Dienstag, 18. Oktober 2011

Das Zeitalter der Kernenergie Teil 2/3

Von Stefan Sasse

Explosion der Wasserstoffbombe Castle-Bravo
Als Reaktion auf die sowjetische Bombe erfolgte eine Umorientierung der amerikanischen Politik, die auf eine starke Nuklearisierung der Sicherheit baute. Man verabschiedete das Papier NSC-68, das eine konventionelle Aufrüstung, erhöhte Militär- und Wirtschaftshilfe für Verbündete, psychologische Kriegführung und Subversion in kommunistischen Staaten sowie umfangreiche Programme für Zivilschutz und Zivilverteidigung vorsah. Im Mai 1949 wurde die NATO gegründet, während man gleichzeitig durch die Entwicklung der Wasserstoffbombe eine neue Runde im Rüstungswettlauf einläutete. Über die Entwicklung dieser Waffe war das Nuklear-Gremium der USA zutiefst gespalten; während beispielsweise Oppenheimer in strikter Opposition stand, trieb Edward Teller die Entwicklung voran. Bereits im November 1952 wurde „Ivy Mike“, die erste Wasserstoffbombe, getestet - rund 330mal so stark wie die Hiroshima-Bombe, die eine Insel des Bikini-Atolls vollständig vernichtete (der letzte Test dieser Art auf dem Bikini-Atoll wird 1958 durchgeführt). Tests stärkerer Bomben kommen danach nicht mehr vor; Atomtests als solche dagegen schon. Bereits im August 1953 fand ein Test der sowjetischen Wasserstoffbombe statt, die zwar schwächer als die amerikanische war, dafür aber im Flugzeug transportierbar – und somit deutlich gefährlicher. 

Beschleunigt wurden diese Entwicklungen durch den Ausbruch des Korea-Krieges. Ausgelöst durch Angriff der nordkoreanischen Truppen kämpfen die Amerikaner bald an der Seite des Südens; nach einer Intervention Chinas schließlich wird ein Waffenstillstand vereinbart. Für den Westen hatte die Sowjetunion damit alle bösen Vorurteile bestätigt. Während des Krieges diskutierte man in den USA mit heißen Köpfen darüber, ob man Atomwaffen einsetzen sollte. Während Kommandant MacArthur vehement dafür plädiert, gewann schließlich ein Argument die Oberhand: in der Phase sich stark verbessernder Beziehungen mit Japan wollte man das amerikanische Ansehen nicht weiter beschädigen. Auch McArthur wurde abgelöst.
Da die Kosten der Aufrüstung bald explodierten, entschied sich der neue Präsident Eisenhower dafür, langfristigere Aufrüstung zu betreiben anstatt kurzfristige Rüstungsspitzen aufzulegen. Gleichzeitig wurde versucht, kosteneffektiv Waffen herzustellen („More Bang for the Buck“) und eine Prioritätenverschiebung hin zur Luftwaffe betrieben, aus der das Strategic Air Command hervor ging und wodurch die Schwelle zum Atomwaffeneinsatz stark herabgesetzt wurde. Die SU vollzog den gleichen Schritt kurze Zeit später.
Indessen entwickelten auch die Briten eine Atombombe, die sie 1952 in Australien testeten. Vier Jahre später folgte der Test der Wasserstoffbombe. Die Motive dafür waren vielfältig; die als unsicher empfundene Sicherheitslage (man fürchtet ein amerikanisches „Disengagement“), anti-sowjetische Ressentiments und ein Kompensationsbedürfnis für den verlorenen Großmachtstatus.

Präsident Dwight D. Eisenhower
Gleichzeitig wurde aber auch klar, dass das wachsende Arsenal atomarer Waffen die Welt gefährlicher machte. Mit dem Tod Stalins im März 1953 beginnt eine kurze Phase der Entspannung im Ost-West-Verhältnis. Hoffnungen auf eine Liberalisierung erwiesen sich aber als trügerisch, besonders durch den 17. Juni 1953. Trotzdem feierte die Entspannung einige Erfolge, vor allem 1956 mit dem berühmten XX. Parteitag der KPdSU, wo Chruschtschow unter anderem die Theorie der friedlichen Koexistenz verkündete. Zuvor hatte Eisenhower bereits mit seinem Programm „Atoms for peace“ von 1953 einen Beitrag geleistet; 1955 fand eine Konferenz in Genf über die friedliche Nutzung der Kernenergie statt. Auf dieser Konferenz überraschte Eisenhower mit dem Vorschlag für wechselseitige Kontrollen („Open Skies“) für Rüstungskontrolle. Der Erfolg war mäßig. Es gelang allerdings, die friedliche Nutzung der Kernenergie zu internationalisieren. In Europa kam es zu einer Kooperation der (west-)europäischen Staaten.

Neue Krisen entstanden ab 1956, besonders mit den Aufständen in Polen und Ungarn, in denen der Westen durch Nichtstun die Menschen enttäuschte und das Verhältnis der Blöcke wieder schlechter wurde, sowie der Suezkrise. 1957 erfolgen der Sputnikschock und die Diskussion um atomare Bewaffnung der Bundeswehr, 1958 Chruschtschows Berlin-Ultimatum an den Westen, sich aus der Stadt zurückzuziehen und Berlin zur offenen Stadt zu erklären. In diesem Fall ging es nicht wirklich um Berlin; die DDR hatte bei der SU insistiert, diesen Druck zu erzeugen, da die DDR unter der gewaltigen Fluchtbewegung litt. Daraus resultierte die Betonierung der deutschen Teilung im Berliner Mauerbau 1961. Die Phase zwischen 1949 und 1962 ist die „heiße Phase“ des Kalten Krieges, die Blockbildung ist noch nicht abgeschlossen und Machtkonflikte bestimmen das Bild. Man geht (relativ) sorglos mit nuklearen Waffen um. In zwei Situationen, Koreakrieg und Suez-Krise, dachten Amerikaner und Sowjets ernsthaft über den Einsatz der Atomwaffe nach. Den Höhepunkt erreicht diese Dauerkrise mit der Kubakrise. Dieser gingen einige andere Krisen voraus: Bereits 1960 wurde ein Spionageflugzeug (U2) über der SU abgeschossen. Im Kongo verlief die Dekolonialisierung sehr blutig und chaotisch. 1961 folgte der Mauerbau.

Die Luftaufnahmen der Sowjetraketen auf Kuba
Kuba selbst empfanden die USA als ureigensten Machtbereich. Obwohl es seit 1902 formal unabhängig war, waren amerikanische Firmen stark involviert und wurde die Politik Kubas stark von den USA dominiert. Kuba ist in dieser Zeit eine fast dikatorisch regierte Insel. Nach einem gescheiterten Putsch 1953 gelang es Fidel Castro 1956-1959, das Land einzunehmen und zu revolutionieren. Die zu Beginn gemäßigte linke Politik wandelte sich wegen des Widerstands der Großgrundbesitzer und der Firmen immer mehr zu einer realsozialistischen Politik. Als erste, auch amerikanische, Firmen verstaatlicht wurden, verschärften sich die Spannungen mit den USA. Das wiederum trieb Castro an die Seite der Sowjetunion, was genauso wie die Einführung des Realsozialismus keine Zwangsläufigkeit gewesen wäre. Nach einem partiellen US-Handelsembargo wird Kuba, auch unter Eindruck des Schweinebucht-Fiaskos, 1961 zur sozialistischen Republik, woraufhin die USA ein totales Handelsembargo verkünden.

Die SU ihrerseits möchte in dieser Zeit austesten, wie weit sie gehen kann. Nachdem der Westen den Mauerbau mit rhetorischen Angriffen hingenommen hatte, versuchte die Sowjetunion einen Friedensvertrag für Deutschland – und damit Reparationen – zu erreichen. Dazu gehörte auch der sowjetische Vorstoß, ein atomwaffenfreies Mitteleuropa (Deutschland, Polen, CSSR) zu schaffen. Dieser Vorschlag wurde jedoch wegen der antizipierten konventionellen Überlegenheit des Warschauer Paktes vom Westen immer wieder abgelehnt. 1961 testeten die Sowjets die größte jemals gezündete thermonukleare Bombe. In dieser Zeit begann auch die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf Kuba. Als die amerikanische Aufklärung dies im Oktober 1962 entdeckte, begannen die 13 Tage der Kubakrise. Eine Serie von Großsitzungen in Washington, wo auch Schläge auf die russischen Raketen diskutiert wurden, fand statt. Am 20. Oktober begann Kennedy die Blockade Kubas. Am 22. Oktober informierte er die Öffentlichkeit und forderte Chruschtschow dramatisch zum Abzug der Raketen auf. Dieser Höhepunkt der Krise währte bis zum 24. Oktober.

Reichweiten der Raketen auf Kuba, zeitg. Darstellung
Zwei Tage später kündigte Chruschtschow den Abzug der Raketen an, forderte aber im Gegenzug eine Garantie Kubas. Einen Tag später forderte er zusätzlich noch einen Abzug der Raketen aus der Türkei. Robert Kennedy, die beherrschende Figur hinter den Kulissen, empfahl, die Garantie abzugeben und die Türkeiforderung zu ignorieren. So wurde es auch gemacht; einige Monate später zog man dann stillschweigend die Raketen aus der Türkei ab. Lange Zeit wurde die Kubakrise als Erfolg der USA und John F. Kennedys gedeutet (wobei der Erfolg dann eher Robert gebührt hätte). Inzwischen vertritt die Forschung die Deutung, dass die Überlegenheit der USA auch im konventionellen Bereich so hoch war, dass den Sowjets kaum eine andere Möglichkeit blieb als einzulenken. Es ist außerdem ein ambivalenter Sieg; Kuba bleibt bis zum heutigen Tag ein Konfliktherd der US-Außenpolitik. Außerdem wurde in der Sowjetunion ein Aufrüstungsprogramm forciert, um den USA nicht wieder in einer vergleichbaren Situation unterlegen zu sein. Eine definitive Auswirkung der Kubakrise jedoch ist die Erkenntnis in Washington wie Moskau, dass die Drohungen mit der Bombe ein Spiel mit der Katastrophe sind und dass dringend die Kommunikation verbessert werden muss. Am 05.04.1963 wurde der berühmte „Rote Draht“ zwischen Moskau und Washington eingerichtet. Der nächste Schritt war der Einstieg in die Rüstungskontrolle.

Die französische atomare Aufrüstung indessen verlief praktisch analog zur britischen, mit den gleichen Motiven und Voraussetzungen. Sie ließ sich wegen der Instabilität der Vierten Republik, die ihre Ressourcen anderweitig verbraucht, langsam an. Mit der Fünften Republik ab 1958 und der Rückkehr Charles des Gaulles begann eine Phase des Antiamerikanismus und der Bindung an die BRD. De Gaulle forcierte den Bau einer eigenen Bombe, da er dem amerikanischen Atomschirm über Europa und dem amerikanischen Engagement für Europa misstraute. Es wurde auch über gemeinsame Atomwaffenprogramme innerhalb Europas nachgedacht, die die BRD einbeziehen würden. Adenauer sah hierin eine Chance, der BRD Zugriff auf Atomwaffen zu geben (was die Amerikaner dazu veranlasste, ihre Kontrolle mit den Deutschen zu teilen). Der erste französische Test fand in der Sahara statt; die force de frappe wurde schnell ausgebaut. 1966 tat de Gaulle aus den Strukturen der NATO heraus. Den Amerikanern gelang es nicht, den Verbündeten Frankreich davon abzuhalten und so die Non-Proliferation durchzusetzen. Die SU machte dieselbe Erfahrung in China.

China emanzipierte sich ab Mitte der 1950er Jahre auch wegen eines sich bis Mitte der 1960er Jahre zuspitzenden ideologischen Streits von der SU und erhob den Anspruch, die beherrschende Großmacht in Asien zu sein. Nach einem erfolgreichen Test Chinas entwickelt auch Indien Atomwaffen und ist 1967 erfolgreich.

Rüstungskontrolle I

Nuklear-Teststoppakbkommen
5. August 1963
- Unterzeichner: USA, UdSSR, GB
- Verbot von Atomtests in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser
- weitere 114 Staaten treten bei (nicht China und Frankreich)
Atomwaffensperrvertrag
1. Juli 1968
- Unterzeichner: USA, UdSSR, GB
- weitere 140 Staaten treten bei (China: 1991, Frankreich: 1992)
SALT I
ABM-Vertrag
26. Mai 1972
- Unterzeichner: USA, UdSSR
- Begrenzung von strategischen Waffen und von Systemen zur Abwehr ballistischer Raketen
Abkommen zur Verhinderung eines Atomkriegs, 22. Juni 1973
- Unterzeichner: USA, UdSSR
- wechselseitige Konsultation bei Kriegs-gefahr
SALT II
18. Juni 1979
- Unterzeichner: USA, UdSSR
- nicht ratifiziert!
- numerische & qualitative Beschränkungen bei nuklearen Trägersystemen

Die Rüstungskontrollpolitik wurde hauptsächlich bilateral zwischen den USA und der UdSSR betrieben. Versuche einer Multilateralisierung scheitern hauptsächlich am französischen Bestreben nach Atomwaffen und deutschen Festhalten am Junktim zwischen Abrüstung und deutscher Frage. Hinzu kommt die Befürchtung der Westeuropäer, dass der Dialog der Supermächte auf ihre Kosten geht, falls es zu einer den NATO-Doktrinen entsprechenden massiven Vergeltung kommt, die hauptsächlich auf europäischem Boden stattfinden würde. Deswegen drängten die Westeuropäer auf eine Doktrinänderung der NATO, die 1968 in flexible response ihren offiziellen Niederschlag findet. 1967 sprach sich der belgische Außenminister Harmel im gleichnamigen Report für einen konstruktiven Dialog mit dem Osten aus, der Abrüstungsverhandlungen beinhaltet. Gleichzeitig sollte in der NATO eine nukleare Planungsgruppe eingerichtet werden, die Empfehlungen aussprechen darf und so die Forderung nach nuklearer Beteiligung auffing. Dass man sich auch in Überlegungen zum Einsatz der Atomwaffen inzwischen zurückhielt, zeigt auch der Vietnamkrieg. Dieser war seit Mitte der 1960er Jahre eskaliert. Die bisweilen von Militärs erhobene Forderung zum Einsatz von Atomwaffen wurde auf Präsidentenebene nie auch nur erörtert und kategorisch abgelehnt. Dafür gibt es zwei Gründe neben der Vergeltungsangst: man empfand es als politisch ineffizient (Imageverlust durch Hiroshima-Trauma und Imagegewinn der SU) und moralische Motive spielten ebenfalls eine Rolle.

Bundeskanzler Schmidt 1977
In den 1970er Jahren erreichte die Rüstungskontrolle mit den SALT (Strategic Arms Limitation Talks) ihren Höhepunkt. Die SALT-Verträge waren jedoch keine Abrüstungsverträge. Vielmehr dienten sie der Rüstungskontrolle. Interessant ist in diesem Zusammenhang der ABM-Vertrag. Dieser macht die Logik des Rüstungswettlaufs offensichtlich, da er die Anti-Raketen-Raketen begrenzt. Man kam von der Logik der 1950er Jahre ab, so viele Raketen anzuhäufen, dass man den anderen vernichten kann. Vorherrschend ist nun MAD, die "Mutually Assured Destruction", die vom Start eines Krieges abschrecken soll. Auch wenn SALT-II von den USA nicht mehr ratifiziert wurde, hielt man sich doch mehr oder minder daran. Die Entspannungs- und Rüstungskontrollpolitik jedoch endete Ende der 1970er Jahre effektiv mit dem Regierungsantritt von Thatcher und Reagan. Auch die SU versuchte, ihre eigene Position zu verbessern, was sich besonders deutlich am Einmarsch in Afghanistan zeigt. Durch die Aufstellung der russischen SS-20-Raketen entsteht beim Westen ein neuer Aufrüstungsdruck, der besonders von Helmut Schmidt vorangetrieben wird. Der resultierende NATO-Doppelbeschluss wurde von einem Erfolg bei Verhandlungen abhängig gemacht, der sich jedoch nicht einstellte. Die Entspannungsphase war eindeutig vorbei. 1983 beschloss der Bundestag nach mehreren Tagen erregter Debatten die Aufstellung neuer Raketen. In dieser Zeit wurden auch die Neutronenbomben produziert, die extrem viel Strahlung abgegeben, aber wenig Druck und Hitze. Dadurch wird Infrastruktur nicht beschädigt. Es sind die Neutronenbomben, die einen "Sieg" in einem Atomkrieg wieder möglich zu machen scheinen. 1983 verkündete Reagan zudem den Aufbau der SDI (Strategic Defence Initiative). Diese war ungemein teuer, beim Ziel eines totalen Abwehrschirms gegen feindliche Atomraketen. Damit untergrub SDI neben dem ABM-Vertrag auch die immanente Logik von MAD. Allerdings nahm die SU die Abrüstungsverhandlungen wieder auf, so dass SDI in jedem Fall die Verhandlungsmasse der USA vergrößerte. Der daraus resultierende Vertrag START (Strategic Arms Reduction Talks) enthielt auch erstmals gegenseitige Kontrollmechanismen bei der Reduzierung der Arsenale.

Rüstungskontrolle II

INF-Vertrag
8. Dezember 1987
- Unterzeichner: USA, UdSSR
- Vollständige Abschaffung der Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper mittlerer Reichweite sowie Start-einrichtungen
START I
31. Juli 1991
- Unterzeichner: USA, UdSSR
- Reduzierung der strategischen Nuklear-waffen auf eine gemeinsame Obergrenze
START II
3. Januar 1993
- Unterzeichner: USA, Russische Föderation
- nicht in Kraft getreten!
- weitere Begrenzung von strategischen Waffen

Während die Verhandlungen und Verträge auf der politischen Bühne stattfanden, waren auch die öffentlichen Gesellschaften durch zivilgesellschaftliche Nichtregierungsorganisationen Akteure. Da die Meinungsfreiheit im Osten stark unterdrückt war, kann hierfür nur die Protestbewegung im Westen bis 1960 untersucht werden. Von 1945 bis 1951 gab es eine intensive Bewegung gegen die Atomkraft auf dem Rücken der Hiroshima-Bombe, die um 1954 erneut an Fahrt gewann.

Internationale Bewegungen 1945-1951
Kirchen/Glaubensgemeinschaften
Pazifisten
Ökumenischer Rat der Kirchen (*1948, Amsterdam)
War Resisters’ International (*1921)
Enzyklen „Summi maeroris“ (Juli 1950) und „Mirabile Illud“ (Dezember 1950) Papst Pius’ XII
International Fellowshio of Reconciliation (*1914)
Pax Christi (Bischof P.-M. Théas/1. Int. Kongress 1946)
Women’s International League for Peace and Freedom [WILPF] (*1915/1919)
Buddhistische Assoziation für den Weltfrieden (Indien, China, Japan, *1951)


Wissenschaftler
Föderalisten


World Federation of Scientific Workers [WFSW] (*1946)
World Movement for World Federal Government [WMWFG] (*1947, Montreux)
Informelle Netzwerke, Kooperation FASA

Kommunisten



Kongress von Intellektuellen für den Frieden (Breslau, August 1948)

Weltfriedenskongress (Paris 1949)

Weltfriedensrat (Warschau 1950)

Stockholmer Apell (1950)

Die pazifistischen Organisationen wurden besonders durch den Zweiten Weltkrieg stark geschwächt, einerseits durch die Unterdrückung durch die Deutschen, andererseits durch ihr Hintenanstellen pazifistischer Tugenden für den Kampf gegen den Faschismus. Die kirchlichen Organisationen waren stark differenziert. Die Quäker etwa waren schon immer sehr pazifistisch ausgerichtet und unterhielten starke Netzwerke. Der ökumenische Rat dagegen konnte sich nicht zu einer generellen Verurteilung von Atomwaffen und Krieg durchringen, was sich erst ab 1951 mit dem Test der Wasserstoffbombe in evangelischen Kreisen ändert; für die Katholiken gibt es weiterhin „gerechte Kriege“. Papst Pius XII signalisierte bis 1949 Einverständnis mit der amerikanischen Politik; mit der sowjetischen Atombombe änderte sich diese Haltung und er verurteilte die Atomwaffen in den Enzyklien. Daraufhin entstand die bis heute bestehende Pax Christi. Die Föderalisten vertraten die Idee einer Weltregierung, die den nationalen Regierungen übergelagert ist. Diese Idee lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen.

Die One World or none – Weltregierung?

1943
Wndell Willkie: „One World“
1945
Emery Reves: „The Anatomy of Peace“
GB:
National Peace Council Federal Union
Dänemark:
Een Verden
Schweden:
Svenska Arbetsruppen av Världsfederation
Frankreich:
Front Humain des citoyen du monde
Westdtl.
Liga für Weltregierung
Weltstaat Liga

Diese Gruppen formierten sich 1950 zum World Movement for World Federal Government. Diese Bewegung war stark europa- und amerikazentriert, weswegen sie besonders in der Dritten Welt einen schweren Stand hatte.

Die „wahren Internationalisten“ waren jedoch, zumindest im Selbstbild, die Kommunisten. Diese waren, zumindest bis 1953, von der UdSSR durch die Kominform gesteuert. Besonders in Westeuropa fanden sich unter den Kommunisten viele Intellektuelle. Gründe für diese Attraktivität des Kommunismus auf Intellektuelle lagen beispielsweise im raschen Fortschritt der Modernisierung der SU oder der Tatsache, dass die Kommunisten sich als die vorbehaltlosesten Kämpfer gegen den Nationalsozialismus erwiesen hatten. Im Umfeld der verschiedenen kommunistischen Kongresse etablierte sich Picassos Friedenstaube als (kommunistisch besetztes) Symbol für Frieden. Die kommunistischen Aktionen verstetigten sich dann im Weltfriedensrat.

Noch aus den 1920er Jahren hatte sich die Sicht auf die Wissenschaftler als "geistige Arbeiter" erhalten, was die Wurzel für eine internationale Vernetzung und Zusammenarbeit legte, die 1946 die Pflanze WFSW hervorbrachte. Diese wissenschaftlichen Verbände kooperierten gern und häufig mit den Föderalisten. Außerdem gab es nationale Wissenschaftlerverbände, die sich gegen die Atomkraft formierten:

USA
GB
November 1945
Federation of Atomic Scientists à (Dez) Federation of American Scientists (FAS)
Association of Scientific Workers (1918/27)
Dezember 1945
Bulletin of the Atomic Scientists
Association of Atomic Scientists (AAS) (1945)
Mai 1946
Emergency Committee of Atomic Scientists (ECAS)
John Rotblat, Patrick Blackett, John D. Bernal, E.H.S. Burhop
J. Robert Oppenheimer
Leo Szilard
Eugenme Rabinowitsch


Frankreich

Association Francaise des Travailleurs Scientifiques (1920)

Frédéric Joliot-Curie
Diese rekrutierten sich besonders gerne aus den Reihen der Mitarbeiter des Manhattan Projects, die zu schärfsten Kritikern ihres Kindes wurden. Fast 90% der Mitarbeiter des Manhattan Project waren in der FAS organisiert. Sie war es auch, die die Doomsday Clock erfand und aktualisierte. Gänzlich neu war die Entwicklung dieser Übernahme ethischer und politischer Ziele durch die traditionell unpolitischen Naturwissenschaftler. Besonders in den neugegründeten Instituten übernahmen sie Schlüsselrollen und hofften darauf, dass sie wegen ihrer Nähe zu Regierungskreisen erheblich Einfluss nehmen und die Abrüstung vorantreiben könnten. Das war furchtbar naiv. Sehr schnell verliefen sich alle Hoffnungen im Sande; Anfang der 1950er war klar, dass das Anliegen der Physiker gescheitert ist. Dazu kommt, dass die Regierungen ganz massiv die Reisemöglichkeiten der Wissenschaftler, besonders in den Osten, erschwerten. Auch hatten die Atomgegner bald ein dezidiert linkes Image, was zu dieser Zeit alles andere als progressiv war. Die gesamte Protestbewegung flaute um 1951 ab, besonders wegen der Verhärtung der ideologischen Fronten durch den Koreakrieg. Im Rahmen der McCarthy-Hexenjagd wurden zudem viele der progressiven Wissenschaftler aus ihren Posten entfernt.

Einstein und Oppenheimer
Im März 1954 fand der zweite US-Test einer Wasserstoffbombe auf dem Bikini-Atoll statt, der außer Kontrolle geriet und deutlich stärkere Sprengwirkung zeigte als beabsichtigt. Das japanische Fischerboot „Lucky Dragon No. 5“, das außerhalb der Sicherheitszone fischte und stark kontaminiert wurde, hielt bald die Öffentlichkeit aller Länder in Atem. Im September starb der erste der Fischer an der radioaktiven Verstrahlung. Besonders für die Japaner war die Frage nach einer Kontamination der Fische wichtig. Dieser Vorfall gab den Impuls für eine Neuformierung internationaler Proteste. Die Erfahrung dieses "Bravo-Tests" führte zum Verlust der bisherigen Sorglosigkeit im Umgang mit Atomwaffen. Auch in der SU kam es zu einer vergleichbaren Entwicklung; der Vater der sowjetischen Wasserstoffbombe wurde zum Dissidenten und protestierte gegen Atomwaffen und für Menschenrechte. In der Folgezeit kam es zu einer Flut von Prominentenerklärungen. Die drei Wichtigsten sind die Russel-Einstein-Erklärung vom 9.7.1955, die Mainauer-Erklärung vom 15.7.1955 und die Erklärung Albert Schweitzers vom 23.4.1957 sind.

1957 kam es dann zur ersten Pugwash-Konferenz in Kanada, ebenfalls von Wissenschaftlern. Im Januar 1957 wurde die Campaign for Nuclear Disarmament gegründet, ebenfalls stark von Labour und Intelligenz durchsetzt. Die CND schuf die Ostermärsche, die bereits vier Jahre später 150.000 Teilnehmer aufwiesen. Sie ist dabei sehr bürgerlich und gesittet, und bald wurde die Frage gestellt, ob diese auf das Parlament vertrauenden Formen des Protests vernünftig sein konnte. Auch unter Einfluss Ghandis wurden extremere Formen wie Sit-Ins ausprobiert. Durch diese Segregation aber wurde der CND geschwächt. Der "große Ostermarsch" war der Zenit, und 1964 fand der vorläufig letzte statt. In der BRD versuchten die Wissenschaftler aus egoistischen Motiven (Atomforschung war verboten) eine Festlegung auf Atomwaffenverbote zu erreichen, um an der zivilen Nutzung weitermachen zu können. Ein Versuch der Organisation über Plebiszite wird vom BVerfG kassiert. In den USA wurde nach dem Muster des CND die SANE (Committee for a Sane Nuclear Policy, als Gegensatz zu MAD) gegründet. Eine ihrer bekanntesten Aktionen war der Versuch, mit dem Schiff „Golden Rule“ in das Testgebiet einzubrechen; dieser und ähnliche Versuche scheitern aber. Auch diese Kampagnen erschöpfen sich Anfang der 1960er Jahre.

B-52 Bomber über Vietnam
Was aber sind die Gründe für das Abflauen der Kampagnen? Zum einen ist sicherlich ein Grund, dass die Tests zu Beginn der 1960er Jahre gestoppt wurden und damit ein wichtiges Ziel erreicht worden ist. Zum zweiten wurden die Bewegungen aufgesaugt, beispielsweise von der Labour-Party. Zum dritten kam es zu einer Verlagerung; das Problem Nukleare Rüstung an sich tat bald in den Hintergrund, die Friedensbewegung richtete sich ab 1964 immer stärker auf den Vietnamkrieg aus. Zum vierten verschob sich die Basis des Protests; die bürgerlichen Formen erschöpften sich und wurden, wie 1968, von radikaleren Formen verdrängt. Die bürgerliche Klientel zog sich also mehr und mehr zurück, nahm aber traditionell als Osterspaziergang noch am Ostermarsch teil. Zum fünften begann die Angst vor dem Atomtod zu verpuffen. Letztlich aber hat der Atomprotest eine große Wirkung gehabt, besonders für die BRD, wo er eine kritische Öffentlichkeit überhaupt erst schuf und auch eine Wegentwicklung vom Idealismus zu konkreten Vorstellungen hin bewirkte.

Bildnachweise: 
Castle-Bravo - US Department of Energy (gemeinfrei)
Eisenhower - White House (gemeinfrei)
Kuba - National Archives (gemeinfrei)
Reichweite - JFK Presidential Library and Museum (gemeinfrei)
Schmidt - Jack E. Keightlinger (gemeinfrei)
Einstein - US Defense Department (gemeinfrei)
B52 - USAF (gemeinfrei)

2 Kommentare:

  1. Danke für den Artikel,

    die Geschichte des Atomzeitalters hat für mich als Naturwissenschaftler einen gewissen Referenz-Charakter in der Frage wie man sich als Wissenschaftler in politisch Fragen verhalten soll.

    Als (humanistischer) Naturwissenschaftler kann man keine Philosophie als Magd der Religion oder eine Geisteswissenschaft als Hure der Politik gut heißen. Leider genügt bei vielen naturwissenschaftlichen Kollegen die Bildung nicht um unabhängige Geisteswissenschaft / Philosophie von Propaganda trennen zu können, gleichzeitig lassen sie sich zur Sklaven der Wirtschaft degradieren.
    Ebenfalls eine Entwicklung die ich als Naturwissenschaftler und Humanist ablehnen muss.

    Es bleibt also die Frage wie man als Wissenschaftler
    (egal welcher Richtung) politisch Aktiv werden sollte,
    ohne seiner Rolle als Wissenschaftler nicht mehr gerecht zu werden.
    Momentan sehe ich (in Deutschland) eine gesellschaftliche und politische Entwicklung, die der Institution Wissenschaft als möglichst objektive Quelle der Erkenntnis langfristig schadet.

    Nun denn ich bin gespannt auf den letzten Teil dieser Serie. Wenn es z.b.: (furchtbar) naiv ist nähe zu Regierungskreisen herzustellen um politisch Einfluss nehmen zu können, welche alternativen hat man dann als Wissenschaftler? Als solcher steht einem erst mal im wesentlichen nur saubere und intellektuell redliche Argumentation als Mittel zur Verfügung. Auch wenn ich absolut ein Vertreter der (meisten) Ideen der Aufklärung bin, kann man doch insbesondere aus Sicht der Geschichtswissenschaften der Ansicht sein, das der uneingeschränkte Öffentliche Gebrauch der Vernunft (nach Kant), nur eine Notwendige aber sicherlich keine Hinreichende Bedingung ist, um die Gesellschaft in Richtung Aufgeklärtheit zu bewegen.
    (Sofern man diese Ziel als Wissenschaftler überhaupt teilt. Nicht bei jedem Kollegen bin ich mir da sicher.)

    Beste Grüße,
    Eike Scholz

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  2. Sehr schöner Artikel, was allerdings unbedingt noch fehlt, ist die Begrifflichkeit der gesicherten Zweitschlagskapazität, die hier unbedingt noch Eingang finden sollte.
    Gruß Jan

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