Von Stefan Sasse
Statue eines rev. Matrosen in Berlin "Wenn die Deutschen Revolution machen und einen Bahnhof stürmen wollen,
dann kaufen sie vorher eine Bahnsteigkarte." - Lenin
Das obige Zitat Lenins wurde vielfach verwendet, um die Bemühungen deutscher Revolutionäre zu karikieren und ihnen die generelle Fähigkeit zur Revolution abzuerkennen. Dabei ist es wenn nicht falsch, so doch zumindest nur eingeschränkt richtig. In der Revolution von 1918/19, die man früher noch als "Novemberrevolution" bezeichnete - ein Begriff, der wegen seiner Unschärfe und Nähe zur Dolchstoßlegende vermieden werden sollte - zeichneten sich Deutsche als Revolutionäre mit großem Realitätssinn wie auch mit Visionen aus. Dass sie heute verschämt verschwiegen wird, dass man ihr nur selten gedenkt und sie allgemein als eine verfehlte Revolution einordnet ist verständlich, denn lange galt sie als Inbegriff des Verrats der "Novemberverbrecher", nach dem Zweiten Weltkrieg verstellte der beginnende Kalte Krieg eine objektive Sicht auf die Dinge. Es soll deswegen der Versuch gemacht werden, eine Darstellung der Revolution aus dem Blickwinkel heutiger Forscher heraus zu geben und die Geschichte dieser Revolution zu erzählen, die mit hehren Zielen angetreten, von ihren eigenen Eltern verraten im Feuer der entfesselten rechtsextremen Soldateska unterging.
Um zu verstehen, was in den Monaten vom Oktober 1918 bis Januar 1919, als die größten revolutionären Eruptionen das Reich erschütterten geschah, müssen wir einen Blick zurück in das Jahr 1914 werfen. Der Erste Weltkrieg begann, und der Kaiser kannte "keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche". Die SPD-Fraktion beschloss, von ihrer bisherigen Opposition im Reichstag abzuweichen und stattdessen staatstragend die Kriegskredite zu bewilligen, die das Reich zur Führung des Krieges benötigte. Damit zeigte sich in der SPD ein Riss, wie er spätestens seit dem Revisionismusstreit bestanden hatte und nur notdürftig überdeckt worden war: Große Teile der Parteispitze wollten die Integration in das kaiserliche Deutschland und parlamentarisch legitimierte Reformen. Sie sahen sich diesem Ziel durch das Angebot des Kaisers, das Land gemeinsam durch den Krieg zu bringen, deutlich näher als je zuvor. Dies beruhte auf einer geschickten Täuschung, indem man Russland als den Aggressor hingestellt hatte, was es der dem Zarenregime äußerst feindlich gegenüber eingestellten Sozialdemokratie erlaubte, sich trotz des pazifistischen und internationalistischen Programms zu den deutschen Kriegsanstrengungen zu bekennen.
Friedrich Ebert 1923 |
Bereits 1914 gab es Kritik seitens des linken Flügels der SPD, namentlich der im Krieg dann lange Zeit inhaftierten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Beide beugten sich allerdings der berühmten SPD-Parteidisziplin. Bereits im Dezember 1914 zeigte sich der Riss, als Liebknecht die Annahme der nächsten Kredite verweigerte, und 1917 spaltete sich die Partei in Mehrheits- und Unabhängige Sozialdemokratie. Man kann nicht verstehen, welchen Gang die Ereignisse 1918/19 nahmen, wenn man nicht die Geisteswelt von Friedrich Ebert versteht. Er kannte das Reich, und nur das Reich. Die Integration der Arbeiterbewegung in dieses Reich, ihre Aussöhnung mit der Bourgeoisie war sein Herzensanliegen, ein parlamentarisches System, in dem Mehrheitsentscheidungen zum Wohle der Allgemeinheit fielen sein Traum. Linke Sektiererei oder - nach der Oktoberrevolution in Russland - gar Bolschewismus und "Räteunwesen" musste diesen Traum zerstören oder doch zumindest den bisherigen Fortschritt auf Jahre hinaus zunichte machen.
Für die Linke war das alles Verrat an der Bewegung und der Idee. Nur eine Revolution konnte die Befreiung von den Fesseln bringen, eine Zusammenarbeit mit den Bürgerlichen unmöglich. Im Kapitalismus sahen sie kein Biest, das gezähmt werden musste, sondern eine Chimäre, die es zu erschlagen galt. Der gesamte Krieg erschienen ihnen Ausdruck des Imperialismus', der aus dem Kapitalismus geboren war. Was beide Seiten aber einte war ihre Überzeugung, dass eine Revolution in Deutschland nicht wahrscheinlich noch angebracht war. Die Rechten waren der Überzeugung, eine Revolution sei in einem entwickelten Industriestaat wie Deutschland überhaupt nicht zu machen; die Linken erkannten, dass es keine Mehrheit für ihre Ziele gab und noch viel Vorbereitung und Agitation bedurfte. Als die Revolution dann kam, überraschte sie beide und spülte über sie hinweg. Wer auch immer danach schneller wieder auf die Füße kommen würde, konnte der Revolution seinen Stempel aufdrücken.
Als die deutsche Michaels-Offensive im Sommer 1918 gescheitert war, war der Krieg militärisch nicht mehr zu gewinnen. Jeden Tag wurde das Übergewicht an Menschen und Material aus den USA drückender, und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Alliierten die zurückweichenden Linien vollständig durchstoßen würden. Diese Zeit aber konnte von wenigen Monaten bis einem dreiviertel Jahr reichen - so genau wusste das niemand. General Ludendorff jedoch, der die letzten zwei Jahre Deutschland als effektive Militärdiktatur geleitet hatte, erklärte der verblüfften Reichsregierung am 27. September, man müsse "sofort" um Waffenstillstand nachsuchen, da die Front keine 24 Stunden mehr gehalten werden könne. Alles müsse akzeptiert werden. Gleichzeitig legte er den Keim für die spätere Dolchstoßlegende, als er verkündete, nun "müssten sie [die Parlamentarier] die Suppe auslöffeln, die sie uns eingebrockt haben". Der Schock saß tief; bislang waren aus der OHL (Oberste Heeresleitung) stets nur gute Nachrichten nach draußen gedrungen. Trotzdem erklärte sich die MSPD bereit, in die Regierung einzutreten und damit dem Reich den von Ludendorff ebenfalls geforderten demokratischen Anstrich zu geben. Man wollte "das Vaterland nicht im Stich lassen". Dass das Vaterland später die SPD im Stich lassen würde ist eine Ironie der Geschichte.
Woodrow Wilson, Präsident der USA 1913-1921 |
Die Verhandlungen mit Wilson zogen sich zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei Wochen hin. Die Soldaten waren unruhig. Noch immer starben, trotz der weitgehenden Ruhe an der Front, jeden Tag Soldaten. Man wollte endlich nach Hause. Der Krieg war doch vorbei! Die Stimmung seiner Matrosen, die der der Soldaten glich völlig verkennend, befahl Admiral Hipper eigenmächtig am 24. Oktober, die Flotte zu einem letzten, heroischen Gefecht gegen England zu schicken. Das wäre der sichere Untergang der Flotte gewesen, hätte tausende von Leben gekostet und sicherlich die Entente so erbittert, dass die Waffenstillstandsverhandlungen deutlich erschwert oder gar abgebrochen worden wären. Hippers Akt war also offene Meuterei. Dass er nie dafür auch nur angeklagt wurde, ist ein weiterer der vielen Geburtsfehler Weimars.
Vorläufig allerdings war davon noch nichts zu spüren. Stattdessen begann es auf den Schiffen zu gären, wo die Matrosen begreiflich wenig Lust hatten, für die Sache Admiral Hippers und den Ruhm der deutschen Hochseeflotte zu sterben, wo das Ende so nah war. Meutereien begannen, und die Marineleitung musste ihren Schlachtplan fallen lassen. Die Meuterer stellten sich dabei bereits auf das Bewusstsein, im Sinne der Regierung zu handeln - was so falsch ja nicht wahr. Die Marineleitung verlegte daraufhin die meuternden Schiffe von Wilhelmshaven nach Kiel und verhaftete die Rädelsführer. Doch in Kiel wurde die Sache noch viel virulenter: nachdem die Offiziere sich weigerten, eine Abordnung der Matrosen anzuhören, wandten sich diese an Gewerkschaften, MSPD und USPD. Bald demonstrierten die Matrosen unter der Losung "Frieden und Brot" und Anleitung von Gewerkschaftlern und USPD-Funktionären. Nachdem eine Patrouille einige Matrosen erschossen hatte, wurde aus dem Protest ein Aufstand. Am 4. November befanden sich bereits Matrosen in der Stadt, Demonstrationen fanden bei den Kasernen statt. Die ersten Soldatenräte bildeten sich und brahcten die Stadt bis zum Abendu nter ihre Kontrolle.
Gustav Noske (rechts) |
Bis zum 23. November sollten alle anderen Fürsten ihm folgen. Warum aber brachen die deuschen Monarchien, die ja aus einer jahrhundertelangen Tradition stammten, derart geräusch- und widerstandslos ab? Vermutlich hat dies mit den Widersprüchen des eigenen Selbstbilds zu tun. Man sah sich immer noch gerne als den Souverän, allmächtig und absolut. In der Realität war man es längst nicht mehr. Die Reaktion des sächsischen Monarchen auf die Forderung nach der Abdankung durch die Arbeiter- und Soldatenräte ist deswegen exemplarisch: "Macht euren Dreck doch alleine!" So glanzlos endete die deutsche Monarchie im November 1918, eine Institution, der selbst die Rechten bald keine Träne mehr nachweinten. Sie hatte sich überlebt.
In der Zwischenzeit jedoch konnten die Räte nicht nur die Monarchien überwerfen; auch die allmächtigen militärischen Zentralkommandos, die unter Ludendorff das Leben der Menschen beherrscht hatten, wichen praktisch widerstandslos. Große Teile der Verwaltung befanden sich bald in der Hand der Revolutionäre. Diese ließen die zivile Verwaltung praktisch unangetastet, nahmen keine Beschlagnahmungen oder Enteignungen vor, führten keine Prozesse. Die Revolution im November war wohl die geordnetste, die es jemals gab. Das lag daran, dass die Räte glaubten, damit den Willen der Regierung auszufüllen, ihr gewissermaßen entgegenzuarbeiten. Diese jedoch verkannte die Lage. Obwohl die MSPD durch die Räte erstmals auf lokaler Ebene ein echtes Machtinstrument in die Hand bekam, hielt sie sie für ein störendes Element, das drohte, alles Erreichte wieder zu zerstören. Ebert war der Überzeugung, dass der Machtwechsel, den die Räte gerade schufen, bereits vollzogen sei! Parlamentarische Mehrheiten müsse die SPD künftig quasi zwangsläufig erreichen und so alles auf dem parlamentarischen Weg umsetzen können, mit den alten Mächten, nicht gegen sie. Er sah sich ja selbst integriert, als einen Teil eben dieser Mächte. Die MSPD war in seinem Verständnis, nicht zu Unrecht, eine "Reichspartei". Die Räte und ihre Revolution schienen ihm deswegen auch gegen die MSPD gerichtet. Er sollte sich bitter täuschen.
Flucht Wilhelm II. |
Die Menge war seiner Kontrolle bereits entglitten. Obwohl der "Vorwärts" einen Aufruf nach dem anderen, friedlich und in den Häusern zu bleiben, veröffentlichte, sammelten sich Menschenmassen in den Straßen. Karl Liebknecht, einen Tag zuvor aus dem Gefängnis entlassen, gründete den linken Spartakusbund und rief, nur Stunden nach Philipp Scheidemann, die deutsche Republik aus - ein bedeutungsloser Akt, der in den Geschichtsdarstellungen beständig überschätzt wird. Deutlich wichtiger war das Angebot Eberts an die USPD, in die Regierung einzutreten. Dazu kam es freilich nicht mehr, einmal mehr wurden die Akteure von den Ereignissen überrollt. Einer der wenigen organisiert revolutionären Akte fand am 8. November statt: die "Revolutionären Obleute" riefen allgemeine Wahlen für Arbeiter- und Soldatenräte für den 9. November aus, aus denen dann der "Rat der Volksbeauftragten" hervorgehen sollte. Damit rissen sie für kurze Zeit das Heft des Handelns an sich.
Mitgliedskarte des Vollzugsrats für Obmann Emil Barth |
Die Obleute riefen also zur Räteversammlung auf, die im Circus Busch stattfinden solle. Dort sollte der Rat der Volksbeauftragten geschaffen und so die Kanzlerschaft Eberts verhindert werden. Doch Ebert erfuhr von diesen Plänen. Er sah nur eine Chance, sie noch zu verhindern: indem er sich selbst an die Spitze stellte, also im Großen das tat, was Noske in Kiel im Kleinen getan hatte. Ebert brachte große Teile der frisch gebildeten und deulich der MSPD denn der USPD zuneigenden Soldatenräte bereits früh in den Circus, die so die vorderen Reihen besetzten (die Arbeiterräte konnten erst nach Feierabend kommen) und damit die Diskussion maßgeblich mitbestimmen konnten. Die Obleute beschlossen daraufhin, möglichst unauffällig die Schaffung eines "Aktionsausschusses" durchzuboxen, der die Volksbeauftragten kontrollieren und auch selbst Gewalten innehaben sollte. Doch der Plan misslang zu Teilen; wie der Rat der Volksbeauftragten war auch der Akttionsausschuss paritätisch mit MSPD und USPD Mitgliedern besetzt. Da die Reichsadministration alleine Ebert und nicht dem im Rat der Volksbeauftragten formell gleichberechtigten USPD-Vorsitzenden Hugo Haase zuarbeitete, war die Machtfrage eigentlich bereits vor dem 10. November, an dem das berühmte Telefonat zwischen Ebert und General Groener stattfand, entschieden.
Bekanntmachung vom 12. November |
Doch nicht nur die MSPD kooperierte mit den alten Eliten: auch die Gewerkschaften taten es. Carl Legien unterzeichnete am 12. November ein Abkommen mit Hugo Stinnes und Carl Siemens, in dem die Gewerkschaften das Ende der wilden Streiks und einen geordneten Produktionsablauf sowie die bisherigen Eigentumsverhältnisse garantierten. Im Gegenzug erhielten sie den Acht-Stunden-Tag und die formelle Anerkennung der Gewerkschaften als Verhandlungspartner. Damit waren die Räte praktisch entmachtet. Ebenfalls am 12. November veröffentlichte der Rat der Volksbeauftragten sein Regierungsprogramm. Belagerungszustand und Zensur wurden aufgehoben, die Gesindeordnung abgeschafft, das allgemeine Wahlrecht auch für Frauen eingeführt. Sozial- und Unfallversicherung wurden ausgeweitet. Außerdem führte die Sozialisierungskommission bald die Betriebsräte ein.
Doch die wenn auch reibungsvolle Zusammenarbeit mit Räten und Regierung beseitigte nicht die grundlegende Furcht, die Ebert und andere hatten. Von den Ereignissen in Russland traumatisiert, glaubten sie in der Spartakusbewegung eine gleichgeartete Gefahr zu erkennen. Das allerdings war, wie wir heute wissen, nie der Fall. Der Spartakusbund war klein und zerstritten und besaß keine Massenbasis. Er war nie ein Instrument der Revolution und wollte es auch nicht sein; Luxemburg verkündete selbst, dass die Deutschen noch nicht bereit seien, dass die Revolution noch nicht kommen könne. Aber es war zu spät. Ebert hatte sich bereits entschlossen, die Räte gewaltsam aufzulösen. Noch vor dem am 16. Dezember anberaumten Reichsrätekongress sollte das Militär, das nach Unterzeichnung des Waffenstillstands abmarschierte, die Räte auflösen. Doch dazu kam es nicht, denn die Soldaten waren nicht mehr zu kämpfen bereit.
Reichsrätekongress 1918 |
Doch entsprechende Stimmen verhallten ungehört. Das Militär, obrigkeitsstaatlich geprägt, blieb fast ausschließlich in der Hand derer, die es bereits all die Jahre zuvor geführt hatten. Nur eine einzige Einheit war stramm republikanisch, die Volksmarinedivision, die in Kiel gebildet und mittlerweile nach Berlin verlegt worden war. Diese hatte sich strikt geweigert, am 6. Dezember gegen die Räte anzutreten. Gerade diese Loyalität aber brachte sie nun bei Ebert in Misskredit: allgemein befürchtete man, die Volksmarinedivision sei spartakistisch unterwandert und stellte sich deshalb gegen sie. Um eigenes Militär zu haben, begann die SPD den Aufbau der Freikorps zu legitimieren, die aus rechten Frontsoldaten gebildet wurden, die nicht nach Hause gehen wollten oder konnten. Die Freikorps verstanden sich als Kern einer neuen Armee, waren oft antirepublikanisch oder allenfalls neutral eingestellt und teilweise bereits durch Abwehrkämpfe gegen die Rote Armee im Baltikum ideologisch vorbelastet.
Volksmarinesoldaten bei Kämpfen im Schloss |
Diese militärische Niederlage verwandelte sich für die MSPD jedoch innerhalb weniger Tage in einen politischen Sieg. Die Regierungstruppen lösten sich faktisch auf, und große Teile integrierten sich in die neuen Freikorps, die der Regierung ergeben schienen. Die Volksmarinedivison konnte ebenfalls schnell politisch neutralisiert werden. Als Reaktion auf die Geschehnisse riefen die revolutionären Obleute zu einer Großdemonstration auf, und die USPD - mit der Ebert ohnehin nur widerwillig unter Druck der revolutionären Ereignisse paktiert hatte - trat in einem Anfall politischer Blindheit aus dem Rat der Volksbeauftragten aus. Für die MSPD war es ein leichtes, sich als Verteidiger der Ordnung gegen bolschewistische Umtriebe darzustellen. Die USPD fiel ab sofort als Korrektiv in der Regierung vollständig aus.
Barrikadenkämpfe in Berlin, Januar 1919 |
Die Ruhe endete am 5. Januar. Zehntausende demonstrierten und füllten die Straßen. Anlass war die Entlassung des Polizeipräsidenten Eichorn (USPD) durch die MSPD-Regierung, doch niemand hatte mit einem solchen Echo gerechnet. Die Demonstration verlief weitgehend friedlich. Lediglich einige Bahnhöfe und Zeitungsredaktionen (wie der Vorwärts) wurden besetzt. Die Menschen, die sich dabei versammelten, waren dieselben wie zwei Monate zuvor. Sie wollten nun die Einlösung dessen, was vorher versprochen worden war. Von einer Umgestaltung des Landes nach der sozialdemokratischen Programmatik war schließlich noch nichts zu sehen; noch immer hielten die Anhänger des alten Regimes die Fäden in der Hand. Der Revolutionsausschuss rief für den nächsten Tag zu einer neuen Demonstration auf, der noch mehr Menschen folgten. Die revolutionären Obleute versuchten ein letztes Mal, den Sturz der Regierung Ebert zu betreiben. Doch nicht einmal die Volksmarinedivision stellte sich die Seite des dilettantisch geplanten Aufstandsversuchs, und er implodierte teilweise noch bevor er richtig begonnen hatte. Ebert akzeptierte taktisch geschickt ein Vermittlungsangebot der USPD, ließ die Verhandlungen am 8. Januar scheitern und ab dem 9. Januar die in Berlin stationierten Truppen gegen die Aufständischen vorgehen.
Rosa Luxemburg (rechts) |
In Deutschland gab es noch weitere Aufstände, doch Berlin war damit erst einmal befriedet, ehe es zum Schauplatz der blutigen Niederschlagung des Generalstreiks und dann der Gegenrevolution werden sollte. Am 19. Januar fanden planmäßig die Wahlen zur Nationalversammlung statt, die in Weimar tagte (in Berlin war es ihr zu unruhig) und dort bis Sommer die Weimarer Reichsverfassung ausarbeitete. Während die Revolution in Sachsen, Hamburg und München noch blutig niedergeschlagen wurde, begann in Deutschland die Debatte um den "Schandfriede von Versailles" die Stimmung zu vergiften. Die SPD hatte ihre historische Chance fahren lassen. Sie sollte nie wieder kommen. Ihre falschen Freunde würden sie bereits ein Jahr später schmählich verraten, wie sie 1918/19 die ihren verraten hatte. Wenn in der französischen Revolution diese ihre Kinder fraß, so muss man das geflügelte Wort für die deutsche Revolution von 1918/19 umdrehen: hier fraß nicht die Revolution ihre Kinder, sondern die Eltern die Revolution. Die Revolution sollte die deutsche Entwicklung der Weimarer Republik als schwere Hypothek belasten. Es ist dies die Niederlage der SPD, die nicht willens war zu sehen, wer ihre Freunde und wer ihre Feinde waren.
Weiterführende Literatur:
Volker Ullrich - Die deutsche Revolution 1918/19
Eduard Bernstein - Die deutsche Revolution 1918/19
Alexander Gallus - Die vergessene Revolution 1918/19
Eduard Bernstein - Die deutsche Revolution 1918/19
Alexander Gallus - Die vergessene Revolution 1918/19
Bildnachweis:
Statue - Vattkoppa (gemeinfrei)
Ebert - unbekannt (gemeinfrei)
Wilson - Pach Brothers (gemeinfrei)
Noske - Gircke, W. (gemeinfrei)
Wilhelm II Flucht - unbekannt (gemeinfrei)
Emil Barth Karte - unbekannt (gemeinfrei)
Bekanntmachung - unbekannt (gemeinfrei)
Kongress - unbekannt (gemeinfrei)
Volksmarinedivison - unbekannt (gemeinfrei)
Rosa Luxemburg - anonym (gemeinfrei)
Wilson - Pach Brothers (gemeinfrei)
Noske - Gircke, W. (gemeinfrei)
Wilhelm II Flucht - unbekannt (gemeinfrei)
Emil Barth Karte - unbekannt (gemeinfrei)
Bekanntmachung - unbekannt (gemeinfrei)
Kongress - unbekannt (gemeinfrei)
Volksmarinedivison - unbekannt (gemeinfrei)
Rosa Luxemburg - anonym (gemeinfrei)
Sehr geehrter Herr Sasse,
AntwortenLöscheneine schöne Seite, gerne gelesen. Ad hoc: Es muss Kanzler Hertling heissen, bei Namen ist auf Korrektheit besonders zu achten. Hinweis: Das Bild mit der Bildunterschrift "Reichsrätekongress 1918" wird nicht angezeigt.
Mit freundlichem Gruss
Heike Liesegang
Ich korrigiere den Namen. Bei den Bildern ist das Problem, dass das nur Bildlinks sind - wenn die Originalquelle entfernt wird, fliegt das auch hier raus. Und bei den alten Artikeln kann ich leider nicht regelmäßig prüfen, ob die Bilder noch da sind.
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