Von Stefan Sasse
Zu sagen, dass Deutschland das 20. Jahrhundert entscheidend mitgeprägt hat, dürfte keine Übertreibung sein. Zwei Weltkriege gingen von seinem Boden aus, der größte organisierte Völkermord der Weltgeschichte, und für 50 Jahre war es Schlachtfeld des Ost-West-Konflikts und beständiger Brennpunkt des atomaren Zeitalters. Gleich vier große Ereignisse der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts fanden an einem 9. November statt. Diese geschichtlichen Ereignisse sind: der Beginn der Revolution von 1918/19, der Hitlerputsch 1923, die Reichspogromnacht 1938 und der Mauerfall 1989. Das erste und das letzte Ereignis sind zufällig an diesem Tag geschehen. Die beiden mittleren waren eine Reaktion auf den ersten.
Revolutionäre am Brandenburger Tor |
Wie die Geschehnisse weiter ihren Fortgang nehmen sollten ist den verlinkten Artikeln deutlich ausführlicher zu entnehmen. Für uns ist wichtig, dass von diesen Ereignissen die frühere Bezeichnung "Novemberrevolution" für die Geschehnisse des Jahres 1918/19 herstammt, eine Bezeichnung, die man so heute nicht mehr verwenden würde - schließlich zieht sich die Revolution bis weit ins Jahr 1919 hinein. Die Rechte schrie jedoch bald gegen die "Novemberverbrecher", die an diesem Tage dem "unbesiegt im Felde stehenden Heer den Dolchstoß in den Rücken" verpasst hätten.
Der Hitler-Putsch
Nazi-Stoßtrupp beim Putschversuch |
Der eigentliche "Hitler-Putsch" dagegen, der den Namen erst später durch die erneute charakterlose Feigheit Ludendorffs erhielt, der nach dem Scheitern ins Ausland floh und die Bühne dem kleinen Hitler überließ, ist eine durch und durch peinliche Angelegenheit. 1923 war Bayern ein von einer autoritären und undemokratischen Regierung geführtes Land im Ausnahmezustand, dem Reich (und damit der Republik) nur de jure angehörig, de facto aber halb autonom. In einem Brauereikeller in München startete Hitler, nicht ohne erste peinliche Patzer, die große Revolution, ließ die Regierung absetzen und plante den Marsch auf Berlin. Dazu sollte es freilich nie kommen; die Regierung holte zum Gegenschlag aus und ließ die Verschwörer einfach festnehmen. Hitler lud alle Schuld - und damit auch allen Ruhm - auf sich, und seine feigen Mitverschwörer ließen es geschehen.
Als Hitler 1924 aus dem Gefängnis kam, war seine Partei verboten und die Republik zog besseren Zeiten entgegen. Wäre das Schicksal gnädiger gewesen, so wäre Hitler wohl nur eine Randbemerkung in den Geschichtsbüchern als der einzige Putschist, der je versucht hatte, von einem Bierkeller aus eine Revolution zu starten. Leider kam es anders.
Reichspogromnacht
Synagoge nach Brandanschlag November 1938 |
Auch mit Blick auf die Wirkung solcher Geschehnisse im Ausland sah man bis zum Kriegsbeginn von weiteren Aktionen dieser Art ab. Um dem ganzen einen Anstrich von Legalität zu geben, verurteilte man die Juden Deutschlands insgesamt zu einer "Sühnestrafe" im neunstelligen Bereich, die diese auch ableisteten. Der Zynismus dieser Forderung, mit der die Schuld für das Pogrom den Juden selbst zugeschoben wurde - hier durchaus im Einklang mit Pogromen früherer Zeiten - ist kaum zu überbieten. War der Hitler-Putsch noch ein lächerlicher Versuch gewesen, die Reichspogromnacht war es sicherlich nicht.
Mauerfall
Schabowskis Pressekonferenz |
Sie schossen aber nicht. Von West wie Ost wurde die Mauer erklettert und erstürmt, die Grenzübergänge wurden praktisch nicht-existent. Es war der letzte Schlag gegen das morsch gewordene DDR-Regime, und es sollte ihn nicht überstehen. Zu diesem Zeitpunkt war das noch kaum klar. Der Mauerfall war ohne die Politik abgegangen, weder von Westen noch von den DDR-Oppositionsgruppen ausgegangen. Erst am folgenden Tag begannen sie sich, mal mehr, mal weniger der sich bietenden Chance bewusst (in Kohls Fall mehr, im Fall der SPD und der Oppositionsgruppen weniger), in den Prozess einzuschalten, der mit rasanter Geschwindigkeit zum Zerfall der DDR führen sollte.
Schluss
Georg Elser auf Briefmarke |
Es ist auffällig, dass der BRD jeder vernünftige nationale Feiertag fehlt. Der 3. Oktober hat nie einen Stellenwert im emotionalen Bewusstsein erhalten können, der auch nur annähernd mit dem 4. Juli der Amerikaner oder dem 14. Juli der Franzosen vergleichbar wäre. Der 17. Juni vorher hat dies noch weniger vermocht. Sebastian Haffner schrieb einst, dass der einzig echte Feiertag, den die Deutschen je hatten, der Sedan-Tag am 2. September war. Hier aber feierte man die Niederlage Frankreichs im deutsch-französischen Krieg 1870, kaum ein Tag also, dem man heute noch gedenken will. Vermutlich tun wir uns auch deswegen mit unserer nationalen Identität heute noch so schwer, weil wir keinen solchen Tag haben. Dass so viele Ereignisse des deutschen 20. Jahrhunderts zudem im November liegen, einem besonders grauen und regenreichen Monat, spricht wohl ebenfalls Bände über die deutsche historische Gemütsverfassung.
Bildnachweise:
Revolutionäre - unbekannt (gemeinfrei)
Nazistoßtrupp - unbekannt (gemeinfrei)
Synagoge - unbekannt (gemeinfrei)
Pressekonferenz - Thomas Lehmann (CC-BY-SA)
Briefmarke - Post AG (gemeinfrei)
Bildnachweise:
Revolutionäre - unbekannt (gemeinfrei)
Nazistoßtrupp - unbekannt (gemeinfrei)
Synagoge - unbekannt (gemeinfrei)
Pressekonferenz - Thomas Lehmann (CC-BY-SA)
Briefmarke - Post AG (gemeinfrei)
Wie wäre es mit dem 23. Mai?
AntwortenLöschenDas Wetter ist entsprechend, es gibt viele andere Feiertage in der Nähe, mit denen man Brücken bauen kann und das GG gilt für West und Ost.
Hab ich auch schon dran gedacht.
AntwortenLöschenEs ist kein Wunder dass der 9. November 1939 kein Begriff ist: Georg Elsers Bombe detonierte am 8. November um 21:20 Uhr.
AntwortenLöschen"Wäre das Schicksal gnädiger gewesen,"
AntwortenLöschenoder die Richter im Münchner Volksgericht keine reaktionären, konservativen Natoinalisten,
"so wäre Hitler wohl nur eine Randbemerkung in den Geschichtsbüchern..."
Schönes Blog! Liebe Grüße
Danke schön, Gruß zurück!
AntwortenLöschenhihi
AntwortenLöschenDeutschland Deutschland über alles, über alles auf der Welt!!
AntwortenLöschen