waren. Wir wollen uns im Folgenden ansehen, wie der Krieg begann, was ihn auszeichnete, welche Entwicklungen durch ihn aggregiert wurden und welche Änderungen er hervorrief. 

Flagge der USA (Stars and Stripes)
Als South Carolina am 24. Dezember 1860 den Austritt aus der Union erklärte und ihr bald sechs Staaten (Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana, Texas) nachfolgten, die am 4. Februar 1861 eine eigene Regierung bildeten - die Confederate States of America - und die Forts und Militäranlagen der Bundesarmee praktisch ohne Gegenwehr übernahmen, erklärte der zwar abgewählte, aber noch im Amt befindliche Präsident Buchanan, dass die Union "intended to be perpetual" (als ewigwährend gedacht) sei, der Kongress und damit er aber nicht "the power by force of arms to compel a state to remain in the union" (die Macht der Waffen um einen Staat zum Verbleib in der Union zu zwingen) besäße. Bis zur Inaugaration Lincolns am 4. März 1861 traten auch viele Repräsentanten und Senatoren der Südstaaten aus dem Kongress zurück, was es den verblieben nördlichen Abgeordneten erlaubte, viele gegen den Süden gerichtete Gesetze durchzubringen, die vorher blockiert worden waren und die die wirtschaftliche Stoßrichtung des Nordens hin zu einer Industriegesellschaft unterstützten; etwa Zollgesetze (wir erinnern uns, diese waren ein stetiger Streitpunkt gewesen) und eine transkontinentale Eisenbahn durch die Nordstaaten.


dunkelrot: sieben Gründer, rot: vier Beitritte, gelb: border states; blau: Union; grau: unabhängige/neutrale Territorien
Die sieben nun konföderierten Staaten ernannten vorübergehend Jefferson Davis zum Präsidenten, bis 1862 reguläre Wahlen stattfinden sollten. In Montgomery, Alabama, wurde eine Verfassung für die Konföderation ausgearbeitet. In weiten Teilen ähnelte diese Verfassung der der USA frappant (was kaum wunders nimmt wenn man bedenkt, dass diese ursprünglich von Virginiern ausgearbeitet wurde). So wurde die Einrichtung der Sklaverei unter besonderen Schutz gestellt - der internationale Handel mit Sklaven blieb aber weiterhin verboten -, die Einzelstaaten gaben einige Rechte an die Bundesregierung ab, die ihrerseits allerdings keine wirtschaftlichen Maßnahmen wie Zölle und progressive Wirtschaftspolitik treffen durfte und der Präsident wurde alle sechs Jahre gewählt, dafür aber ohne die Möglichkeit einer Wiederwahl. Viel Zeit für solche Interna allerdings war nicht: Lincoln lehnte nach seiner Inauguration ab, mit den Konföderierten zu verhandeln, die einen Kauf bisherigen Bundeseigentums und einen Friedensvertrag anboten. In Charleston, South Carolina, entzündete sich dann am 12. April 1861 der Krieg über den Beschuss von Fort Sumter.

Fort Sumter war eines der Bundesforts, die der Norden noch auf dem Gebiet der Konföderation besetzte, und Lincoln war entschlossen, es zu halten. Die Konföderierten griffen nicht an und vertrauten darauf, dass Sumter kapitulieren musste, wenn es keinen Nachschub erhielt. Genau diesen aber sandte Lincoln, und nachdem auch Drohungen des Südens ihn nicht zum Abbruch der Versorgung brachten, beschossen die Konföderierten auf direkten Befehl Davis' hin das Fort. Lincoln gab nun den direkten Befehl zum Einmarsch. Da die Staaten Tennessee, Arkansas, North Carolina und Virginia sich weigerten, diesem Befehl Folge zu leisten, schlossen sie sich nun ebenfalls der Konföderation an, eine Handlung, die sie zuvor noch abgelehnt hatten. Obwohl Maryland, Missouri und Kentucky, ebenfalls Sklavenhalterstaaten, teilweise Sezessionserklärungen abgaben, gelang es dem Norden diese so genannten border states unter seiner Kontrolle zu behalten. Kentucky erklärte sich gleichwohl für neutral und sandte keiner Seite Truppen.

Nach der Schlacht von Bull Run 1861
Beide Seiten waren dabei kriegsbegeistert, in einem Ausmaß, das das berühmte "August-Erlebnis" des Ersten Weltkriegs weit in den Schatten stellte. Obwohl die Militärführung der Union mit dem so genannten "Anaconda-Plan" eine passable Strategie besaß, die die schwer befestigte Grenzregion von Virginia umging, indem sie eine Seeblockade zum Abschneiden des Nachschubs und Abwürgen der exportabhängigen Baumwollindustrie errichtete und entlang des Mississppi Eroberungen durchführen wollte, um so den Süden in zwei Hälften zu teilen, beschloss Lincoln auf Druck der angriffshungrigen Öffentlichkeit den direkten Vorstoß. Die Warnungen des Militärs, dass die Armee - größtenteils aus unerfahrenen Freiwilligen bestehend - nicht offensivbereit sei, überging man. Bereits bei Manassas, Nordvirginia, wurde die Unionsarmee im Juli 1861 aufgehalten. Am kleinen Flüsschen Bull Run trafen sich die beiden Armeen zum ersten Mal. Beide Seiten gingen davon aus, dass sie einen schnellen Sieg davon tragen und dann auf die jeweilige Hauptstadt marschieren würden (Richmond, Virginia, und Washington, D.C., lagen kaum 100 Meilen auseinander). Aus der Umgebung waren Zivilisten als Zuschauer teilweise mit Picknickkörben und ganzer Familie angereist, um das Spektakel zu begutachten.

Was keiner der Beteiligten, auch die verantwortlichen Militärs nicht, in Betracht gezogen hatte waren die Veränderungen in der Kriegführung, die sich mittlerweile ergeben hatten. So waren die Armeen überwiegend mit dem Gewehr mit gezogenem Lauf ausgerüstet, das die effektive Reichweite eines Gewehrschützen von etwa 100 Metern auf 800 Meter erhöhte und zudem die Nachladezeit verkürzte und die Genauigkeit verbesserte. Im alten Stil ließen die Generäle ihre Truppen aber noch in Linien antreten und mit dem Bajonett stürmen - die Verluste waren mörderisch. Bei Bull Run brach deswegen unter den unerfahrenen Truppen schnell ebenso Panik aus wie unter den Zivilisten, und die Linien der Nordstaatenarmee brachen. Alles flutete in wilder Panik nach Washington zurück. Doch auf der Seite der Konföderierten sah es nicht viel besser aus: auch hier waren die Truppen völlign auseinandergebrochen und nicht mehr zu kontrollieren, und nur mit Mühe gelang es den Offizieren, sie wieder in Ordnung zu bringen. Doch beide Seiten zogen schnell ihre Lehren aus dem Krieg. Soldaten begannen den Wert von Deckung zu erkennen und zu nutzen, die Artillerie versuchte, Deckungsfeuer zu geben und die Aufstellungen wurden flexibler.

Seeschlacht zwischen CSA und USA vor Cherbourg, Frankreich
Bull Run hatte dem Norden die Chance, den Krieg schnell zu beenden, jedoch erst einmal verweigert. Die Situation war dabei nicht so eindeutig, wie dies aus der Retrospektive scheint. Zwar hatte der Norden eine fast dreimal so hohe Bevölkerung wie der Süden und konnte zudem auf einen stetigen Strom an Einwanderern zählen, die oftmals zum Dienst an der Waffe gepresst wurden. Außerdem war er durch seine industriellen Kapazitäten in der Lage, seinen Truppen ordentliches Material - Munition, Verpflegung, Kleidung, Schuhwerk - zur Verfügung zu stellen, während die Konföderierten oft genug barfuß gingen. Der Süden besaß jedoch auch einige Vorteile. Die Motivation der Bevölkerung war deutlich höher, verteidigte man doch eigenen Grund und Boden. Viel mehr Menschen hatten bereits Erfahrung im Schießen, und da die klassenbewusste Oberschicht des Südens ihre Söhne standardmäßig zur Offiziersausbildung nach West Point geschickt hatte, besaß man einen ausgezeichneten Offizierskader, während im Norden viele ausgemachte Amateure am Werk waren.

Somit schien es für den Süden ausreichend zu sein, den Krieg nicht zu verlieren - der Norden dagegen musste ihn gewinnen. Für den Süden war es eine erfolgversprechende Strategie, einfach hinhaltend einen Abnutzungskrieg zu führen, bis die Kosten für den Norden zu hoch wurden. Das aber erforderte, trotz der genannten Vorteile, vor allem zumindest die formale Anerkennung der CSA durch Großbritannien und Frankreich, am besten gar ein Bündnis mit ihnen. Beide europäische Staaten waren zu diesem Zeitpunkt die Hauptimporteure der Baumwolle der Südstaaten ("King Cotton", König Baumwolle, wurde sie deswegen auch genannt). Besonders die englische Textilindustrie schien von diesen Importen deutlich abzuhängen. Hier aber hatten die USA den Vorteil, da es für sie reichte, beide neutral zu halten, während die CSA effektiv ein Bündnis erreichen mussten.

Robert E. Lee
Im Verlauf des Jahres 1861 stellte sich heraus, dass es zum Zwecke der Anerkennung und eventuell des Bündnisschlusses eindrucksvoller Siege bedurfte, die deutlich machten, dass die CSA auch wirklich Chancen hätten. Der Oberbefehlshaber des Südens, General Robert E. Lee, führte zu diesem Zweck Angriffe auf den Norden durch. Er ging davon aus, dass Siege der CSA auf dem Boden der USA die Moral des Nordens erschüttern und dessen Aufgabe beschleunigen würden. Während des Angriffes auf Maryland 1862 trafen die Hauptarmeen beider Seiten bei Antietam aufeinander. Die Schlacht markiert den blutigsten Tag in der amerikanischen Militärgeschichte; über 23.000 Soldaten fielen. Aufgrund taktischer Fehler beider Seiten konnte der Süden allerdings keinen Durchbruch erzielen; am Ende standen beide Seiten in ihren Ausgangsstellungen. Obwohl taktisch ein Unentschieden, war Antietam strategisch ein Sieg für die Union, da Frankreich und England sie zum Anlass nahmen, keine Maßnahmen zugunsten der CSA zu ergreifen. Außenpolitisch neutralisiert wurden die CSA dann endgültig durch die "Emancipation Proclamation" 1862, mit der Präsident Lincoln die Sklaven in den Gebieten der Konföderation für befreit erklärte. Nicht befreit wurden alle Sklaven in den border states, deren Loyalität man sich versichern wollte, sowie in allen bis Januar 1863 eroberten oder kapitulierten Südstaatengebiete. Mit dieser Maßnahme hoffte man, diese zur Aufgabe zu bewegen - hauptsächlich jedochstellte es die Union moralisch über die Konföderation und machte es England und Frankreich unmöglich, gegen den Willen ihrer sklavenfeindlichen Öffentlichkeit noch in den Krieg einzugreifen. Beide Länder sahen sich nach Alternativen für Baumwollimporte um und näherten sich den USA an.

Die meisten Schlachten an der Ostfront des Krieges, die vor allem im Bereich Maryland, Virginia und Pennsylvania lag, wurden von den Konföderierten gewonnen, ohne dass aber jemals entscheidende Durchbrüche etwa in Richtung Washington erzielt werden konnten. Da die Schlachten allesamt verlustreich für beide Seiten waren, der Norden seine Verluste aber leichter ersetzen konnte, siegten sich die CSA so langsam zu Tode. Noch düsterer war die Lage im Westen, wo die USA auf riesigen Flächen von Mississippi bis Texas nur wenige Truppen gegen noch weniger Konföderierte einsetzten. Hier verloren die CSA die meisten Schlachten, so dass der Anaconda-Plan, obwohl schon lange nicht mehr offizielle Doktrin, doch noch Wirkung zu zeigen begann. Die Nachschubsituation der Konföderierten wurde durch die Seeblockade, das Abschneiden von den westlichen Versorgungsrouten und den wirtschaftlichen Niedergang an sich immer prekärer.

Nach der für die Konföderierten siegreichen Schlacht von Chancellorville, Virginia, zog Lee mit seiner Armee nach Pennsylvania. Er ging davon aus, dass er den Norden auf seinem eigenen Gebiet besiegen könnte (und zugleich Druck von Vicksburg, Mississippi, nehmen, das derzeit belagert wurde). Diese Zuversicht wurde dadurch weiter genährt, dass man inzwischen den Grund für die Niederlage bei Antietam kannte: die Befehle Lees waren am Vorabend der Schlacht abgefangen worden, so dass die USA ihn vor seiner eigentlichen Schlachtaufstellung hatten packen können. Es schien also möglich, den Krieg militärisch zu entscheiden. Geradezu heimlich führte Lee seine Armee durch Virginia und Maryland nach Pennsylvania hinein. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass im 19. Jahrhundert die Aufklärung immer noch auf Kavallerie basierte, die in etwa 50km Abstand zum Heer ritt und so die Umgebung im Auge behielt. Schaltete man diese Späher aus oder bewegte sich außerhalb dieses Radius' war es für den Feind fast unmöglich, selbst eine Armee von über 50.000 Mann zu finden, wo keine Telegraphie, Telefone, Funk, viele Züge oder gar Flugzeuge zur Verfügung standen.

Gettysburg-Feldzug. Rot die Bewegungen der CSA, blau der USA

Es war deswegen reiner Zufall, dass Lees Nachhut sich wegen der schlechten Versorgungslage zu lange mit dem Plündern eines Nachschublagers der Nordstaaten in dem verschlafenen Dörfchen Gettysburg in Pennsylvania aufhielt. Die Vorhut der Unionsarmee stieß auf Lees Nachhut, beide Seiten zogen ihre Truppen zusammen - die Schlacht war nicht mehr zu vermeiden. Lees Schicksal entschied sich, als es in den drei Tagen der Schlacht nicht gelang, die Unionsarmee von den erhöhten Stellungen zu vertreiben, auf denen sie sich festgesetzt hatten. Nach furchtbaren Verlusten war Lee gewzungen, die Schlacht abzubrechen. Die Unionsarmee ihrerseits war allerdings nicht in der Lage, die Verfolgung aufzunehmen, so dass Lee das Gros seiner überlebenden Truppen nach Virginia zurückführen konnte.

Gettysburg war der finale Wendepunkt des Krieges. Von hier aus konnte der Süden nie wieder eine große Offensive starten. Noch 1863 fiel Vicksburg, so dass der Mississippi komplett in der Hand der USA und die CSA damit gespalten waren. Weitere Unionssiege in Virginia schnitten die Nachschubrouten der CSA immer mehr ab, die Seeblockade wurde immer enger und fast undurchdringlich. Der Unionsgeneral Sherman, Oberfehlshaber der Westarmee, entwarf seinen ganz eigenen Anakonda-Plan. Sein Heer kroch von Westen her in Richtung Georgia vor und zerstörte dabei auf einer Breite von etwa 50km alles, was ihnen in den Weg kam - Farmen, Dörfer, Nachschublager, es machte keinen Unterschied. Shermans Feldzug ist die wohl erste Anwendung des Prinzips der "verbrannten Erde". Der Effekt für die Moral von konföderierten Soldaten, die in die verwüsteten Gebiete kamen, was fürchterlich (und sorgte dafür, dass bis heute eine gewisse Bitterkeit gegenüber dem Vorgehen des Nordens herrscht). Außerdem wurde der Nachschub des Südens noch weiter erschwert.

Tote Konföderierte 1864
In Virginia gruben sich die Armeen nach den furchtbaren Verlusten der vorangegangenen Schlachten mehr und mehr ein. Erste Versionen des Maschinengewehrs hatten die Vorstöße über das freie Feld noch verlustreicher gemacht als die vorangegangene Einführung der Gewehre mit gezogenem Lauf, und die Artillerie konnte immer bessere Bombardierungen vor dem Angriff durchführen. Besonders an der Virginia-Front wurden dichte Grabennetze gebaut, in denen die Soldaten geschützt waren. Im Westen dagegen rückte Sherman auf Atlanta vor und brannte die Stadt fast vollständig nieder. Dieses Ereignis wurde in der Erinnerung später unzählige Male verbaut, am berühmtesten wohl im Epos "Vom Winde verweht". Doch nicht nur in Bezug auf die Kriegführung selbst erinnert der amerikanische Bürgerkrieg frappant an den Ersten Weltkrieg. Nach den furchtbaren Verlusten der ersten Schlachten gingen die Freiwilligenzahlen deutlich zurück; auf beiden Seiten drohte den Armeen, der Nachschub auszugehen. Da viele Freiwillige sich im Bewusstsein eines schnellen Sieges nur auf drei Monate verpflichtet hatten, wurde dieses Problem bereits 1861 akut.

Zur Lösung fielen beide Seiten schnell auf die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht zurück, ein Novum in der amerikanischen Geschichte. Ausnahmen gab es nur wenige, und viele Familien besonders auf dem Land sahen sich ohne den Haupternährer bald von der wirtschaftlichen Katastrophe bedroht. Während im Süden die Moral immer mehr litt und die Wirtschaft allgemein niedering, prosperierte die Nordstaatenindustrie prächtig. Da im Gegensatz zur Gesellschaft der Südstaaten mit ihrer West-Point-Tradition und aristokratischem Selbstverständnis in den USA eher der Geist des Kommerz' vorherrschte wundert es nicht, dass die allgemeine Wehrpflicht Ausnahmen kannte - wer einen Ersatzmann stellen konnte (den natürlich nur Reiche anwerben konnten) war freigestellt, später ebenfalls, wer 300$ bezahlte. Zu diesem Zeitpunkt war das ein kleines Vermögen, und die Ungleichbehandlung führte zu sozialen Krisen, am augenscheinlichsten in den draft riots (Einberufungsaufständen) in New York, die bildgewaltig in Martin Scorceses Epos "Gangs of New York" verarbeitet werden. Die Krise von 1864 mit ihren sozialen Aufständen und dem blutigen Steckenbleiben des Krieges in Virginia gefährdete Lincolns Wiederwahl; Shermans Einnahme Atlantas allerdings wehrte die politische Gefahr für ihn ab. Durch die Niederlage seines Gegners McClellan, der sich für Frieden aussprach, hatte er auch noch Teile der Democrats auf seiner Seite; England und Frankreich hatten sich für deie USA erklärt, und die Loyalität der border states war endgültig gesichert.

Appomattox Court House, 1865 - Kapitulationsstätte Lees
Ab Ende 1864 bis 1865 eroberte der neue Oberbefehlshaber der Unionsarmee, Grant, Stück für Stück Virginia. Mit dem Abschneiden fast sämtlicher Nachschublinien durch Shermans Erfolge im Westen wurde die Situation für die Konföderierten unhaltbar. Im April 1865 kapitulierte Lee unter äußerst günstigen Umständen bei Appomattox - so durften die meisten Soldaten mitsamt ihrer Pferde (für die Ernte) nach Hause gehen, Lee Säbel und Pferd behalten. Die Kapitulationsverhandlungen fanden in höflicher, fast unwirklicher Atmosphäre statt. Der Krieg war damit zu Ende. Die Wirtschaft des Südens lag fast vollständig darnieder. 1860 hatte er 4,5 Millionen Ballen Baumwolle produziert; 1864 waren es gerade noch 300.000. Die Währung war einer rasanten Inflation unterworfen, die Steuern kaum mehr eingetrieben. Was es an Manufakturen und Industrien 1860 gegeben hatte, war von der Rohstoffzufuhr abgeschnitten. Weite Teile des Landes waren verwüstet. England und Frankreich, vor dem Krieg Hauptimporteure der Baumwollplantagen, importierten nun aus Indien und Afrika und verlagerten ihren kolonialen Fokus dorthin, eine der Grundlagen für die europäischen Entwicklungen in der Zeit des Imperialismus. "King Cotton" war tot.

Damit war der Grundlage der Gesellschaft der Südstaaten der Boden entzogen. Der Krieg beendete effektiv die Vorherrschaft der Pflanzer-Aristokratie. Mit der Kapitulation fielen ganze Heerscharen nördlicher "carpet beggars" in den Süden ein, windige Geschäftemacher, die unter dubiosen und oftmals kriminellen Methoden zu schnellem Reichtum kamen, indem sie die Gesetze der Besatzungszeit ausnutzten, die der Kapitulation folgte. Die Einheit der USA war zumindest in politischer Hinsicht gesichert; der Weg ging nun in Richtung Expansion nach Westen und Aufbau einer eigene Industrie unter Schutz von Importzölle.

Charleston, South Carolina, 1865
Der Krieg hatte die höchsten Opferzahlen eines amerikanischen Krieges überhaupt gefordert. Fast eine Million Tote waren zu beklagen, davon etwa 600.000 Soldaten, von denen allerdings - nicht unüblich für das 19. Jahrhundert - 400.000 an Krankheiten gestorben waren. Präsident Lincoln setzte sich gegen die Mehrheit des Kongresses für eine weiche Politik gegenüber dem Süden ein; der Wiederaufbau (reconstruction) sollte versöhnen, die Sklaverei abgeschafft und die Schwarzen formell gleichberechtigt werden. Es ist schwierig darüber zu bestimmen, ob Lincoln das alles gelungen wäre, wenn er nicht kurz nach Ende des Krieges ermordet worden und sein Platz vom reaktionären Andrew Johnson eingenommen worden wäre. Vermutlich hätte auch er nicht nur Begrenzungen im Kongress gefunden, sondern auch in der eigenen Bewusstseinswelt des 19. Jahrhunderts, in der er verhaftet war. So wurde die "Reconstruction Period" (Wiederaufbauperiode) vor allem zu einer Zeit, in der Ressentiments gegenseitig wuchsen. In drei Verfassungszusätzen wurde die Sklaverei beendet, den Schwarzen das Wahlrecht zugestanden und Eingrenzungen der Bürgerrechte verboten.

Diese Verfassungszusätze waren allerdings das Papier kaum wert, auf dem sie geschrieben waren. Die Lage der Schwarzen war nach dem Krieg eher schlimmer als zuvor in der Sklaverei, da die Plantagen bankrott waren und es keine Arbeit gab. Schnell wurden zahlreiche Gesetze initiiert, die Schwarze systematisch benachteiligten ("Jim Crow Laws") und die Segregation von Weißen und Schwarzen einführten. Diese Maßnahmen wurden unter der Formel "seperate but equal" (gleich, aber getrennt) 1896 vom Surpreme Court in Plessy vs. Ferguson in einem wohl singulären moralischen Tiefstand dieser Institution für rechtmäßig erklärt (ein Urteil, das erst 1954 wieder aufgehoben wurde). Die Entwicklungen der Kriegführung, die sich im amerikanischen Bürgerkrieg angebahnt hatten, wurden rasch wieder vergessen, selbst von den Amerikanern selbst; erst der Erste Weltkrieg sollte sie alle den gleichen Lernprozess noch einmal blutig durchlaufen lassen. Deutsche Kriegsbeobachter verkündeten im Übrigen, dass aus dem Krieg nichts für Europa zu lernen sei. Es handle sich schließlich um "wenig mehr als das Aufeinandertreffen bewaffneter Banden".

Weiterführende Literatur:
Bernd Engler - Key conceopts in American Cultural History
Chandra Manning - When this cruel war was over
DVD Gangs of New York
DVD Gettysburg
DVD Gods and Generals
DVD Glory
DVD Unterwegs nach Cold Mountain

Bildnachweise:
CSA Flagge -Wikimedia (gemeinfrei)
US Flagge - Wikimedia (gemeinfrei)
Karte - Julio Reis (CC-BY-SA 3.0)
Bull Run - unbekannt (gemeinfrei)
Cherbourg - US Navy (gemeinfrei)
Lee - Julian Vannerson (gemeinfrei)
Gettysburg - Hal Jespersen (CC-BY-SA 3.0)
Tote -  unbekannt (gemeinfrei)
Appottamox - Timothy O'Sullivan (gemeinfrei)
Charleston - unbekannt (gemeinfrei)

14 Kommentare:

  1. Die noerdlichen Teppichbettler waren eigentlich Teppichtaschentraeger:

    http://en.wikipedia.org/wiki/Carpetbagger

    Heute reicht ne Aktentasche, um sich der Unsympathie verdaechtig zu machen...

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  2. Toller Artikel. Ein kleiner Fehler ist mir bei der Literaturempfehlung aufgefallen: Der Autor vom "Für die Freiheit sterben" heißt McPherson.
    Das Buch ist aber trotzdem genial. Habe die englische Ausgabe ("Battle Cry of Freedom") gelesen: Es hat den Pulitzerpreis zu Recht erhalten.

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  3. Und korrigiert. Danke für den Hinweis!

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  4. wirklich gute Zusammenfassung; die Entstehung der Schlacht von Gettysburg durch Plünderung eines Nachschublager ist zwar AFAIK eine über 200 Jahre alte urban legend, und IMHO ist es relevant, klarzustellen wie sehr Sherman und Grant die Entwickler der Logik des totalen (industriellen) Kriegs waren, aber trotzdem, Hut ab

    GD, seminanonymer Amerikanist

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    1. Eine gute Zummenfassung aber es hatte kein gutes ende.

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  5. Nun, es ist auf jeden Fall eine nette Geschichte :) Und darum geht es ja nicht ;)

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  6. Sehr geehrter Herr Sasse,


    ich liebe Ihren Blog. Er ist einfach wundervoll und ich lese sehr gerne darin. Auch diesen Artikel, der einem wieder einmal Punkte ins Bewusstsein bringt, die uns hierzulande meist nicht bekannt sind.

    In dem Artikel ist mir aber aufgefallen, dass der Beschuss von fort Sumter am 12. April und nicht am 12. März begann, wie im letzten Satz des Absatzes unter der Karte behauptet wird.


    Mit freundlichen Grüßen,


    Robert B.

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  7. Der Artikel ist echt super! :)

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    1. Nein es es nicht gut weil es tote kapp .
      Herr Anonym

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  8. Hallo Herr Sasse,

    zuerst einmal: sehr guter Artikel!

    Ich hätte da aber noch eine Frage zu der Zivilisten-Thematik am Bull Run. Welche Literatur im Detail berichtet davon und auf welchen Quellen basiert diese Aussage?

    (Hoffentlich liest noch jemand die Kommentare).

    Lg.

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    1. Klar les ich die ;) Kann leider nicht genau sagen wo ich das gelesen habe, aber ich bin ziemlich sicher da in mehreren Quellen drüber gestolpert zu sein.

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