Donnerstag, 26. August 2010

Das Ende des Hopliten-Chauvinismus

Von Stefan Sasse

490 vor Christus. Nahe Athen, auf dem Feld von Marathon, sind die Perser aufmarschiert. Ihnen gegenüber versammeln sich die athenischen Soldaten. Die Stimmung ist von Angst geprägt. Die Spartaner sind noch nicht da, die Perser waren schneller. Man kann der Schlacht nicht länger ausweichen, muss ohne die gefürchteten Spartiaten antreten. Der rechte Flügel der Athener wird traditionell von den stärksten und besten Hoplitensoldaten gestellt, die in ihren schweren Bronzerüstungen mit dem von Pferdehaar gekrönten Helmen, den konisch geformten Schilden und den langen Speeren eine beeindruckende Erscheinung abgeben und in Formation langsam vorrücken, mit dem leichten Rechtsdrall, der ihren Formationen zu eigen ist.

Hopliten auf einer Vase, etwa 500 v.Chr.
Der Tag gehörte den athenischen Hopliten. Sie besiegten die persische Armee, und der Läufer, der die 42 Kilometer nach Athen zurücklegte um die Siegesnachricht zu überbringen, gilt heute noch als Begründer des Marathonlaufs. Doch wer waren diese Hopliten, die auf Vasen verewigt wurden und die in der griechischen Gesellschaft eine so entscheidende Rolle spielten? Es handelte sich dabei nicht um das Volk, das die Straßen Athens bevölkerte und später Thukydides per Ostrakaismos (das berühmt-berüchtigte "Scherbengericht") in die Verbannung schicken sollte. Es waren die Landbesitzer außerhalb Athens, die Attika bevölkerten und das fruchtbare Land bestellten, nicht die wohlhabenden Großgrundbesitzer, sondern normale Bauern, die über einen rudimentären Wohlstand verfügten. Denn Hopliten mussten ihre Ausrüstung selbst stellen, und die Kosten hierfür waren nicht unerheblich. Im Gegenzug dafür durften sie sich als die wahre Elite der Griechen fühlen, als Rückgrat ihrer Armee und Gesellschaft. Selbst die Reichen, die die Möglichkeit hatten ein Pferd zu stellen und so Kavalleriedienste zu verrichten, wählten oftmals die Profession des Hopliten, wenn es in die Schlacht ging - so groß war ihr Ruf.


Auf die Spitze getrieben wurde der Mythos um den Hopliten von Sparta. Während Athen sich nach dem Sieg über Persien in der Seeschlacht von Salamis 480 vor Christus zunehmend auf seine starke Flotte und die großen Fähigkeiten seiner Seeleute verließ und die Hopliten eher dem Namen nach denn in Realität pflegte, waren sie in Sparta von unverminderter Bedeutung. Die Bevölkerung des Stadtstaates war seit den Perserkriegen besonders durch das verheerende Erdbeben von 464 v.Chr. und den folgenden Helotenaufstand stark dezimiert worden. Sparta herrschte über eine Bevölkerung von deutlich über 250.000 Heloten, während es gerade einmal unter 10.000 Spartiaten besaß; im Peloponnesischen Krieg dann sogar nur 6000 bis 7000. Diese waren ständig mobilisiert und patrouillierten das spartanische Herrschaftsgebiet, um die Heloten vom Aufstand abzuhalten - ganz Sparta war eine einzige, riesige Kaserne und der Hoplit Vollbürger. Das Schicksal Spartas ruhte auf den Schultern der Spartiaten.

Angriffsstöße eine Hopliten, von oben oder unten
Als der Peloponnesische Krieg ausbrach, hatten alle Seiten Grund genug anzunehmen, dass die Angelegenheit wie schon oft zuvor mit einer großen Feldschlacht entschieden würde, in der die Hoplitenformationen sich messen würden. Diese ritualisierte Form der Konfliktbeilegung war zwar in ihrer überhöhten Reinform nie wirklich durchgeführt worden; die Verluste jedoch hielten sich mit um 10% in engen Grenzen, weil die Bewaffnung und Taktik der Hopliten im Kampf gegeneinander nicht besonders tödlich war (mit den Speeren waren wegen der starken Panzerung eigentlich nur Gemächt und Hals vernünftige Trefferzonen) und die schweren Rüstungen eine Verfolgung geschlagener Feinde ohnhin unmöglich machten. Die Spartaner machten sich zu Beginn des Krieges also gute Hoffnungen auf einen schnellen, entscheidenden Sieg, den sie mit ihren überlegenen Hopliten gegen die Heere Attikas erreichen würden. Perikles machte sich gleichzeitig in Athen keine Illusionen über diese Hoffnungen und nahm die Einladung zur Feldschlacht, die die Spartaner traditionell mit einem Einfall in Attika und dem Niederbrennen der geheiligten Olivenbäume in den Hainen der Hoplitenbauern anboten, nicht an. Im Traditionsgeflecht des klassischen Griechenlands war das Entweihen der Olivenhaine und Felder eine Beleidigung, und der folgenden Ehrabschneidung war nur zu entgehen, indem man die Aggressoren siegreich bezwang - in einer Zeit, in der die Logistik in fremdem Land kaum zu gewähleisten war, konnten sich die Verteidiger auch gute Chancen ausrechnen (sofern man nicht gegen Spartiaten zog, natürlich).

Doch Athen tat genau das nicht. Stattdessen schickte man die kleine Kavallerie, die man hatte, und bedrängte konstant das riesige spartanische Landheer, das gegen die hinter den Langen Mauern verschanzten Athener nichts tun konnte als außer Pfeilschussweite zu bleiben. Die Langen Mauern hatten, von den Spartanern tapfer ignoriert, die Prämisse griechischer Kriegführung entscheidend verändert. Denn wenn eine Stadt kaum befestigt war (Befestigungen waren extrem teuer und konnten erst in einer Zeit prosperierender Handelsströme errichtet werden, die aber erst nach den Perserkriegen wirklich entstanden). Hatte sie keine andere Chance, als sich der feindlichen Armee auf offenem Feld zu stellen. Mit der Errichtung Athens gigantischer Festungsanlage der doppelten Wälle, die bis zum Hafen Piräus reichten und die Stadt damit von den Bauern Attikas unabhängig machten, ging ein wesentliches Element hoplitischer Kriegführung verloren. Wer Athen bezwingen wollte, musste die Ägäis beherrschen und ihr den Nachschub verwehren.

Hoplitenrüstung im Museum Korfu (Kerkyra)
Doch genau das war keine spartanische Lösung. Stattdessen fiel man fünf mal ohne Erfolg in Attika ein und verlegte den Kampf auf Nebenkriegsplätze. Wo die Spartiaten auf eigenem Boden unter ihren Bedingungen kämpfen konnten, schlugen sie sich mit Bravour. Wo sie sich an anderen Dingen versuchten, scheiterten sie - sei es bei der Belagerung von Plataea, sei es bei der Störung der athenischen Kommandoaktion bei Pylos. Letzteres ist eine nähere Betrachtung wert. Athen erkannte, dass es eine Basis im Feindesland brauchte, die für feindliche Sklaven und Heloten, die ihren Herren entflüchteten, ein Anlaufpunkt war und wo man sich versorgen konnte. Auf der Insel Pylos am westlichen Peloponnes wurde diese Basis aufgebaut und befestigt, in der sicheren Überzeugung, dass die Spartaner Nieten in der Belagerungstechnik und amphibischen Operationen waren. Die Spartaner erkannten die Gefahr und schafften in einer wahren Kommandoaktion rund 200 Spartiaten auf die benachbarte Insel Sphakteria, um dort ihrerseits eine Basis aufzubauen, die athenische Seeverbindung zu unterbrechen und so Pylos in die Knie zu zwingen.

Mit der Begeisterung von Amateuren machten sie sich ans Werk, und die Athener schickten sich an, genau das zu verhindern. Sie machten die Belagerer zu Belagerern, und nur die spartanischen Kampfesfähigkeiten hielten deren Stellung in Sphakteria. War der Kampf um die spartanische Basis ein halbes Desaster für Sparta, so war der Rest der Operation ein ganzes. Spielend leicht versenkten die Athener die Spartaner, die Pylos abzuschneiden und Sphakteria zu versorgen gedachten und schnitten die Spartiaten so von allem Nachschub ab. 120 Mann hielten noch die immer aussichtslosere Stellung. Schließlich war Sphakteria sturmreif, und die Athener machten sich bereit. Jeder erwartete eine Art Mini-Thermopylen, in denen die Spartaner einen heroischen Endkampf liefern und bis zum letzten Mann untergehen würden. Und dann geschah etwas, das niemand für möglich gehalten hätte. Die 120 Spartiaten kapitulierten und begaben sich in athenische Gefangenschaft.

Mit einem Schlag war die Basis des spartanischen Macht- und Gesellschaftsgefüge hinweggefegt. 7000 Mann, die zuvor eine Bevölkerung von über einer Viertelmillion beherrscht hatten, konnten dies nur auf der Basis des Mythos vom unbezwingbaren spartanischen Hopliten tun, der niemals aufgeben würde. Auch die restliche spartanische Bevölkerung hatte ja nur wenig Rechte; Vollbürger waren nur die paar Hopliten., die es gab. Deren Ansehen stürzte in eine unermessliche Tiefe, nur gesteigert dadurch, dass die Athener die 120 als Geißeln hielten und bei einer weiteren Invasion Attikas zu exekutieren drohten. Die Spartaner verlegten sich nach einem von Athen ausgeschlagenen Friedensangebot dann auf den Kampf an der Peripherie, wo sie immerhin wieder Erfolge feiern konnten.

Hoplit, wohl um 330 v. Chr.
Doch nicht nur der Mythos des Hopliten war plötzlich abgestürzt. Auch seine Rolle auf dem Schlachtfeld war beseitigt. In den ersten zehn Jahren des Krieges war es noch zu keiner Hoplitenschlacht gekommen; stattdessen regierten leichte Truppen und Kavallerie das Feld, jagten Einzelne nieder, die sich vom Heer entfernten, plünderten und starteten nächtliche Überfälle. Der Krieg, vorher eine auf dem Schlachtfeld zu entscheidende heroische Angelegenheit - zumindest in der Perzeption - war schmutzig geworden. Dazu kam, dass die Hopliten den Krieg nicht wollten. Da keine Entscheidung zu erringen war (längst war klar, dass der Gegner ausgehungert und seiner Verbündeten beraubt werden musste, was viel Zeit brauchen würde) wollten sie wieder auf ihre Felder, um sie zu bestellen - aber das war unmöglich, je länger der Krieg dauerte und die Parteien sich an seine neue Wirklichkeit gewöhnten. 414 errichteten die Spartaner kaum 60km von Athen entfernt in Dekelea eine Basis. Damit wurde die Bedrohung Attikas vom sommerlichen Ereignis zum Alltag. Für die Hopliten galt nichts mehr, als diesen Krieg endlich zu beenden. Auf dieser Annahme fußte der Friede des Nikias von 421.

Jedoch gab es in Athen auch breite Bevölkerungsschichten, die vom Krieg profitierten. Es war die vielköpfige, arme Stadtbevölkerung, die ein großes Interesse an ihm hatte. Da der Feind Athen nicht einnehmen konnte, hatten sie nichts zu verlieren. Solange der Krieg lief, wurden ihre Dienste jedoch benötigt - es waren die athenischen Bürger, die die Triremen bemannten und ruderten, eine Kunst, die viel Übung erforderte und ausgezeichnet bezahlt war. Der Krieg bot ihnen also ein gutes Auskommen, besonders solange niemand anderes eine Flotte besaß, die eine Bedrohung sein konnte. Während die Hopliten mehr und mehr zu leichten Truppen wurden - man benötigte die schwere Infanterie einfach nicht mehr - und smarte Intriganten wie Alkibiades die Volksversammlung leicht auf Kriegskurs bringen konnten, verwischten die alten Grenzen mehr und mehr. Hopliten waren keine Klasse mehr, kein Rückgrat der Armee, sie wurden ein Truppentyp unter vielen. Der lange Krieg und die harschen Verluste brachten es mit sich, dass der Staat Pferde und Rüstungen stellen musste, mit denen die Bürger bewaffnet wurden. Hoplit zu sein wurde losgelöst vom Anspruch der Klasse. Er wurde zum Berufssoldat.

Am Ende des Krieges war fast nichts mehr vom einstigen Hopliten-Chauvinismus geblieben. Die sozialen Verhältnisse waren einem tiefgreifenden Wandel unterzogen. Die Kriegführung war für immer eine andere, als sie es gegen die Perser gewesen war. Unter Alexander dem Großen würde die Entwicklung, Hopliten als Berufssoldaten einer bestimmten Waffengattung in eine Armee zu integrieren und nach kohärenten Taktiken kämpfen zu lassen ihren Abschluss finden. In Griechenland jedenfalls setzte bald eine Phase ein, in der man die "gute alte Zeit" zu verklären begann, in der tapfere Hopliten sich in edlen Duellen maßen. Man konstruierte eine Zeit, wie es sie wohl nie gegeben hatte - wie sie aber, so viel war sicher, nie wieder kommen würde.

Weiterführende Literatur:
Lawrence A. Tritle - A new history of the Peloponnesian War
Victor Hanson - A war like no other
Raimund Schulz - Athen und Sparta
Bruno Bleckmann - Der peloponnesische Krieg

Alle Bilder Wikimedia Commons.  

4 Kommentare:

  1. Thematisch sehr interressant, sprachlich jedoch leider weit unter dem gewohnten "Freidenker"-Niveau. Tatsächlich sind so viele Schnitzer im Text, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll - deshalb der Rat: das Ganze nochmal überarbeiten und nicht blind auf Worterkennungs-Software vertrauen.

    Beste Grüße.

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  2. Ich bin noch mal drüber, aber so viele Fehler habe ich gar nicht gefunden...?

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  3. Na, sind aber immer noch einige drin. Das ist leider störend in einem ansonsten sehr lesenswerten Text.

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  4. Ich muss grad echt blind sein...habt ihr Beispiele?

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