Montag, 13. März 2023

Rezension: Jürgen Osterhammel - Die Verwandlung der Welt: Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts (Teil 1)

 

Jürgen Osterhammel - Die Verwandlung der Welt: Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts

Als Christopher Bayly 2004 sein Mammutwerk "Die Geburt der Modernen Welt: Eine Globalgeschichte von 1790 bis 1914" vorlegte, rief er damit ein großes Echo hervor. Die Idee einer Globalgeschichte selbst war für viele Jahrzehnte in der Geschichtswissenschaft außer Mode gekommen und in einer unseriösen Ecke verschwunden, nicht ganz bei kontrafaktischer Geschichtsschreibung, aber doch sehr nahe dran. Bayly allerdings ging mit solcher Sachkenntnis und methodischer Qualität vor, dass sein Werk kaum ignoriert werden konnte und viel diskutiert wurde. Ich habe es seinerzeit gelesen, aber ich muss zugeben, dass es mich damals überforderte. Seither steht es bei mir im Regal und verlangt vorwurfsvoll, noch einmal gelesen zu werden. Dieses Unterfangen ist mit dem Erscheinen von Jürgen Osterhammels ebenfalls nicht unbedingt schlanken Wälzer "Die Verwandlung der Welt" nicht eben nähergerückt. Denn Osterhammel hat 2020 sozusagen seine persönliche Antwort auf Bayly vorgelegt.

Freitag, 3. März 2023

Rezension: Geoffrey Parker - Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century

 

Geoffrey Parker - Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century (Hörbuch)

Der menschengemachte Klimawandel ist die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Aber bereits vergangene Jahrhunderte litten unter den Folgen des Klimawandels. Die Umbruchszeit des 17. Jahrhunderts war von der so genannten "kleinen Eiszeit" beherrscht, deren Auswirkungen in der jüngeren Zeit immer mehr in den Fokus der Wissenschaft geraten. Auch wenn es naturgemäß angesichts der Quellenlage schwierig ist, präzise meteorologische Daten zu erhalten, so ist die Beschäftigung mit der Frage, inwiefern klimatische Umstände die Geschichte der Menschheit bedingen, eine mehr als relevante (siehe dazu auch Kyle Harpers "Fate of Rome"). Das Klima ist, wie wir inzwischen leidvoll erfahren haben, eine globale Angelegenheit, so dass eine Geschichtsschreibung des Einflusses des Klimawandels im 17. Jahrhundert dessen globale Geschichte ins Auge fassen muss. Wie der Untertitel schon sagt, ist es ein Zeitalter der Krisen: Krieg und Katastrophen bestimmten den Alltag. China etwa versinkt in dieser Epoche in eine fast siebzigjährige Zeit der Kriegführung. Erdbeben erschüttern Europa. Dürre sucht Virginia heim. Es ist ein düsteres Bild, das Parker hier zeichnet.

Donnerstag, 2. März 2023

Rezension: Geoffrey Parker - Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century (Teil 6)

 

Geoffrey Parker - Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century (Hörbuch)

Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier, Teil 4 hier, Teil 5 hier.

Das Geld ging auch in die, wenngleich langsame, Ausbreitung von Getreidesilos. Solche hatte es schon vor der Krise des 17. Jahrhunderts gegeben, um Hungersnöte abzufedern, aber die Kosten der Kriegführung und die Katastrophen der Kleinen Eiszeit hatten deren Infrastruktur praktisch völlig zerstört. Unter dem Eindruck der Not wurden die Systeme allerorten neu aufgebaut und stellten eine Art Proto-Sozialstaat dar, der wesentlich dazu beitrug, Katastrophen wie im 17. Jahrhundert künftig zu vermeiden. Wenig verwunderlich, dass die Zeitgenoss*innen angesichts der Ergebnisse die Idee einer absoluten Monarchie deutlich anderen Systemen vorzuziehen begannen.

Dienstag, 28. Februar 2023

Rezension: Geoffrey Parker - Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century (Teil 5)

 

Geoffrey Parker - Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century (Hörbuch)

Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier, Teil 4 hier.

Nachdem Parker nun mehrere Detailstudien verschiedener politischer Einheiten im 17. Jahrhundert und ihre Reaktionen auf die Krise der Kleinen Eiszeit und die verheerenden Kriege geschildert hat, wird er im letzten Abschnitt des Buchs - "Confronting the Crisis" - grundsätzlicher und versucht sich an einer Synthese mehrerer Trends, Dynamiken und Faktoren.

Samstag, 18. Februar 2023

Rezension: Hartmut Kaelble - Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat. Europa 1945-1989

 

Hartmut Kaelble – Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat. Europa 1945-1989

Am Ende des Zweiten Weltkriegs teilte der Großteil Europas ein ähnliches Schicksal: vom Krieg verheert stand der Kontinent vor den Trümmern seiner Zivilisation. Seine Vorrangstellung war zerstört, und an ihrer statt beherrschten nun zwei Supermächte die internationale Politik. Wohl nur wenige Zeitgenoss*innen dürften sich damals erhofft haben, dass wenigstens im westlichen Europa binnen 20 Jahren eine neue, gemeinsame Zukunft erbaut werden würde, die allen früher gekannten Wohlstand in den Schatten stellen würde. Selbst im östlichen Europa lebte es sich besser und sicherer als vor dem Krieg, wenngleich die Knute der Sowjetherrschaft eine klare Obergrenze einzog. Hartmut Kaelble versucht in diesem Buch, die kulturelle und wirtschaftliche Geschichte der Nachkriegszeit (großzügig bis 1989 definiert) nachzuzeichnen, ohne dabei die politische Dimension komplett aus den Augen zu verlieren. Den Blick stets auf Gesamteuropa gerichtet hält er die beiden entscheidensten Faktoren dieser Epoche im Blick: einerseits die Teilung des Kontinents durch den Ost-West-Konflikt, andererseits den durch den Wohlfahrtsstaat erreichten neuen Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten.

Donnerstag, 16. Februar 2023

Rezension: Hartmut Kaelble - Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat. Europa 1945-1989, Teil 2

 

Hartmut Kaelble - Kalter Krieg und Wohlfahrtsstaat. Europa 1945-1989

Teil 1 hier.

Gleichzeitig war Europa aber auch der "Kontinent mit den vielen Gesichtern", geprägt von zahlreichen Divergenzen. Zu diesen zählt Kaelble den anhaltenden Konflikt zwischen Peripherie und Zentrum, vor allem in Bezug auf Südeuropa. Zudem postuliert er eine "Vielfalt der nationalen Entwicklungen", die zwar nicht schlecht, aber bemerkenswert ist. Für die Folgen des Zweiten Wektkriegs sieht er in den 1970er Jahren zwar eine weitgehende Überwindung von wirtschaftlichen Ungleichheiten; gleichwohl sei der moralische Gegensatz zwischen Gewinnern und Verlieren erhalten geblieben; so etwa wurde in den besetzten Länder und den Siegerländern das Erinnern an Widerstandsbewegungen und Standhalten hochgehalten, während der Diskurs in Deutschland und Italien ein merklich anderer war. Am offensichtlichsten war natürlich die Spaltung Europas durch den Kalten Krieg und den Eisernen Vorhang, der für zahlreiche Divergenzen im Wirtschaftssystem, dem politischen System, den gesellschaftlichen Entwicklungen und dem Wohlfahrtsstaat sorgte (Divergenzen, die bis heute in Deutschland für Probleme sorgen, von der europäischen Ebene gar nicht zu sprechen). Aber auch zwischen den westlichen Demokratien und den südlichen Diktaturen Europas bestanden Divergenzen fort, wenngleich in den 1970er Jahren hier erste Annäherungen stattfanden. Sie waren arm, aber in die NATO integriert und über Tourismus und Gastarbeiter an die westliche Wirtschaft angeschlossen, was ihre Aufnahme in die EG später deutlich erleichtern sollte. Diese Divergenzen sieht Kaelble in der "geteilten europäischen Integration" zusammenkommen.

Mittwoch, 15. Februar 2023

Rezension: Geoffrey Parker - Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century (Teil 4)

 

Geoffrey Parker - Global Crisis. War, Climate Change and Catastrophe in the Seventeenth Century (Hörbuch)

Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier.

Der vierzehnte Teil, "Red Flag over Naples", wirft den Blick auf Italien. Die Halbinsel stand im 17. Jahrhundert zu großen Teilen unter spanischer Herrschaft, wie wir am Rande ja bereits im Kapitel über Spanien selbst gesehen haben. Dort kam Italien vor allem als Schauplatz zahlreicher Kriege vor, die die spanische Staatskasse belasteten. Nun sehen wir, was dort direkt vor sich geht - und die deutlichen Unterschiede zum "Mutterland". Diese sind in der Tat frappierend: wo in Spanien Bürgerkrieg und Aufstand durch staatliche Steuerpolitik wesentlich verschlimmert wurden, indem die spanischen Herrscher dem verbreiteten Muster der Steuererhöhung in Zeiten wirtschaftlicher Not folgten, reagierten die Herrscher in Italien völlig anders. Als in Palermo wegen der hohen Brotpreise ein Aufstand ausbrach (der wie die meisten Aufstände des 17. Jahrhunderts übrigens sinngemäß von dem Schlachtruf "Es lebe der König, nieder mit der Regierung" begleitet wurde, der eine Unschuld des Königs und eine Schuldigsprechung der "bösen Berater" postulierte, die für die menschliche Geschichte typisch ist), reagierten die dortigen Statthalter trotz ausdrücklichen Verbots sofort mit staatlichen Subventionen.