Mittwoch, 11. Mai 2011

Weihnachten wieder zu Hause - ein kontrafaktisches Szenario

Von Stefan Sasse


Zug zur Front 1914
Bekanntlich beruhte der deutsche Aufmarschplan 1914 auf den Überlegungen Schlieffens, modifiziert durch Moltke, im Falle eines europäischen Krieges möglichst schnell mit weit ausgreifendem rechten Flügel die französische Armee zu umfassen und in einer Art Super-Cannae in einer gewaltigen Kesselschlacht zu vernichten. Auf diese Weise sollte der Krieg in Frankreich in wenigen Wochen entschieden werden, um sich dann den langsamer mobilisierenden Russen zuzuwenden. Bekanntlich kam es anders; die Franzosen zogen sich hinter die Marne zurück und erlaubten es den Deutschen nicht sie einzukesseln, während Russland wesentlich schneller mobilisierte als angenommen. Weihnachten 1914 fand deswegen in den Ende Herbst ausgehobenen Schützengräben statt und nicht zu Hause im Glanz des Sieges. Was aber wäre geschehen, wenn der Plan geklappt hätte? Wie könnte das Europa der Zwanziger Jahre aussehen, wenn das Deutsche Reich den Ersten Weltkrieg gewonnen hätte? Obgleich kontrafaktische Geschichte stets zu viele Unsicherheiten enthält, als dass man finale Aussagen treffen könnte, soll hier ein Versuch unternommen werden, ein solches Bild zu entwerfen.

Der deutsche Militärplan war ein vabanque-Spiel. Man setzte alles auf eine Karte. Zu einem Gutteil spielten die Franzosen auch mit: ihr Plan XVII, der einen Einmarsch in Süddeutschland vorsah, führte zur Katastrophe und 300.000 Toten in drei Wochen. Das französische Heer in diesem Frontabschnitt war effektiv aufgelöst. Gleichzeitig marschierten die deutschen Angriffsspitzen schnell voran und erreichten die vorgesehenen Geschwindigkeiten. Zwar war die Nachschublage angespannt, aber noch nicht kritisch. Angesichts der Niederlage im Elsass und der Bedrohung von Paris entschloss sich das französische Oberkommando (das britische Expeditionskorps spielte zu dieser Zeit noch praktisch keine Rolle), sich hinter die Marne zurückzuziehen und den Rest des Landes aufzugeben. Angesichts der Tatsache, dass in diesem Gebiet ein großer Teil der für die Kriegführung wichtigen Kohlen- und Erzreviere sowie Montanindustrie lagen war auch das eine Art vabanque-Spiel. Historisch gelang es Frankreich, auch wegen Fehler in der deutschen Militärführung (Moltke erlitt einen Nervenzusammenbruch), ein Unentschieden an der Marne und damit einen strategischen Sieg zu erreichen, der das Reich zum Rückzug und der Konsolidierung einer Linie zwang. Dieses strategische Patt leitete den defensiv geprägten Grabenkrieg der folgenden vier Jahre ein. 

Marsch von Reservisten in Lübeck, 1914
Wenn nun aber die deutsche OHL (Oberste Heeresleistung) ihre Nerven behalten hätte, wäre es denkbar gewesen, an der Marne zu siegen und auf Paris zu marschieren. Die Stadt hätte dann wie bereits 1870 eingeschlossen werden können; die französische Regierung saß ohnehin bereits auf gepackten Koffern. Es wäre allerdings blauäugig anzunehmen, dass der Krieg damit vorbei wäre; das war auch 1870 nicht der Fall, wo Frankreich von Bordeaux aus weiter kämpfte und die Regierung erst durch die Gefahr sozialer Unruhen zur Kapitulation bewogen wurde. Das französische Feldheer allerdings wäre nicht mehr einsatzbereit gewesen, was der OHL eine Verlegung größerer Teilstreitkräfte an die Ostfront erlaubt hätte, wo das russische Offensivheer in der Schlacht bei Tannenberg aufgerieben worden war (was in unserem Szenario nicht zu einer hastigen Verlegung von Truppen aus der Marneschlacht geführt hätte, die ohnehin zu spät ankamen). Während große Teile Frankreichs von den deutschen Truppen eingenommen worden wären - vermutlich etwa die Hälfte der Kanalküste, ein Großteil der Ile de France, ganz Nordwestfrankreich, Teile der Bourgogne und des Rhone-Tals und möglicherweise sogar ein Teil des Gebiets bis zum Mittelmeer (wobei das eher unwahrscheinlich erscheint) -, läge im Osten ein Vorstoß durch das russische Polen im Bereich des Möglichen, der in der Realität erst 1916 erreicht wurde. 

Ab hier wird die Voraussicht zwangsläufig undeutlich. Es ist praktisch unmöglich sicher zu sagen, wie sich die Regierungen der Entente-Mächte nun verhalten hätten. Sowohl ein Weiterkämpfen als auch eine Kapitulation sind möglich. Wir wollen annehmen, dass erste Friedensfühler von allen beteiligten Mächten ausgestreckt werden, besonders aber vom Reich und von Russland. Österreich-Ungarns Offensive in Serbien wäre noch immer steckengeblieben, während russische Truppen in Galizien auf seinem Territorium stünden. Frankreich hat zwar starke Verluste erlitten, ist aber noch eingeschränkt handlungsfähig. Seine Regierung debattiert gerade, ob man zum Volkskrieg mit Guerilla-Taktiken aufrufen und damit die Situation von 1871 wieder herbeirufen möchte, nur nach Möglichkeit größer und effizienter. England sieht sich in einer ungeschickten, aber komfortablen Position: es hat nur kleinere Seegefechte gegen Deutschland geleistet, die Blockade errichtet und ein kleines Expeditionsheer nach Frankreich entstandt, obgleich Vorbereitungen für weitere Divisionen laufen. Deren Zeitfenster allerdings ist äußerst eng, da der deutsche Vormarsch an der Kanalküste eigentlich nur noch die Häfen der Normandie und Bretagne als Anlandeplätze erlaubt und selbst diese gefährdet sind. 

Deutsche Kriegsziele im Westen
Im Deutschen Reich dagegen brechen die alten Gegensätze, die der Burgfrieden kurzzeitig geschlossen hat, wieder auf. Offensichtlich ist die Gefahr abgewendet, man ist siegreich. Die Sozialdemokratie fordert einen Frieden ohne Sieger und Besiegte, während die Alldeutschen die Erfüllung der Kriegsziele vom September 1914 mit aller Macht einfordern. Beide Positionen aber sind kaum praktikabel. Die der SPD, weil die Begeisterung und Begehrlichkeiten zu groß sind, die der Alldeutschen, weil sie einen totalen Sieg erfordern und jede friedliche, nicht auf permanentem Zwang beruhende Nachkriegsordnung unmöglich machen. Wilhelm II., unentschlossen wie stets, nähert sich mal der einen, mal der anderen Position an, ohne eine Entscheidung zu treffen, während Kanzler Bethman-Hollweg erfolglos zu vermitteln versucht. Da England bisher keine Antwort geschickt hat und seine Intentionen unbekannt sind, bleiben die Diskussionen allerdings akademisch, während sie gleichzeitig die Kriegsgegner alarmieren und misstrauisch stimmen. 

Weihnachten 1914 wird so nicht, wie ursprünglich propagiert, zuhause gefeiert. Stattdessen brennen Weihnachtsbaumkerzen vor den Zelten der Belagerer von Paris, irgendwo an der Rhone, an der Kanalküste und im ländlichen Polen. Die Begeisterung der Bevölkerung wie der Soldaten für die Siege des Sommers beginnt sich merklich abzukühlen. Im öffentlichen Bewusstsein ist der Krieg gewonnen, aber er endet nicht. Schlechtes Wetter macht Operationen praktisch überall unmöglich, obwohl vor dem Einsetzen der Winterstürme immerhin ein Teil der bisher mobilisierten britischen Streitkräfte in Brest angelandet wurde. Der OHL erschließen sich damit mehrere strategische Alternativen: 

1) Konzentration auf den Krieg im Osten. Die derzeit in Frankreich stehenden Truppen sollen den Patt aufrecht erhalten, Paris einschließen (wo der Winter bereits 1914 die Opferzahlen in den vierstelligen Bereich treibt und die Bilder von hungernden und frierenden Kindern die öffentliche Meinung in Entente und den USA gegen Deutschland einnimmt) und die Armee sich im Osten auf eine Offensive vorbereiten, mit der die russische Armee zerschlagen und das Zarenreich friedensbereit gestimmt werden kann. Das Problem ist hier die Weite des Raumes: niemand kann garantieren, dass die russische Armee sich im Frühjahr nicht einfach dem Griff der Mittelmächte entzieht und die Offensive ins Leere laufen lässt. 
2) Konzentration auf den Krieg im Westen. Die Ostfront wird, wie im Sommer 1914, weitgehend entblößt und der Verantwortung Österreich-Ungarn überantwortet, während man versucht die Franzosen endgültig zu schlagen. Das Problem ist hier die logistische Schwierigkeit der Offensive in Westfrankreich und die mangelnde Garantie, dass dies den Krieg auch beendet und dass die Franzosen nicht einfach, wie später 1940, von England und ihren Kolonien aus weiterkämpfen. Außerdem weiß derzeit niemand, wie sehr sich England noch engagieren wird und welche Folgen daraus entstehen können.

3) Seekrieg gegen England. Anstatt die Entscheidung auf dem Land zu suchen könnte man versuchen, England zum Frieden zu zwingen und so Russland und Frankreich jede Hoffnung zu nehmen. Diese Variante gefällt besonders vielen deutschen Planern, weil man glaubt, dass England keine Zugeständnisse zu machen braucht (Kolonien kann man Frankreich wegnehmen, Land in Europa Russland) und eine deutsche Vormachtstellung in Europa akzeptieren könnte. Tatsächlich ist die liberale Regierung in London schwer angeschlagen, nachdem sie den Kriegseintritt selbst ohnehin nur schwer hat innerhalb der Briten hat legitimieren können. Außerdem geben die Eroberungen an der Kanalküste und die Aussicht, möglicherweise im Frühjahr Brest einnehmen zu können, dem Reich eine bessere strategische Ausgangsstellung. 

Deutsches U-Boot UC1 1915
Wir wollen annehmen, dass die Reichsleitung sich für die England-Option entscheidet. Noch im Winter 1914/15 wird deswegen der U-Boot- und Kreuzerkrieg gegen die Versorgung der Inseln intensiviert, während für das Frühjahr eine Offensive gegen Brest geplant ist, die die komplette Kanalküste in deutsche Hand bringen soll. Zu diesem Zweck werden Truppen von der Ostfront abgezogen (die historische Galizienoffensive von 1915 ist damit nicht möglich). Durch eine Intensivierung des Beschusses der Vorort-Forts von Paris wird die französische Militäführung im Glauben gewogen, der deutsche Operationsschwerpunkt läge in der Ile de France, die man im Winter befestigt hat. Die britische Abwehr vermutet zwar einen Schlag gegen Brest, kann aber die Franzosen nicht überzeugen. Tatsächlich gelingt es, in einer dreimonatigen Offensive bis zur Atlantikküste vorzustoßen und Brest und Caen einzuschließen. Beide Städte können aber nicht eingenommen werden und werden von der britischen Flotte versorgt. Die französische Armee, die sich im Winter restrukturiert wird, führt gleichzeitig eine Entlastungsoffensive gegen den deutschen Belagerungsring um Paris, der temporär geöffnet wird und eine mehrtägige Versorgung der Stadt erlaubt. Der propagandistische Erfolg dieser Operation überdeckt in der Entente die Niederlage im Norden. 

Russland versucht seinerseits, eine Entlastungsoffensive durchzuführen und kann örtliche Durchbrüche gegen die k.u.k.-Truppen erzielen, ohne jedoch einen mit dem historischen Durchbruch 1916 vergleichbare Wirkung zu erzielen. Österreich-Ungarn kann gleichzeitig Serbien besiegen. Auf See dagegen kann das Reich keine nachhaltige Wirkung erzielen. Es werden zwar einige britische Schiffe versenkt; ein Großteil der deutschen Kaperkreuzer aber fällt der Grand Fleet zum Opfer, so dass die Marine sich folgerichtig auf den Bau von U-Booten verlegt, denen die Nutzung des Kanals wegen der britischen Minengürtel verwehrt bleibt. Die Erfolge der Mittelmächte halten Italien davon ab, in den Krieg einzutreten, während Bulgarien in der Hoffnung auf Gebietsgewinne eintritt. Auch Rumänien widersteht den Lockungen der Entente und behält seinen neutralen Status. Erfolgsmeldungen für die Entente sind nur in Afrika und im Pazifik zu vermelden, wo die letzten deutschen Kolonien erobert werden. 

Deutscher Soldat an der Westfront 1916
Im Sommer 1915 ist der Krieg damit immer noch nicht zu Ende. Die Siege der Frühjahrsoffensive an der französischen Kanalküste haben die Stimmung in Deutschland nicht wirklich aufgebessert, die Stimmen der Alldeutschen sind nicht mehr so deutlich zu vernehmen wie zuvor, während die Position der Sozialdemokraten besonders im liberalen Lager Anhänger zu finden beginnt. Für die Deutschen überraschend gelingt den britisch-französischen Streitkräften im Sommer außerdem eine Offensive im Rhone-Tal, wo die ruhige Lage die OHL in Sicherheit wog. Obwohl die Offensive die Streitkräfte der Entente eigentlich überdehnte und letztlich in herben Verlusten endete, ist sie ein weiterer progagandistischer Erfolg gegen die Mittelmächte. In Berlin findet eine erste, von linken Sozialdemokraten initiierte Friedensdemonstration statt. Die Polizei löst sie auf, die Initiatoren werden verhaftet, aber die Regierung ist von der heimlichen Sympathie selbst bürgerlicher Kreise geschockt und entlässt die Gefangenen bald wieder in einem Versuch, die Sache totzuschweigen. 

Im Herbst 1915 erobern die k.u.k.-Streitkräfte Galizien vollständig zurück und überschreiten erstmals die Grenze nach Russland. Der geringe Widerstand, der ihnen dabei entgegenschlägt, deutet auf eine Krise innerhalb der zaristischen Armee hin. Auch die eigentlich schwachen deutschen Streitkräfte unternehmen einen begrenzten Vorstoß Richtung Riga, das sie im Oktober auch erreichen. Erst jetzt versteift sich der Widerstand der Russen wieder. Im besetzten Warschau konstituiert sich indessen eine polnische Nationalregierung, die Fühlung mit den Deutschen aufnimmt. Zwar werden die Polen inhaftiert, aber die Reichsleitung ist sich offensichtlich nicht darüber im Klaren, was sie mit ihnen machen soll. Man fürchtet mit Hinblick auf die eigenen polnischen Minderheiten eine polnische Nationalbewegung, erkennt aber ihren militärischen Nutzen gegen Russland an. Einige Adelige mit Verbindungen nach Russland nehmen nun, vorerst ohne offizielle Absegnung durch den Kaiser, Fühlung mit Russland auf und schaffen so einen langsamen und indirekten Gesprächskanal. Militärisch halten beide Seiten still. 

Zerstörungen in Paris, 1871
In Frankreich entstehen im Spätherbst besonders in der Ile de France und an der Rhone stark ausgebaute Grabensysteme, die offensive Operationen fast unmöglich machen. Die Lage in der eingeschlossenen Hauptstadt wird kritisch. Beiden Seiten ist klar, dass die Stadt einen weiteren Kriegswinter nur unter furchtbaren Verlusten unter der Zivilbevölkerung wird überstehen können. Die Zivilverwaltung von Paris ist dazu nicht bereit und drängt dazu, die Stadt für die Deutschen zu öffnen, während die Militärs aushalten wollen. Noch immer haben die Deutschen lediglich die militärischen Forts beschossen und von einer Zerstörung der Stadt abgesehen. Die Lage in Caen und Brest ist nicht viel besser; deutsche U-Boote machen inzwischen den westlichen Eingang des Kanals unsicher und erschweren die britische Versorgung. Besondere Sorgen macht London die Versorgung des Expeditionskorps, die mittlerweile über den Golf von Biscaya läuft und extrem verletztlich gegenüber U-Booten ist, sobald diese dort operieren können. Es ist Konsens in der britischen Regierung, dass die aktuelle Position sich nicht mehr aufrechterhalten lässt, wenn Brest fällt. 

Im November 1915 lässt sich die Katastrophe aber nicht mehr aufhalten. Caen kapituliert zuerst, dicht gefolgt von einem Aufstand in Paris, der Erinnerungen an die Kommune von 1870/71 wach werden lässt und den Stadtkommandanten die Flagge streichen lässt. Ende des Monats kapituliert auch Brest. Im Dezember nimmt St. Petersburg offizielle Friedensgespräche mit Berlin auf. Die ersten U-Boote werden in Brest stationiert, jedoch nicht eingesetzt. Wilhelm II. befiehlt persönlich, nicht einzugreifen, falls England seine Truppen aus Frankreich abzieht. Auch der Handelskrieg gegen die britische Marine wird auf ein Minimum reduziert, während der Reichstag eine Friedensproklamation an Großbritannien sendet. Im Januar 1916 zerbricht die bisherige britische Regierung; Premierminister Asquith tritt zurück und macht Platz für Lloyd George. Dessen Umstrukturierung des Kabinetts zum "Wartime Cabinett" kann aber die Konservativen kaum versöhnen, die unverhohlenen Druck ausüben, den Krieg zu einem Abschluss zu bringen solange das noch möglich ist und mit den Deutschen zu reden. Die britische Bevölkerung sieht die Lage ähnlich und gibt der liberalen Partei die Schuld daran, 1914 das Bündnis mit Frankreich gesucht zu haben anstatt sich herauszuhalten. Die Idee Lloyd Georges, eine allgemeine Wehrpflicht einzuführen, ist vor diesem Hintergrund nicht durchzuhalten. Die Rekrutierungsstellen melden einen frappanten Rückgang der Freiwilligenzahlen, der eine Aufrechterhaltung der bisherigen Divisionsstärke mittelfristig unmöglich macht. 

k.u.k.-Infanterie 1915
Im Februar 1916 schließt der Zar einen Separatfrieden mit dem Reich. Deutschland und Russland waren sich einig, dass sie keine polnische Nationalbewegung dulden konnten. Russland tritt dem Deutschen Reich im Frieden Gebiete im Baltikum ab, akzeptiert die Schaffung Finnlands als deutschem Marionettenstaat und erweitert das Territorium Österreich-Ungarns um die galizische Grenzregion. In Geheimverträgen wird Rumänien der Einflusssphäre der Mittelmächte zugeschlagen und Wien freie Hand in Serbien gewährt. Das Osmanische Reich erhält kleine Kompensationen in der Region zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Das Zarenreich bleibt als politische Einheit aber intakt und demobilisiert Teile seiner Armee. Die Aufmerksamkeit des Zars wendet sich auf das kleine russische Bürgertum, das auf die Erfüllung von Versprechungen seit der Revolution von 1905 und eine Öffnung gegenüber seinen Forderungen drängt. Lenin bleibt ein reiner Schreibtischtäter in der Schweiz, wo er 1924 stirbt. 

Der russische Friedensschluss besiegelt das Schicksal des Krieges. Im März 1916 einigen sich Lloyd George und Raymond Poincaré darauf, um Waffenstillstand zu bitten und den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson als Vermittler einzuschalten (der seine 14 Punkte nie formuliert hat). Lloyd George verspricht Frankreich, es bei den Verhandlungen nicht im Sicht zu lassen und mit ihm eine gemeinsame Verhandlungsfront aufzubauen. Wilhelm II. akzeptiert nach anfänglichen Vorbehalten die Vermittlung des US-Präsidenten, fordert jedoch eine Abrüstung der französischen Armee und eine Besetzung weiterer Teile Frankreichs durch Deutschland als Unterpfand. Einzig die Poitu Charente, Aquitaine, Limousin und Midi Pyrenees bleiben französisch besetzt. Nachdem der Friede mit Russland hauptsächlich von den ostelbischen Adeligen eingefädelt wurde, pocht die SPD nun besonders auf einen nachhaltigen Frieden und verlangt eine Teilnahme an den Verhandlungen. Die Regierung hat es aber leicht, sie außen vor zu halten, weil in der Bevölkerung die Erleichterung über das Ende des Krieges alle anderen Anliegen hinwegspült.

Deutsche Delegation, Versailles 1919
Die Friedensverhandlungen sind schwierig, besonders, weil viele widerstreitende Positionen zu vereinbaren sind. Das Osmanische Reich verlangt die Kontrolle über Ägypten, Griechenland und Malta sowie einen förmlichen englischen Verzicht auf Einmischung in die Unruhen im Zweistromland. Die deutsche Delegation besitzt Alldeutsche, die eine effektive Halbierung Frankreichs verlangen ebenso wie moderate Diplomaten, die eine zukünftige Nachkriegsordnung im Blick haben. Frankreich will so wenig Land wie möglich abgeben und versucht vor dem Hintergrund der Erfahrungen von 1871 einen möglichst großen Teil über Reparationen zu leisten (diese waren 1871, obwohl von nie dagewesener Höhe deutlich vor der Frist abbezahlt worden). England wünscht die Erhaltung Frankreichs als Machtfaktor und will jede Ausbreitung des Reiches in Richtung "Weltpolitik" verhindern, also vor allem dafür sorgen, dass das Reich keine Häfen an der Kanalküste in seinen Besitz bekommt. Alle Beteiligten haben Belgien und Luxemburg abgeschrieben. Die Dominanz Österreich-Ungarns auf dem Balkan und in Südosteuropa sowie die des Osmanischen Reiches auf der arabischen Halbinsel und in Nordostafrika sind unausgesprochen akzeptiert. Japan wird einen status-quo-Frieden schließen und orientiert sich noch im Laufe der Konferenz von den Entente-Mächten weg, um von deren Schwächung durch eigene Manöver Spielraum zu gewinnen. Den USA ist daran gelegen, ein tragfähiges Friedenssystem zu schaffen. 

Die Konferenz erreicht schnelle Einigungen in den bekannten Punkten: Serbien wird von Österreich-Ungarn annektiert (das gleichzeitig dem Osmanischen Reich weitgehende Rechte in dem Land einräumen muss), Teile Belgiens werden vom Reich annektiert, ebenso Luxemburg, der Rest Belgiens wird effektiv deutscher Marionettenstaat. Alle im Krieg eroberten Kolonien werden dem Reich zurückgegeben. Es erhält außerdem Teile Französisch-Nordwestafrikas und Gebiete in Ostafrika, im Pazifik und in China. Der Versuch, mit diesen kolonialen Erwerbungen die Alldeutschen ruhigzustellen scheitert jedoch. Die drohende Gefahr ihrer Marginalisierung erkennend, trommeln sie in Deutschland für eine harte Linie gegenüber Frankreich und weitreichende, die Septemberkriegsziele weit überschreitende Annexionen. Bei den Verhandlungen kommt es zum Eklat, die französische Delegation droht mit Boykott und Wiederaufnahme der Kampfhandlungen, während die Sozialdemokraten mit Generalstreik drohen. Die Alldeutschen müssen bald erkennen, dass sie keine Mehrheit in der öffentlichen Meinung erringen können und stecken von ihren radikalen Zielen zurück. Die Episode wird jedoch das Bild Deutschlands in weiten Teilen der Welt einmal mehr als militaristischer Aggressor prägen und für den späteren Aufstieg der Action Francaise sorgen. 

Chateau-Wald bei Ypern, 1917
Das finale Ergebnis ist ein Erfolg für Englands Verhandlungsposition. Die Kontrolle von Atlantikhäfen bleibt Deutschland verwehrt, England selbst bleibt von Reparationen und Gebietsabtretungen verschont (sieht man einmal von Ägypten ab), es kann sogar Malta behalten. Im Gegenzug setzen die Deutschen Reparationen und unilaterale Abrüstungsbeschlüsse gegen Frankreich durch. Das Land verliert außerdem alle Gebiete östlich von Somme und Maas und muss die Stationierung von deutschen Garnisonen in Verdun (das französisch bleibt), Armiens und weiteren Grenzstädten dulden. Im Gebiet östlich von Seine und Marne wird Frankreich die Stationierung von Truppen verboten; lediglich an der Grenze zu Italien dürfen Truppen stationiert bleiben. Frankreich verliert dadurch große Teile seiner Schwerindustrie, mehrere Millionen Franzosen werden deutsch. Die Idee eines Völkerbundes von Präsident Wilson, in dem Sieger und Besiegte gleichberechtigt vertreten sind, stößt auf weitgehende Ablehnung beider Parteien. Die einen fürchten um ihre Beute, die anderen dass sie in diesem Völkerbund von Deutschland weiter majorisiert werden. Stattdessen gründet Deutschland einen "Mitteleuropäischen Bund", dem Belgien, die Niederlande, Österreich-Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Dänemark und Finnland angehören. Dieser "Bund" besteht aus einer Zollunion und schließt Verteidigungsbündnisse untereinander. Dominante Macht des Bundes ist das Deutsche Reich, das damit die wirtschaftliche Dominanz in Europa erreicht. Mit England, Frankreich und Russland werden 25jährige Nichts-Angriffs-Pakte geschlossen. 

Die so entstehende Nachkriegsordnung drückt Frankreich auf den Status der schwächsten europäischen Großmacht herab. Die Macht, einen Großteil der europäischen Märkte für französische Exporte zu schließen, hängt wie eine drohende Geißel über der französischen Regierung, über die ein Sturm der Entrüstung hinwegfegt, als die finalen Beschlüsse bekannt werden. Dass es durch gemeinsamen Druck England und der USA gelang, die französische Flotte vor deutschen Begehrlichkeiten zu beschützen, zählt dabei für die französische Öffentlichkeit wenig. In Deutschland selbst beginnt praktisch augenblicklich die Diskussion darüber, wie die eroberten Gebiete zu verwalten und behandeln sind. Die SPD und die Liberalen fordern ihre gleichberechtigte Eingliederung in den Reichsverband als eigenständige Länder, in der Hoffnung so die preußische Dominanz im Bundesrat zu brechen und neue Wählerschichten zu erschließen, die ihnen ein Überflügeln der Konservativen ermöglichen sollen. Diese setzen sich aber durch und schaffen einen Status als "Reichsland", gewissermaßen Bundesländer auf Probe, und sprechen sich für eine Germanisierungspolitik in den Gebieten aus. Paradoxerweise stößt dies auf Beifall in Elsass-Lothringen, wo derartige Maßnahmen zuvor in den 1890er und 1900er Jahren auf Widerstand gestoßen waren. Die Elsässer sind nun nicht mehr Bürger zweiter Klasse, sondern können ihrerseits auf die "Beutedeutschen" herabblicken. Dasselbe Vorgehen wird für Litauen beschlossen.

Deutsche Besatzung in Maubeuge
In Frankreich bricht eine Ära der Unruhe an. Die rechtsradikale "Action Francaise" sieht die Schuld für die Niederlage bei Sozialisten, Liberalen und Kolonialtruppen, die nicht entschieden wie "gute Franzosen" gekämpft hatten und fordert eine neue nationale Einigkeit unter ihrem Banner. Viele Soldaten werden nicht richtig demobilisiert und organisieren sich in wilden Milizen unter dem Banner der Action Francaise. Der daraus resultierende Druck führt zu Neuwahlen, bei denen das Bündnis die Mehrheit zwar knapp verfehlt, die neue Volksfrontregierung aus Konservativen, Liberalen und Sozialisten aber zu extremen Kompromissen gezwungen ist. Getragen wird das unnatürliche Bündnis lediglich von dem Bewusstsein, dass Frankreich einen neuen Konflikt mit Deutschland nicht überstehen kann und zu einer Erfüllungspolitik gezwungen ist. Diese ist extrem unpopulär; die Action Francaise verliert jedoch wegen zunehmender Gewalttaten der Milizen temporär an Zuspruch und muss bei der Entwaffnung der irregulären Verbände mit der Regierung zusammenarbeiten. Hoffnungen auf eine Mäßigung der Bewegung und ihre Einbindung in die parlamentarische Arbeit erfüllen sich allerdings nicht.

England selbst entfernt sich von Europa und sucht eine engere Anbindung an die USA. Seine Aufmerksamkeit wird außerdem durch Unruhen in Indien auf sich gezogen. Größtes außenpolitisches Ziel Londons ist ein Abkommen mit Washington, dass es England erlaubt, größere Teile seiner Flotte in der Nordsee zu stationieren, um der Gefahr Deutschlands zu begegnen. Besonders der Schutz der pazifischen Gewässer, wo Japan eine immer stärkere imperialistische Attitüde zeigt, ist Briten wie Amerikanern ein gemeinsames Anliegen. Beide Länder richten außerdem einen merklichen Teil ihrer Anstrengungen darauf, ein japanisch-deutsches Bündnis zu verhindern. Berlin zeigt jedoch kein großes Interesse am Pazifik; die kolonialen Aspirationen Wilhelm II. liegen eher in Afrika. Das Osmanische Reich indessen muss feststellen, dass der Sieg nur eine kurze Atempause gebracht hat. Die Kosten des Krieges sind kaum zu bewerkstelligen, und Arabien, Ägypten und Griechenland sind äußerst unruhige Gebiete, in denen praktisch ständig mit Aufständen zu rechnen ist. Die innere Opposition der laizistischen Jungtürken bedroht zusätzlich den inneren Zusammenhalt des Reiches, auf das besonders Österreich-Ungarn arwöhnisch blickt.

Karl I. von Österreich
Das Hauptaugenmerk des Kaisers in Wien, Karl I. (sein Vater Franz Joseph I. starb 1916), liegt entsprechend auf der Befriedung des Balkans. Die Serben wurden zwar militärisch besiegt, haben aber nach einem kurzen Schock begonnen, mit Anschlägen und Guerilla-Angriffen die österreichische Militärpräsenz zu unterminieren. Auch die Hoffnung, dass der Sieg dem Vielvölkerstaat neuen Halt gibt, erfüllt sich nur teilweise. Die Ungarn sind zwar vollkommen zufrieden, aber die Tschechen fordern ebenso wie viele andere Minderheiten Rechte und Vertretungen ein. Karl I. zeigt sich dem Anliegen prinzipiell aufgeschlossen; Österreich-Ungarn scheint in Richtung einer großen föderalen Vereinigung unter einem gemeinsamen monarchischen Oberhaupt zuzusteuern. Entschieden ist aber in dieser Frage nichts, da in Österreich selbst die Sozialdemokraten erstaunliche Erfolge feiern. Russland, auf der anderen Seite, ist durch den Friedensschluss nicht großartig aus der Bahn geworfen worden; seine Probleme wurzeln bereits deutlich vor dem Krieg. Politische und wirtschaftliche Reformen lassen sich kaum mehr aufschieben, doch der Zar ist zu unbeweglich. Noch halten die Bajonette seiner Soldaten öffentlichen Widerstand nieder, aber die Frage ist, wie lange dies der Fall bleiben kann.

Die große Herausforderung für Deutschland ist die Frage der Parlamentarisierung. Besonders die Sozialdemokraten fordern vehement die Aufhebung des Dreiklassenwahlrechts und arbeiten mit den Liberalen (aber ohne Bündnis oder Absprache) auf eine Erweiterung der Rechte des Parlaments hin. Ihre Argumentation ist dabei von Kaiser und Konservativen nur schwer zu kontern: sie pochen darauf, dass das deutsche Volk sich diese Rechte im Abwehrkampf gegen das zaristische Russland und im Sieg über die Entente verdient habe. Da ein Antreten "gegen die Soldaten" für den Kaiser kaum möglich ist und der Versuch der Konservativen, die Frontkämpfer für sich einzunehmen gescheitert ist, trägt diese Argumentation im Frühjahr 1919 Früchte und sorgt dafür, dass bei den Reichstagswahlen 1922 ein neues, gleiches Wahlrecht gilt. Dem Parlament werden außerdem einige symbolische Rechte und, am Wichtigsten, eine Verantwortlichkeit von Ministern und Reichskanzler ihm gegenüber übertragen. Während den Sozialdemokraten die Beschlüsse nicht weit genug gehen, sind die Liberalen überzeugt, dass sie sich als Hebel für weitere Reformen erweisen werden. So oder hatten Sozialdemokraten und Liberale bereits bei den Wahlen 1917 zusammen eine Mehrheit der Stimmen, ohne diese jedoch für ein Bündnis zu nutzen und so eine konservative Dominanz der Regierung weiter zu ermöglichen.

Proteste in Frankreich, 1904
Zu Beginn der 1920er Jahre steht in dieser alternativen Geschichtsversion die Frage, ob es dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn gelingen wird, ihre internen Demokratisierungsprozesse in kontruktive Bahnen zu lenken oder ob es zu einem neuerlichen Unterdrückungsversuch der Konservativen kommen wird. Deutschland steht außerdem vor dem Problem der Integration mehrerer Millionen neuer Untertanen, die keine deutschen Wurzeln haben, ein Problem, das bisher vom Parlament weitgehend ignoriert wurde und angesichts der Lage in Frankreich ein Pulverfass ist. Die Franzosen ihrerseits müssen versuchen, den Aufstieg der Rechten zu verhindern und ein Auskommen mit einem mächtigen Deutschland zu finden, das auf die französischen Befindlichkeiten keine Rücksicht nimmt und in Härte gegenüber den Besiegten ein geeignetes Ventil für innere Probleme entdeckt zu haben glaubt. Russland selbst steht vor dem Zusammenbruch und am Rand einer Revolution, deren Verlauf für niemanden vorhersehbar ist (obgleich eine deutsche Einmischung nicht stattfinden wird und Lenin dadurch keine Rolle spielen kann). England muss eine neue Basis für seine Wirtschaft und Sicherheit finden, was ein Auskommen mit Deutschland und Abkommen über Flottenrüstung auf der einen und eine engere Anlehnung an die USA auf der anderen Seite erfordert. Die Tage des unabhängigen, großen britischen Imperiums jedoch sind gezählt. 

Ob die Welt mit diesem Ergebnis eine bessere wäre? Es ist schwer zu sagen. Sicher ist auf jeden Fall, dass es weniger Tote in Europa gab, weniger Verwüstungen und, vor allem, keinen Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland. Ein Zweiter Weltkrieg, wie er sich später entwickelt hat, mit seinen Millionen Toten und dem Völkermord an den Juden wird nicht stattgefunden haben. Letztlich hätte sich in Europa wohl eine monarchisch-konservative Variante der Europäischen Union mit starker deutscher Dominanz entwickelt, deren Sogwirkung sich Länder wie Italien, Frankreich, Spanien und Portugal kaum auf Dauer hätten verschließen können. Möglicherweise wäre diese Nachkriegsordnung von Bestand gewesen, möglicherweise hätte sie zu neuen Kriegen geführt. Sicher ist auch nichts von den oben dargestellten Ereignissen; sie zeigen nur eine von unzähligen möglichen Entwicklungen. Kontrafaktische Geschichte wie diese ist eine intellektuelle Spielerei, sie kann den Blick für Optionen und Alternativen öffnen. Was sie nicht kann ist, definitive Antworten zu geben. Diese Fähigkeit ist dem Historiker verschlossen. Wer danach sucht, dem seien Jahrmarktzelte mit Glaskugeln anempfohlen.

Bildnachweise: 
Abreise 1914 - unbekannt (gemeinfrei)
Lübeck - Lorenz Christensen (gemeinfrei)
Kriegsziele - Mulhollant (GNU 1.2)
U-Boot - unbekannt (gemeinfrei)
Soldat - unbekannt (gemeinfrei)
Paris 1871 - Adolphe Braun (gemeinfrei)
Österreichische Infanterie - unbekannt (gemeinfrei)
Deutsche Delegation - unbekannt (gemeinfrei)
Chateauwald - Frank Hurley (gemeinfrei)
Maubeuge - unbekannt (gemeinfrei)
Karl I. - Bain News Service (gemeinfrei)
Proteste - unbekannt (gemeinfrei)

7 Kommentare:

  1. Zum Ersten WK, dem "anständigen" Weltkrieg, lässt leicht ein Szenario kreieren, in dem die Mittelmächte gewinnen, da empfindet man irgendwie keine größere Abscheu davor, die Mittelmächte als potenzielle Siegermächte darzustellen, obwohl dieser in seiner Grausamkeit dem "schmutzigen" Zweiten Weltkrieg in nichts nachsteht.

    AntwortenLöschen
  2. Schon richtig. Ich sehe aber auch kaum eine realistische Chance für die Achsenmächte, ihren Krieg zu gewinnen.

    AntwortenLöschen
  3. Spannend ist in der Tat die Frage, wie nachhaltig ein Sieg des Deutschen Reichs im ersten Weltkrieg die Weltordnung geprägt hätte. Völkerbund und Vereinte Nationen sind ja grade die Folge des ersten Weltkriegs, die EU ist letztendlich eine Folge des zweiten Weltkriegs. Vielleicht hätte ein Sieg tatsächlich viele Todesopfer vermeiden können - ich halte es für wahrscheinlicher, dass er die geschichtliche Entwicklung nur verzögert hätte. Die Überzeugung, dass autonome Staaten eben nicht automatisch das Recht haben, ihre Streitkräfte gegen andere autonome Staaten in die Schlacht zu führen, dass Krieg als bloße Fortsetzung der Politik unter Einbeziehung anderer Mittel eben nicht legitim ist, hätte sich dann vermutlich nicht so schnell fortgesetzt.
    Mal ganz zu schweigen davon, dass Europa dann vermutlich über Jahrzehnte zu einem Pulverfass geworden wäre. Unzufriedene Franzosen, sämtliche andere Länder Europas, die sich von der starken Vormachtstellung des Reichs bedroht sähen (und möglicherweise Allianzen geschmiedet hätten), mal ganz zu schweigen von massiven inneren Konflikten im Reich; mit wachsendem Wohlstand wäre die Bevölkerung wohl mit der Zeit immer stärker auf die dumme Idee gekommen, dass sie gewisse Rechte hat, die auch der Adel nicht einfach unterdrücken können sollte. Wäre es aber dort letztendlich zum Sturz des Kaisers gekommen - sei es auch Jahrzehnte später - wäre ein solcher Umbruch natürlich auch für die umliegenden Staaten ein attraktiver Zeitpunkt, sich gegen das Reich zu wenden.
    Von Problemen mit den Kolonien - deren streben nach Unabhängigkeit o.ä. - ist da noch nicht einmal die Rede.

    AntwortenLöschen
  4. Warum ist ein Sieg der Achsenmächte unrealistisch? Nach dem Fall von Frankreich war nur noch ein Gegner übrig, England. Man hatte zusammengerechnet mehr industrielle Kapazitäten und Soldaten. Es gab die Möglichkeit wichtige britische Kolonien zu erobern (Ägypten, Singapur,..) Durch strategische Bomber und U-Boote gab es die Möglichkeit die Ressourcenströme in England lahm zu legen. Auf die Dauer könnte England als Demokratie gegen diese Übermacht nicht bestehen.

    AntwortenLöschen
  5. Weil Hitler kein rationaler Stratege war. Sein "Weltanschauungskrieg" gegen die SU war fest eingeplant, und England ließ sich 1940/41 nicht niederwerfen. Davon abgesehen dampften die USA auf Kriegseintritt zu, und ihre Versorgung Englands und Russlands ließ einen deutschen Sieg unwahrscheinlich erscheinen. Ich halte das Szenario eines siegreichen Nazireiches einfach für surreal und unrealistisch.

    AntwortenLöschen
  6. Shukow beschreibt in seinen Memoiren 2x, dass die Russen 2 Wochen vor de Kapitulaition standen. 1x vor Moskau, 1x vor Stalingrad. England hatte fertig, wenn Hytlar den Deckel draufgetan hätte.

    Der Sieg des Nazireiches war NICHT unrealistisch, wenn man ihn als Sieg unmittelbar und taktischer Natur betrachtet. Als strategischen Sieg über eine Generation hinaus war er vom 1. Tag an zur Niederlage verurteilt. Völker lassen sich nicht endlos versklaven.

    Da ist die aktuelle Strategie erfolgsversprechender. Siehe Fischers Interview in der jüngsten Ausgabe der "Blätter".

    AntwortenLöschen
  7. Die Entscheidung über eine Kapitulation hätte aber nicht Schukow gefällt, sondern Stalin. Wenn die Sowjets sich weiter, gewissermaßen hinter ihrer Industrie her, hinter den Ural zurückgezogen hätten, was dann? Wäre die Wehrmacht dann in Richtung Sibieren marschiert? Was will man denn tun, wenn die Sowjets sich einfach nicht ergeben? Das Errichten von Satellitenstaaten und das "Befreien" der eroberten Teile der SU hatte man sich ja selbst dank Rassenwahn verbaut.
    Deswegen sind taktische Siege zwar in größerem Umfang möglich, da gebe ich dir klar Recht, aber einen Sieg mit Kapitulation aller Gegner und einem Frieden an allen Fronten halte ich für unmöglich.

    AntwortenLöschen