Dienstag, 14. September 2010

Die rechtlichen Grundlagen des Prinzipats, Teil 1/2

Von Stefan Sasse

Augustus als ewig Jugendlicher
Das Prinzipat des Augustus beendete eine mehrhundertjährige Epoche der römischen Republik. Ihm vorangegangen war fast ein Jahrhundert der römischen Krise, in dem die Republik von Bürgerkriegen, politischen Unruhen und Usurpatoren erschüttert wurde. Der Wandel der politischen Institutionen in dieser Zeit ließ den Senat, das Zentrum der politischen Macht und des gesellschaftlichen Lebens einer kleinen Oberschicht, immer wieder vor schweren Herausforderungen stehen, und auch das immer wachsende römische Imperium brachte für die traditionell kurzen „Legislaturperioden“ der römischen Ämter immer größere Herausforderungen mit sich.

Bereits die Militärreformen des Marius und die folgende Diktatur Sullas hatten die Republik tiefgreifend verändert, doch genauso wie nach den gescheiterten Reformen der Gracchen war man danach zu einem immer stärker erschütterten status quo ante zurückgekehrt. Die letzte Herausforderung, der sich die alteingesessenen Senatoren stellen mussten, war der Aufstieg Cäsars. Es sollte auch gleichzeitig die größte Bedrohung werden und eine, von der der Senat sich nicht mehr erholen sollte. Der Scheinsieg nach der Ermordung Cäsars führte direkt in den nächsten Bürgerkrieg, aus dem Octavius nach nur drei Jahren siegreich über die letzten Verteidiger der Republik triumphierte und später auch seinen Kampfgenossen Antonius niederwarf.

Das Beispiel des ermordeten Cäsar vor Augen, war sich der junge Octavius allerdings vollständig darüber im Klaren, dass er eine andere Methode der Herrschaftssicherung anstreben musste als sein gescheiterter Großonkel. Seine Methode, die Erschaffung des Prinzipats, sollte sich dabei als erfolgreicher und langlebiger erweisen, als es die kurzfristigen Regime bisheriger Herrscher getan hatten und den Tod des Octavius deutlich überdauern.

Im folgenden Artikel sollen fünf Themenkomplex besprochen werden. Der erste, „Grundlegende Problematik des Augustus“, befasst sich mit der Ausgangssituation nach der Seeschlacht von Aktium und der faktisch bestehenden Alleinherrschaft Octavius‘, der zu diesem Zeitpunkt gezwungen war, einen Übergang vom bestehenden Bürgerkriegszustand in einen friedlichen Zustand zu verwirklichen. Im zweiten Komplex, „Legitimierung der Alleinherrschaft“, soll besprochen werden, wie es Augustus gelang die eigene Herrschaft in die politischen Traditionen der römischen Republik einzubinden und dadurch zu legitimieren, eine Aufgabe, die durch das Vorbild Cäsars nur allzu deutlich als ungelöst vor Augen stand.
Im zweiten Teil dieses Artikels werden drei weitere Komplexe abgehandelt. Im Komplex „Machtausübung im Prinzipat“ wird besprochen wie Augustus‘ Prinzipatssystem unter der legitimatorischen Schicht funktionierte. Die Mechanismen der Machtausübung und die tragenden Säulen seiner Macht sollen dabei in den Vordergrund gestellt werden. Der vierte Komplex, „Die Nachfolge im Prinzipat“, befasst sich grundlegend mit der Frage, wie eine Nachfolge überhaupt legitimiert wurde und wie diese vonstattengehen sollte. Dabei wird auch darauf geachtet, wie und ob sich die Machtausübung unter Augustus‘ Nachfolgern ändert. Der fünfte Komplex, „Ausblick auf die weitere Entwicklung“, befasst sich mit der Regierungsübernahme durch Tiberius. Dabei soll besonderes Gewicht darauf gelegt werden, welche Repräsentationsmerkmale Tiberius (nicht) übernahm und wie er mit der Machtfülle des Prinzipats umging. Außerdem soll aufgezeigt werden, inwieweit seine Regentschaft stabilisierend für die Konstruktion des Prinzipats wurde.

1, Komplex: Grundlegende Problematik des Augustus

Römisches Reich unter Augustus
Als Octavian nach der Seeschlacht von Actium im Jahre 31 v.Chr. mit Antonius und Kleopatra seine letzten Konkurrenten um die Macht im römischen Reich besiegt hatte und seine Soldaten im reichen Ägypten große Beute gemacht hatten und zufrieden waren, stand er vor der Frage, wie es von nun an weitergehen sollte. Fast 70 Legionen standen unter Waffen und hörten auf Octavians Befehl. Er verfügte damit über die praktisch unumschränkte Macht, hatten doch die Beispiele seiner Vorgänger in den turbulenten Jahren zuvor – Cäsar, Pompeius, Marius, Sulla – gezeigt, dass wer die Legionen kontrollierte auch Rom beherrschte. Doch die Soldaten waren nicht nur ein Machtinstrument, sondern auch eine große Gefahr. Zum Einen war ihr Unterhalt äußerst kostspielig und konnte nicht auf Dauer geleistet werden, da er zu einem großen Teil vom Ertrag der Plünderungen und Proskriptionen abhing, die sich in Friedenszeiten, zu denen Octavian ja nun überzugehen gedachte, nicht mehr zu leisten waren. Die Demobilisierung der Veteranen brachte aber große Versorgungsansprüche mit sich, die erst einmal geleistet werden mussten. Da jedoch die Legionen die Basis von Octavians Machtanspruch waren, der sich nicht leichtfertig verwerfen ließ, musste er versuchen sich deren Wohlwollen zu erhalten.

Im Rahmen des Krieges zuerst gegen Brutus und Cassius und dann Antonius war ein Großteil des Senatoren- und equites-Standes (letztere werden oft fälschlich als "Ritter" bezeichnet. Ihr Name leitet sich noch aus der Zeit der Republik her, als die Bürger für ihre Ausrüstung als Soldaten selbst aufkommen mussten. Die equites mussten Pferde stellen - sie werden also korrekter als "Reiter" übersetzt; hier wird der Begriff unübersetzt gelassen) ausgelöscht worden, entweder in Gefechten gefallen oder durch die Proskriptionen Octavians getötet. Der verbleibende Rumpfsenat hatte kaum mehr etwas mit dem ruhmvollen Senat gemein, der noch zu Zeiten der Republik Bestand gehabt hatte. Die Überlebenden waren zutiefst verunsichert und wünschten sich nach den vorangegangenen blutigen Jahren kaum mehr als endlich Ordnung und Frieden. Der alte gesellschaftliche Zusammenhalt innerhalb der römischen Oberschicht jedoch war durch den Tod so vieler ihrer Mitglieder gebrochen, viele Klientel-Netze zerstört oder zumindest schwer in Mitleidenschaft gezogen. Der Senat und die römische Volksversammlung waren also unfähig, die Macht aus Octavians Händen zu nehmen und das Reich selbst zu verwalten, und sie waren wohl auch nicht willens dazu. Dazu kam eine legitimatorische Krise der Republik. Man traute ihren Strukturen nicht zu, wieder Frieden zu schaffen oder darüberhinausgehend Frieden zu erhalten.

Octavian sah sich außerdem vor der logistischen Herausforderung, die Getreideversorgung von Rom sicherzustellen, allein, um sich der Loyalität der stadtrömischen Bevölkerung zu versichern. Diese fungierte gewissermaßen als der politische Pulsmesser. Die Popularität von politischen Maßnahmen innerhalb der stadtrömischen Bevölkerung war wichtig, weil diese einer der großen politischen Druck ausübenden Körper im römischen Reich war; der Rest des Reichs, vor allem die Provinzen, aber auch manche Bundesgenossen, spielten hier aufgrund des fehlenden Bürgerrechts sowie der fehlenden politischen Partizipationsmöglichkeiten wie die Teilnahme an der Volksversammlung oder dem aktiven oder passiven Wahlrecht keine große Rolle. Jeder, der ohne das Odium der tyrannischen Alleinherrschaft regieren wollte, benötigte in der einen oder anderen Form die Zustimmung der stadtrömischen Bevölkerung, wollte er nicht als Tyrann gelten und sich dadurch einer schwinden Legitimationsbasis und Gefahr einer Ermordung gegenübersehen. Das Beispiel seines Adoptivvaters vor Augen kann es Octavian nur daran gelegen haben, dies zu vermeiden.

Römische Legionäre
Eines der größten Probleme, denen sich Octavian gegenübersah, war jedoch die praktisch völlige Rechtlosigkeit, die die langen Jahre des Bürgerkrieges in den Provinzen mit sich gebracht hatten. Ohne allzu viele Skrupel hatten sämtliche Bürgerkriegsparteien die Provinzen genutzt, um ihre Feldzüge zu finanzieren und den Sold der Soldaten zu erbringen. Das Reich befand sich an der Grenze seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit, und die Wiederherstellung einer gesetzlichen Ordnung, die eine gewisse Sicherheit im privaten wie öffentlichen und ökonomischen Bereich mit sich bringen sollte, war unablässig. Zurzeit herrschte letztlich das Willkürrecht der Bürgerkriegsparteien und zu Teilen Cäsars fort, die alle Gesetze erlassen hatten, um ihre Kriegsbestrebungen zu unterstützen. Diese Gesetze standen nun einer dauerhaften Friedensordnung im Weg. Octavians Aufgabe war es, ein verbindliches ziviles Recht für das gesamte Römische Reich zu konstituieren beziehungsweise, sollte etwas an der Rhetorik von der Wiederherstellung der senatorischen Rechte sein, zu rekonstitutieren.

Doch in welcher Form sollte Augustus überhaupt die Macht übernehmen? Die Entscheidung hierfür stand noch aus. Antonius hatte er im Auftrag des Senats niedergeworfen, doch nun musste er entweder die Republik wiederherstellen oder eine Monarchie einführen. Cassius Dio beschreibt 200 Jahre später die beiden Wahlmöglichkeiten in einem traditionell historiographischen Muster, indem er Maecenas und Agrippa ein (wahrscheinlich fiktives) Streitgespräch führen lässt in dem diese für die beiden unterschiedlichen Methoden votierten. Augustus habe für die monarchische Methode optiert, diese aber nicht von Schlag auf Fall umsetzen wollen, aus Furcht vor den Reaktionen.

Doch warum strebte Augustus überhaupt die Alleinherrschaft an? Er hätte sich im Prinzip ja auch einfach als Privatmann zurückziehen können. Diese Option war jedoch unrealistisch. Nicht nur besaß er ein Vermögen, das den römischen Staatshaushalt bei weitem überstieg, sondern beherrschte auch als einziger die Legionen, Basis der Macht im römischen Reich. Eine einfache Rückgabe der Macht hätte ein gewaltiges Machtvakuum verursacht, da der Senat nicht handlungsfähig war, und damit erneut das Chaos gebracht, nach dessen Ende sich die Römer sehnten. Da die „normalen“ römischen Ämter zeitlich begrenzt und nach Kollegialitätsprinzip organisiert waren, kam auch eine einfache Übernahme etwa des Konsulats nicht in Frage. Auch Sueton und Cassius Dio argumentieren ähnlich.

Das letzte Problem, dem sich Augustus gegenübersah, war die Administration in den Provinzen und Italien selbst. Bleicken weist darauf hin, dass die Administration bislang von der Aristokratie durchgeführt wurde, mit der Cäsar gebrochen hatte. Eine neue Elite konnte aber nicht einfach aus dem Boden gestampft werden; Octavian musste also den Kompromiss mit der alten Elite suchen. Er stellt aber auch fest, dass die alte Senatselite sich als Unfähig zur Leitung des Reiches erwiesen hatte, was schlicht daran lag, dass der Senat in Zusammensetzung und Funktion für einen Städteverbund gedacht gewesen war und in diesem funktionierte, aber nicht mehr für ein Reich wie das römische.

Zweiter Komplex: Legitimierung der Alleinherrschaft

Aus den zu Ende des letzten Kapitels genannten Punkten geht hervor, dass sich Octavian zumindest zeitweise mit der Aristokratie arrangieren musste und ihm der Weg zu einer unverbrämten Alleinherrschaft nicht offen stand. Da das System der Aristokratie stets aus Ausgleich und der nominellen Gleichstellung aller Aristokraten bestanden hatte, war der sicherste Weg für Octavian zur Legitimierung seiner Alleinherrschaft der einer formellen Restituierung der Republik, in der er eine rechtlich einwandfrei abgesicherte Sonderstellung innehielt, die von der Aristokratie akzeptiert werden konnte. Eine formelle Königsherrschaft, ein ewiges Konsulat oder eine ewige Diktatur schieden damit aus.

Es kam Octavian dabei entgegen, dass seine Gewalt bereits während des Bürgerkriegs durch republiktreue Kräfte legitimiert worden war, etwa durch Cicero, als dieser sich gegen Antonius wandte. Augustus selbst rechtfertigte sich in seinen res gestae ("Tatenbericht", auf großen Tafeln veröffentlichte Regierungspropaganda), und auch Tacitus äußert sich zu diesem Bedürfnis. Diese Rechtfertigungen aus der Kriegszeit konnte Octavian immer noch in Anspruch nehmen, umso leichter, da er viele Protagonisten dieser Rechtfertigungen (etwa Cicero) umbringen hatte lassen.

Augustus als Pontifex Maximus
Um seine einzigartige Stellung auch weiterhin zu legitimieren, griff Octavian auf eine ganze Reihe von Maßnahmen zurück. Nur eine davon betraf seinen Namen: pompös wurde er in Imperator Caesar Divi Filius Augustus geändert und damit die Abstammung vom mittlerweile vergöttlichten Cäsar und damit den Vorvätern Roms ebenso Bestandteil des Namens wie das Attribut eines siegreichen Feldherrn (Imperator). Dadurch wurde seine Stellung erhöht; er war nicht mehr Octavian, eine Partei des Bürgerkrieges, sondern der siegreiche Augustus. Auch die spätere Verleihung weiterer Titel wie etwa des pater patriae ("Vater des Vaterlandes") 2 v.Chr. dienen dem Zweck einer Überhöhung Augustus‘ als Garant von Frieden und Ordnung. Zusätzlich verlieh man Augustus bereits 36 v. Chr. den sakrosankten Status eines Volkstribunen. Eine letzte kultische Erhöhung seiner Person vor der offiziellen Vergöttlichung fand in der Übernahme des Amts des Pontifex Maximus ("Größter Priester", das Oberhaupt der römischen Staatsreligion) 12 v.Chr. statt, durch die Augustus auch noch zum höchsten Priester der Republik und damit den Göttern sehr nahe stehend wurde.

Solcherart als Person überhöht und von den Aristokraten abgehoben, arbeitete Augustus nun zielstrebig an der auctoritas (etwa "Autorität"), die, wie er in den res gestae vermerkt, ihn trotz eines nominell gleichen Ranges über die Senatoren erhebt. Es lohnt sich, bei der Konstruktion der auctoritas kurz zu verweilen. In seinem Tatenbericht schreibt Augustus, dass er an persönlicher auctoritas mehr besessen habe als jeder andere und deswegen weitreichende Entscheidungsbefugnisse hatte, aber an potestas (etwa "Macht") habe er nicht mehr besessen als jeder andere Römer auch. Karl Christ postuliert, dass die auctoritas Augustus geradezu zum Handeln zwang, da er diese nicht nur besessen hatte sondern sie ihn auch als einzigen kompetent genug machte. Bleicken betont außerdem, dass die auctoritas ein normaler Begriff innerhalb der Aristokratie war, mit denen sich die Aristokraten auch untereinander abgrenzten und ihre politische Geltung maßen; Augustus sah sich demzufolge „nur als der vornehmste Patrizier“. In diesem Zusammenhang sei auf die große Bedeutung der auctoritas zur Machtsicherung am Beispiel der Negativfolie Cicero hingewiesen, welchen Problemen sich ein Politiker ohne auctoritas entgegensah.

Römischer Senat
Kornemann zeigt außerdem auf, dass die auctoritas Augustus‘ erstmals eine klare Trennung zwischen erstem und zweitem Konsul schuf und außerdem besonders auf Angelegenheiten der äußeren Sicherheit angewendet wurde, also die Armee und die Grenzsicherung. Augustus fiel durch seine auctoritas also die Aufgabe zu, das römische Reich an seinen Grenzen zu verteidigen. Dies wird zur Legitimierung seines außerordentlichen Imperiums (imperium proconsulare) noch eine wichtige Rolle spielen. Letztlich jedoch war die auctoritas für Augustus hauptsächlich ein propagandistisches Mittel, um die Ungesetzlichkeit der Fortführung seines Konsulats zu verschleiern .

Die größte Legitimation bezog Augustus jedoch aus den beiden sorgfältig inszenierten Ereignissen 27 v.Chr. und 23 v.Chr., mit denen er jedoch beide Male auf innere Kritik an seiner Machtfülle und deren Legalität reagierte. Beide Male verzichtete er offiziell auf Macht, um danach andere Kompetenzen offiziell zugesprochen zu bekommen und legalisierte so seine Machtfülle immer mehr.

Das erste dieser Ereignisse war die Aufhebung aller Gesetze, die im Bürgerkrieg erlassen worden waren und die vollstände Rückgabe seiner außerordentlichen Gewalten (die nach offizieller Lesart für den Krieg gegen Kleopatra und damit nicht gegen andere Römer verliehen worden waren) an den Senat. Mit dieser Maßnahme überraschte er seine Gegner, und der Senat konnte gar nicht anders, als Augustus mit der Führung des Reiches in irgendeiner Art und Weise zu betrauen, weil es keine mögliche Nachfolge gab – diese Situation hatte sich seit Ende des Bürgerkriegs nicht verändert. So verlieh der Senat Augustus ein imperium proconsulare von bisher ungekannten Ausmaßen; fast die Hälfte des Reichs unterstand damit Augustus und, was noch wichtiger war, fast die gesamte Armee. Durch diesen Trick war gesichert, dass die Macht in Augustus‘ Händen blieb (mehr dazu im nächsten Kapitel). Dies spielte in der Legitimation für Augustus jedoch eine deutlich geringere Rolle als seine auctoritas; in den res gestae etwa wird das imperium proconsulare gar nicht erwähnt.
Um sich trotz der Größe in die Tradition bisheriger Verleihungen des imperium proconsulare zu stellen, wurde es auf 10 Jahre befristet. Diese Befristung war zwar immer noch länger als bei einem imperium proconsulare üblich, aber ergab den erwünschten Anschein von Legalität und Kontinuität im republikanischen Bezugsrahmen. Die Verleihung war auch deshalb so wichtig, weil Octavians Kontrolle über das Heer auf einem Patronsverhältnis beruht hatte, in den Worten Bleickens also eine Militärdespotie gewesen war – ein Zustand, der für die res publica restituta ("Wiederherstellung der Republik", die offizielle Propagandalosung Augustus'), die mit dem Akt vom Januar 27 v.Chr. von Augustus ausgerufen wurde, nicht haltbar war. Die Formel der res publica restituta war deshalb überhaupt halbwegs glaubhaft möglich, weil Augustus zwar die Gewalt über die Provinzen nun auf eine rechtmäßige Basis stellte, die konsularische Gewalt und sämtliche Ehrungen aber behielt und die Fronten des Bürgerkriegs aufhob, indem er Getreidespenden verteilen ließ und Schuldscheine öffentlich verbrennen ließ, die noch von der Seeschlacht von Actium herrührten.

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Der zweite große Akt war ebenfalls in Reaktion auf innenpolitischen Druck entstanden und fand 23 v.Chr. statt. Augustus sah das Bedürfnis, die res publica restituta weiter zu festigen und gab offiziell die Macht des Konsulats zurück, die er sich vorher oftmals mit Getreuen wie etwa Agrippa (seinem besten General) geteilt hatte. Es war für Augustus nicht länger möglich, sich alljährlich zum Konsul wählen zu lassen und gleichzeitig die republikanische Fassade aufrecht zu erhalten; diese Taktik hatte ihn zu angreifbar für seine Gegner gemacht. Die Tatsache, dass das höchste Amt der Republik nur halb so oft zur Verfügung stand wie es eigentlich sollte machte viele Karrierewünsche unter den Senatoren zunichte, deren Kooperation sich Augustus versichern musste. Vor die Perspektive eines kompletten innenpolitischen Machtverlusts mit ungesichertem Ausgang gestellt, schlug Augustus die Schaffung einer dritten Konsul-Stelle vor, die jedoch abgelehnt wurde. Stattdessen trug ihm der Senat, da es für Augustus notwendig war ein offizielles, hohes Amt zu bekleiden, die tribunica potestas an: die Befugnisse eines Volkstribunen, was insofern bemerkenswert war, als dass Augustus als Patrizier eigentlich gar kein Volkstribun werden konnte (die Sakrosanktheit (Unangreifbarkeit) eines Volkstribunen hatte er bereits zuvor erhalten). Um die Schwächen des Volkstribunats aufzugleichen (der Inhaber durfte sich beispielsweise keinen vollen Tag aus Rom entfernen und war auch schwerlich in der Lage, den Senat zu leiten) gewährte ihm der Senat noch ein Bündel weiterer Vollmachten, darunter auch die Möglichkeit, in ein imperium proconsulare eines anderen Senators einzugreifen (imperium maius).

Die auf Lebenszeit verliehene tribunica potestas erwies sich denn auch als tragfähigeres Machtinstrument als es das Konsulat getan hatte; dafür spricht allein die Tatsache, dass die Regierungszeit des Princeps fortan nach den Jahren der tribuzinischen Gewalt gemessen wurde. Diese Macht reichte Augustus aus, um den Senat unter Kontrolle zu halten und gegen ihn gerichtete Aktionen abzuwehren, wie sich an der relativen Stabilisierung nach der Überwindung der Hungersnot von 22 v.Chr. auch zeigt. Die Übernahme der tribunica potestas umgab Augustus auch „mit dem jahrhundertealten Glanz des für die Nöte und Rechte des Volkes zuständigen Beamten“ (Bleicken ). In seinem fiktiven Streitgespräch zwischen Maecenas und Agrippa lässt er die beiden über die theoretischen Vorteile von Republik und Monarchie debattieren, wobei sich Augustus für die Monarchie entscheidet, die er aber nicht von Knall auf Fall einführen will. Bleicken fasst dies wie folgt zusammen: „Dem Rechte nach war Rom keine Monarchie geworden. Wollten die Römer die neue Situation verfassungsrechtlich benennen, konnten sie sie als „wieder aufgerichtete (alte) Staatsordnung (res publica restituta) oder auch, wenn der Akzent auf die gegenüber der Republik veränderte Situation gelegt werden sollte, als Prinzipat (Prinzipatus) bezeichnen. Dieser letzte Ausdruck verschweigt den neuen Faktor in der staatlichen Ordnung nicht, leugnet jedoch gleichzeitig durch den Hinweis darauf, dass dieser neue Faktor lediglich P r i n c e p s unter den Standesgenossen und das heißt: unter Gleichen sei, den monarchischen Grundcharakter der veränderten Ordnung.“

Münzen mit Konterfei Augustus' und Emblem der Siegesgöttin Viktoria
Augustus bediente sich zur Legitimierung des Prinzipats noch einer Reihe untergeordneter ideologischer Motive, die nicht so sehr staatsrechtlicher Natur sind, innerhalb der römischen Gesellschaft aber große Bedeutung besaßen. Dazu zählen nicht nur sein Tatenbericht, den er auf großen Tafeln öffentlich anbringen ließ, sondern auch viele Münzen, auf denen Wahlsprüche und sein stets junges Konfertei geprägt waren, sondern auch die vielzitierte mos maiorum, also die Rückbesinnung auf die (angeblich) zuchtvolle Lebensweise der Vorfahren, von der sich Rom entfernt und nach einem populären Bild deswegen mit der Geißel des Bürgerkriegs geschlagen worden war; die Sittengesetze des Augustus sprechen dabei eine eindringliche Sprache.

Auch die pax augusta (etwa "Friede des Augustus"), der unter Augustus erreichte glücklich-friedliche Zustand (der natürlich so friedlich nicht wahr, da es beständige Konflikte an den Grenzen gab; die großen Bürgerkiege allerdings, auf die der Begriff abzielt, waren tatsächlich vorüber), wurde vom Princeps ausdauernd propagiert und zur Legitimierung seiner Herrschaft genutzt. Das Motiv dürfte unter den kriegsmüden und nach Frieden lechzenden Römern sehr bereitwillig aufgenommen worden sein.

Karl Christ betont dabei, dass es sich beim Prinzipat und der unterfütternden Legitimation um keine kohärente Ideologie gehandelt hat: „Sie setzte sich vielmehr aus einer Bündelung vielfältigster einzelner Formeln, Ideen und Elemente zusammen, aus Legitimations-, Rechtfertigungs- und Leistungsformeln, aus Traditionselementen wie Erwartungsbestandteilen und Zukunftsfixierungen, die durchaus als Träger ideologischer Aussagen und Inhalte, als Ideologeme, bezeichnet werden können. Es findet sich mit anderen Worten eine ähnliche Grundstruktur wie im Bereich des Staats- und Verwaltungsrechts. Diese relative Offenheit und dieser scheinbare Mangel an Kohärenz der Prinzipatsideologie erlaubte es jedoch den Nachfolgern des Augustus, diese Ideologie den sich verändernden äußeren und inneren Konstellationen anzupassen, sie weiterzuentwickeln und ihr neue Akzente zu geben.“
Weiter geht es im zweiten Teil, der dann auch Literaturhinweise enthält. 

Alle Bilder Wikimedia Commons. 

1 Kommentar:

  1. Hallo liebes Geschichtsblog Team,
    freue mich immer über Blogs dieser Art. Macht weiter so. Die Beiträge zum Prinzipat finde ich echt toll zumal ich Augustus Fan bin. Die Büste oben haben wir auch auf unserer Seite www.Der-Römer-Shop.de

    Liebe Grüße
    Andreas

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