Montag, 11. März 2024

Rezension: Lutz Raphael - Jenseits von Kohle und Stahl: Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom

 

Lutz Raphael - Jenseits von Kohle und Stahl: Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom

Ende der 1960er Jahre begann eine der größten Verwerfungen seit der Industriellen Revolution, die häufig unter "Strukturwandel" gefasst wird: die Deindustrialisierung Europas zugunsten eines stark anwachsenden Dienstleistungssektors. Der Typus des "Malochers", der so lange das Bild des Arbeiters bestimmte und der für das Selbstbild der Nachkriegs-Wachstums-Ära so entscheidend war, begann an Strahlkraft zu verlieren. Stattdessen rutschten die westlichen Industriegesellschaften in eine Strukturwandelskrise, aus der sie als Dienstleistungsgesellschaften wieder auftauchten sollten. Lutz Raphael legt mit "Jenseits von Kohle und Stahl" eine vergleichende Sozialgeschichte, die die Entwicklung ab dem Ende der 1960er Jahre bis in die 1990er Jahre hinein in Deutschland, Frankreich und Großbritannien nebeneinderstellt. Forschungsansätze verschiedener Art, die den Umbruch "von unten", aus der Perspektive der Betroffenen, erklären sollen, verknüpft er dabei mit einer klassischen Ereignisgeschichte, die gleichwohl stets die große Thematik im Blick haben soll. Inwieweit dieser Forschungsansatz aufgeht, soll die Rezension klären.

Freitag, 8. März 2024

Rezension: Lutz Raphael - Jenseits von Kohle und Stahl: Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom (Teil 5)

 

Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier, Teil 4 hier.

Lutz Raphael – Jenseits von Kohle und Stahl: Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom

Anders als in der Autoindustrie sah die Lage in krisengebeutelteren Branchen aus. Hierbei sieht er drei Problemkonstellationen. Zuerst die Bildung von Notgemeinschaften, die etwa tarifliche Untergrenzen freiwillig unterschritten oder die Produktion demokratisch weiterführten, obwohl die Unternehmensleitung das nicht mehr wollte, alles mit dem Ziel der Beschäftigungssicherung. Die zweite Kategorie war der "mühsame Auszug aus dem Patriarchat" (Kotthoff), das Erkämpfen von pluralistischen Beteiligungsrechten. Zum dritten beschreibt er das Auseinanderbrechen bestehender Sozialstrukturen bei zu starken personellen Einschnitten, das dann die Übernahme innovativer Methoden wegen des Misstrauens gegen das ortsfremde Managment nicht ermöglichte.

Mittwoch, 6. März 2024

Rezension: Lutz Raphael – Jenseits von Kohle und Stahl: Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom (Teil 4)

 

Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier.

Lutz Raphael – Jenseits von Kohle und Stahl: Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom

Abschnitt 2, "Nahaufnahmen: Erfahrungsräume und Erwartungshorizonte im Wandel", beginnt mit Kapitel 6, "Lebensläufe, Berufskarriere und Jobsuche in Umbruchzeiten". In diesem kombiniert Raphael quantitative Biographieforschung mit direkten Lebensdokumenten, um ein möglichst exaktes Bild zu erlangen. In der Epoche des Booms war der Einstieg in das Arbeitsleben oft unqualifizierte Arbeit, der dann eine Nachqualifizierung und beruflicher Aufstieg folgte. Raphael untersucht zuerst die 1935-1949 Geborenen, die direkt in die Nachkriegszeit hinein erwachsen wurden und dort Arbeit finden mussten. Prekäre, wechselnde Beschäftigung in den 20ern mündete mit der Familiengründung gegen Ende dieser Lebensdekade häufig in einer langfristigen Bindung an ein Unternehmen, um so Sicherheit zu erlangen, die für Familien so essenziell ist.