Donnerstag, 25. April 2013

Aufstieg und Niedergang der Geschichtswissenschaft als Schrittmacher der Gesellschaft

Von Stefan Sasse

Leopold von Ranke
Die Geschichtswissenschaft ist, verglichen etwa mit den Naturwissenschaften, keine besonders alte Disziplin. Zwar gab es immer wieder einzelne Personen, die historische Abhandlungen schrieben - man denke etwa an Tacitus, Thukydides oder Polybios in der Antike -, doch diese erfüllten keinesfalls die Standards, die die Geschichtswissenschaft prägen und waren eher große Erzählungen, häufig mit direkter politischer oder moralischer Zielrichtung. Erste methodische Zusammenstellungen tauchten im 18. Jahrhundert auf - Schiller etwa war ein begeisterter Hobby-Historiker-, doch erst im 19. Jahrhundert entstanden vor allem in Deutschland die Geschichtswissenschaften mit der expliziten Zielsetzung "zu zeigen, wie es gewesen", um das berühmte Wort Leopold von Rankes zu benutzen. Dieser Anspruch purer Objektivität wird heute als Irrtum angesehen, nicht wegen der Intention, sondern wegen seiner Unmöglichkeit. Wir können Geschichte zwangsläufig immer nur durch die Brille unserer eigenen Zeit wahrnehmen und haben keine Möglichkeit, ein "objektives" Geschichtsbild zu erstellen. Objektive Geschichte existiert nicht, und seit diese Erkenntnis auch Eingang in die Lehrpläne gefunden hat stöhnen die Schüler über dieser Komplexität. 

Montag, 15. April 2013

Fundstücke

Von Stefan Sasse

- Hubertus Volmer äußert sich zur Kollektivschuldthese. 
- Farbaufnahmen von Paris, 1909-1929
 - Eine brillante Analyse über den deutschen Umgang mit Hitler in der FAZ. Es geht vor allem um die Rezeption in der Geschichtswissenschaft und warum alle bedeutenden Werke über den Nationalsozialismus aus den angelsächsischen Universitäten kommen.
- Die höchsten Gebäude der Welt, Stand 1884.


Dienstag, 9. April 2013

Die USA um 1900, Teil 3/3

Von Stefan Sasse

In Teil 1 haben wir die Außenpolitik und imperialen Ambitionen der USA in der Epoche um 1900 sowie ihre ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit zu jener Zeit besprochen. Die imperialen Ambitionen fußten im so genannten "American Exceptionalism", also der Idee, dass die USA ein ganz besonderes Land seien, während die Fremdenfeindlichkeit der Strömung des "Nativism" zugeordnet werden kann, die eine Unvereinbarkeit von nicht-protestantischen Einflüssen mit dem American Way of Life propagierte. In Teil 2 wurden die Arbeitskämpfe jener Epoche, hervorgerufen durch die miserablen Arbeitsbedingungen, und die wirtschaftliche Funktionsweise der "gilded age" besprochen. Besonderes Gewicht wurde dabei auch auf die heiß debattierte Frage des Bimetallstandards gelegt, der die Präsidentschaftswahlen 1896 maßgeblich prägte. 

Theodore Roosevelt 1904
Roosevelt, obwohl sicherlich kein "Mann des Volkes", brach aus vielerlei Gründen mit den bisherigen Konventionen. Er war was man einen Charakter nennen kann: als Kind reicher Eltern kränklicher Bücherwurm überwand er seine schwächliche Physis und ging nach dem Studium in die Politik. Als seine Frau und seine Tochter am selben Tag starben, verließ er die Politik und ging als Rancher in die Dakota Badlands, was ihm eine Aura harter Arbeit und Frontier-Erfahrung verlieh, was es bis dahin kaum in besseren Kreisen gegeben hatte. Roosevelt kehrte dann in die Politik zurück und wurde ein Law&Order-Polizeichef mit harter Linie, ehe der spanisch-amerikanische Krieg 1898 ihm zur Berühmtheit verhalf, indem er das Freiwilligenregiment der Rough Riders gründete und auf Kuba anführte. Das Regiment erreichte zwar wenig, aber Roosevelt wusste es gut zu vermarkten und konnte als Kriegsheld mit einer Politik der harten Hand nach außen (Imperialismus, Schutzzölle, militärische Stärke) und einer progressiveren Politik nach innen (Kampf gegen die Monopole) sowie einem Konservatismus der Bewahrung der Natur aus seiner Badlands-Zeit die Parteibasis für sich gewinnen und die Vizepräsidentschaft McKinleys erlangen.

Freitag, 5. April 2013

In eigener Sache

Von Stefan Sasse

Es gab zuletzt berechtigte Kritik an der Fundstücke-Politik, die ich hier treibe - will heißen, ein eigener Blogpost für jeden Link. Das macht das Blog unübersichtlich und unschön. Ich habe mich deswegen entschlossen, die Fundstücke zu größeren Fundstücke-Posts zusammenzufassen, die in semi-regelmäßigen Abständen gepostet werden. Für einen wöchtentlichen Post wird es wohl nicht reichen, aber ich peile etwa alle zwei Wochen an. Auf die Art bleiben eure Feedreader etwas sauberer, und das Layout des Blogs gewinnt sicher auch.

Donnerstag, 4. April 2013

Die USA um 1900, Teil 2/3

Von Stefan Sasse

In Teil 1 haben wir die Außenpolitik und imperialen Ambitionen der USA in der Epoche um 1900 sowie ihre ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit zu jener Zeit besprochen. Die imperialen Ambitionen fußten im so genannten "American Exceptionalism", also der Idee, dass die USA ein ganz besonderes Land seien, während die Fremdenfeindlichkeit der Strömung des "Nativism" zugeordnet werden kann, die eine Unvereinbarkeit von nicht-protestantischen Einflüssen mit dem American Way of Life propagierte. 

Pinkerton-Agenten beschützen Streikbrecher
Doch nicht nur Migranten erlebten furchtbare Arbeitsbedingungen bei mieser Bezahlung. Der große Aufschwung, der durch die zahlreichen Innovationen des späten 19. Jahrhunderts befeuert wurde - Elektrizität, fließendes Wasser, chemische Industrie, etc. - machte einzelne "robber barons" (Räuberbarone), wie man die großen Industriellen jener Epoche nannte, unermesslich reich. Namen wie Carnegie, Astor, Rockefeller oder Vanderbilt stehen heute noch sinnbildlich für jene Zeit. Bei den Arbeitern selbst, die in den entstehenden riesigen Fabriken schufteten, kam davon freilich wenig an. Ihre Arbeitszeiten waren extrem lang, ihre Bezahlung schlecht, ihnen konnte jederzeit gekündigt werden und sie mussten das oft diktatorische Regime der patriarchalischen Unternehmer ertragen. Jeder Versuch, eine Gewerkschaft zu gründen oder nur einer beizutreten war ein sofortiger Kündigungsgrund, und oft genug hatten die robber barons die absolute Dominanz in der lokalen Wirtschaft, so dass es kaum möglich war, einen Job zu finden wenn man erst einmal beim Streiken erwischt worden war.

Dienstag, 2. April 2013

Die USA um 1900, Teil 1/3

Von Stefan Sasse

"American Progress": Colombia führt die Siedler, Buch unterm Arm
Um 1900 waren die Vereinigten Staaten ein ungemein widersprüchliches Land, noch viel widersprüchlicher als sie es sonst sind. Ein nie dagewesener technischer Fortschritt erreicht die breite Masse der Bevölkerung und sorgte für eine dramatische Verbesserung der Lebensbedingungen. Die Wirtschaft boomte, und jeden Tag kamen hunderte von Migranten ins Land. Die Vorstellung, dass Amerika eine weltweit einzigartige Nation war, deren Bestimmung es sein musste, die Ideale von Freiheit und Demokratie in die Welt hinauszutragen - der so genannte American Exceptionalism - mischte sich mit einer großen Welle der Religiosität, deren Triumph 1919 das Alkoholverbot der Prohibition werden sollte. Gleichzeitig aber waren die Abgründe zwischen arm und reich im Land gigantisch, lebten viele Minderheiten diskriminiert und von den Segnungen des Fortschritts ausgeschlossen und wurden die letzten großen Verbrechen an der amerikanischen Urbevölkerung, den Indianern, begangen. Im Folgenden sollen schlaglichtartig Aspekte dieser Widersprüchlichkeit der USA, die so viel mit einer ähnlichen Widersprüchlichkeit im Deutschland derselben Epoche gemeinsam hat und doch völlig andere Wege daraus findet, genauer beleuchtet werden.