Von Stefan Sasse
Dies ist die Fortsetzung des ersten Teils.
Zenturio |
3. Komplex: Machtausübung im Prinzipat
Augustus‘ primäres Machtinstrument war das Heer, das unter seiner Ägide die Wandlung zum stehenden Berufsheer vervollständigte, die sich seit Marius und Sulla vollzogen hatte. Dieses Heer stand nach Abschluss des Bürgerkriegs an den Grenzen der Provinzen, die als Unruheherde betrachtet wurden, etwa in Germanien oder an den Grenzen des Partherreichs. Um die Kontrolle über die Legionen aufrecht zu erhalten und sich damit das eigentliche Gewaltmonopol im Reich zu sichern, das nicht zu halten geradezu als eine Einladung für Usurpatoren gelten musste (wie die spätere Geschichte zeigt, wo es immer wieder Kommandanten der Legionen waren, die nach dem Thron griffen). Das Instrument Augustus‘, die Legionen unter seiner Kontrolle zu halten und dies nicht wie im vorangegangenen Bürgerkrieg aus eigenen Mitteln und damit einer nicht verfassungsgemäßen übergroßen Heeresklientel zu tun, war das imperium proconsulare (maius).
Als Augustus 27 v.Chr. die res publica restituta verkündete und alle außerordentlichen Gewalten an den Senat zurückgab, war das imperium proconsulare die Lösung, mit der man ihm die Kontrolle weiter überlassen konnte. Der Senat übertrug ihm, auf zehn Jahre begrenzt und später in Fünf- und Zehn-Jahres-Rhythmen erneuert , das imperium proconsulare über etwa die Hälfte aller römischen Provinzen – eben jene, in denen hauptsächlich die Legionen standen (lex de provincis). Dieses Kommando diente Augustus dabei nicht nur als passives Machtinstrument und Drohung gegenüber dem Senat; er führte diverse Feldzüge teilweise auch selbst an, etwa in Gallien, oder sandte seine treuesten Adlaten wie Agrippa gegen die Parther. Diese Militäreinsätze begründeten den Mythos von der pax augusta mit, denn Italien selbst blieben kriegerische Auseinandersetzungen in Zukunft erspart.
Durch diese Regelung blieb die außenpolitische Initiative ganz bei Augustus, war es doch unvorstellbar gegen den Willen desjenigen, der die Legionen kommandierte, irgendwelche Außenpolitik zu betreiben. Für Augustus ging damit aber auch ein handfester Vorteil einher: da das Kriegführen seiner Aufsicht oblag, konnte er die Lorbeeren militärischer Siege und Triumphe ernten und darüber entscheiden, wer selbst in den Genuss dieser bei den Römern hoch angesehen Ehren kam. Für die Aufrechterhaltung des inneren Friedens war auch von Bedeutung, dass die Heere ja bereits voll ausgerüstet und ausgehoben in den Provinzen standen. Augustus hatte dadurch einen Zeitvorteil, da er bei eventuellen Machtkämpfen nicht wie in der Zeit der Republik üblich die Heere erst ausheben musste, sondern diese sofort bereitstanden – ein weiterer Faktor, um jeden potentiellen Rivalen zu entmutigen, der sich gegen eine so mächtige Militärlegende wie Augustus ein Heer mobilisieren wollte. Die Aufgabe der konsularischen Gewalt 23 v.Chr., die mit einer rechtlichen Ausweitung des imperium proconsulare einherging (eben dem nicht unumstrittenen maius) erhöhte Augustus‘ Gewalt im Äußeren noch.
Legionär |
Es gab in der Forschung einen größeren Streit darüber, ob das imperium proconsulare Augustus letztlich schlicht den Oberbefehl über die gesamten Truppen zuschrieb, ob also in Mommsens Worten Prinzipat und Imperium identisch waren. Dagegen verwehrt sich die modernere Forschung, etwa Bringmann. Der Konflikt ist bei Castritius im Überblick dargestellt; der aktuelle Forschungsstand ist, dass das imperium proconsulare explizit an die in der lex de provincis genannten Provinzen gebunden war.
Damit diese Macht aber überhaupt genutzt werden konnte, musste die Ordnung in den vom Bürgerkrieg verheerten Provinzen und in Italien wiederhergestellt werden, wie die Militärdespoten (Bringmann) der Bürgerkriegsära in eigenem Recht geherrscht hatten und es wegen des bereits besprochenen Aderlasses der alten Elite auch an Verwaltungsstrukturen mangelte. Dazu kommt, dass die Republik bis zum Ende daran gekrankt hatte, nicht wirklich für die Verwaltung eines Reiches, besonders nicht von der Größe des Römischen, ausgelegt zu sein und die entsprechende Administration zu besitzen. Augustus musste also nicht nur versuchen, die bestehende Verwaltung wieder aufzubauen, sondern am besten auch eine neue zu schaffen, die in der Lage war, die anspruchsvolle Aufgabe auch zu erfüllen.
In Italien selbst war das Problem auf dem Land (weniger in der Stadt Rom selbst) am schärfsten; viele Kleinbauern hatten unsäglich unter den Kontributionen und der Versorgung der Veteranen gelitten und erwarteten sich vom Princeps nun endlich eine Verbesserung ihrer Verhältnisse und Rechtssicherheit. In den Provinzen hatte es die Republik vorgezogen, örtliche Adelige als Verwalter einzusetzen und Gouverneure zu entsenden, die sich hemmungslos an den Provinzen bereicherten; früher hatten mache Patrizier ganze Königreiche als persönliche Klientel besessen (Numidien etwa war Klientel der Scipionen). Dazu kam, dass sie im Bürgerkrieg erheblich verheert wurden. Es galt also auch hier eine Verwaltung zu schaffen, die zwar nicht die Pflichten als Untertanen verringerte, sie aber von der Willkür habgieriger Adelscliquen und ausbeuterischer Pachtgesellschaften befreite. Da die republikanische Administration dieser Aufgabe nicht gewachsen war, musste die neu zu schaffende Administration fast zwangsläufig ein Instrument des Princeps und auch an diesen und seine Weisungen gebunden sein. Kornemann fasst das Programm des Augustus in diesem Bereich wie folgt zusammen: „Ruhe für Italien, Friede den Provinzen, Wohlfahrt des Reiches“.
Bei der Befriedung der Provinzen geht er dabei rigoros vor; Bleicken beschreibt für die Asienreisen 27 und 24 v.Chr. die Attitüde Augustus‘ als die eines Herrschers, der seinen Herrschaftsbereich inspiziert und dabei auch keinen Unterschied zwischen den in seinem imperium proconsulare genannten Provinzen und den nominell dem Senat unterstellten macht, was rechtlich wegen der Konstruktion des imperium proconsulare maius zwar in Ordnung ist, aber ein bezeichnendes Licht auf die Stellung Augustus‘ in diesem Bereich wirft.
Angehöriger der equites |
Die neue Elite, die Augustus auf diese Art und Weise schuf, beobachtete seine Aktionen sehr genau. Für sie war Augustus der Garant der sozialen Ordnung, von der sie nun zu partizipieren hofften, und sie waren nach Befriedung der alten Eliten auch der Adressat seiner Regierungspolitik nach 27 v.Chr. Stück für Stück wurden Elemente der früheren Republik im Prinzipat überflüssig, etwa das Volkstribunat, für das Augustus bald gezwungen war, Kandidaten auszulosen, weil das Amt durch Augustus eigene tribunica potestas massiv an Bedeutung eingebüßt hatte. Die Mitglieder dieser neuen Elite rekrutierten sich dabei überwiegend aus dem aufstiegsorientierten Stand der equites.
Auch die Armee spielte bei der Schaffung dieser neuen Elite eine Rolle, denn in dem neuen Berufsheer fanden die equites bevorzugte Stellung in den Offiziersrängen, noch dazu, da Augustus vorrangig in Italien ansässige Römer für die Armee rekrutierte, um diese Bevölkerung für die Strapazen des Bürgerkriegs zu entschädigen. Die Stellung der equites wurde im Zuge der augusteischen Reformen verrechtlicht; so etwa ihr Mindesteinkommen auf 400.000 Sesterze festgelegt oder eine eigenständige politische Körperschaft eingerichtet .
Cato, berühmtester "Censor" |
Doch Augustus kümmerte sich nicht nur um seine neue Verwaltungselite, sondern machte sich auch an eine große Reform des Senats, der zuletzt auf 1000 Mitglieder angeschwollen war, die nicht mehr eindeutig dem Patrizierstand zugeordnet werden konnten. Er begrenzte ihn erneut auf 600 Mitglieder (eine Begrenzung auf 300 scheiterte am energischen Widerstand der Senatoren) und versuchte dabei, eine Auswahl der Besten zu erreichen, ohne sich einzumischen. Diese lectio senatus gelang allerdings nicht wie gedacht, so dass Augustus zur Einmischung gezwungen war und dabei entgegen seiner Intention gezwungen war offenzulegen, dass er letztlich doch in der Lage war frei über die Zusammensetzung des Senats zu entscheiden. Diese Möglichkeit besaß er durch die Verleihung der Rechte der Zensur (censoria potestas), die er freilich exzessiver auslegte als die früheren Zensoren des republikanischen Senats. Die Maßnahme der Säuberung des Senats stieß auf Zustimmung der Senatoren, die dadurch als unwürdig empfundene Mitglieder loswurden, die später noch von Sueton und Dio in scharfen Worten verspottet werden. Die Senatoren wurden aber auch dazu gezwungen, Italien ohne ausdrückliche Genehmigung des Prinzeps nicht mehr zu verlassen. Insgesamt war die Auswahl der Senatoren trotz im Vergleich zur Republik nicht geänderter Auswahlmechanismen nach der Neuzusammenstellung des Augustus faktisch völlig in den Händen des Princeps, weil dieser über sein gewaltiges Klientennetz die Wahlen ohnehin kontrollierte; die Wandlung war also weniger juristischer als vielmehr soziopolitischer Art.
Das Klientelwesen war für Augustus tatsächlich ein erhebliches Machtmittel. Auf die Bedeutung der Heeresklientel wurde bereits weiter oben eingegangen. Augustus' gewaltige Klientel in Italien hatte er noch von Cäsar geerbt; ein oftmals unterschätzter Teil des nicht gerade kleinen Erbes. Die seit der Reform von 98 v.Chr. wahlberechtigten Bundesgenossen hatten sich weniger an die traditionellen aristokratischen Familien gebunden, sondern an die „großen Männer“ (Bleicken), die in der Bürgerkriegszeit aufgestiegen waren, da diese ihren Interessen am besten dienten. Dazu kommt, dass Cäsar und Augustus zahlreiche coloniae gegründet und in diesen Veteranen angesiedelt hatten, die natürlich ebenfalls ihnen verpflichtet waren, wobei sich ein fließender Übergang zur Heeresklientel ergibt. Zuletzt waren durch die ebenfalls bereits besprochenen hohen Opferzahlen unter der alten Aristokratie viele Klientel plötzlich ohne Patron, die Augustus geradezu in den Schoß fielen.
Die Finanzierung dieser Klientel leistete Augustus, indem er wohlhabende Römer mit sanftem Druck dazu brachte, ihn großzügig in ihren Vermächtnissen zu bedenken. Da die Karrieren im Römischen Reich vom Wohlwollen des Princeps abhingen, war es vollkommen normal, diesen mit Geldvermächtnissen zu begünstigen – die wichtigste Einnahmequelle des Augustus, der Staats- und Privathaushalt in wohl einmaliger Weise verquickte und gewissermaßen die antike Version der Erbschaftssteuer. Ein konkretes Beispiel für das Wirken des Augustus‘ über seine Klientel finden wir in der Hungersnot 23/22 v.Chr., in der Augustus mit großer Geste die Getreidezuwendungen für die Römer aus eigener Tasche bezahlt und damit die Unverzichtbarkeit für die Römer vor Augen stellt, denen der Senat nicht helfen konnte.
Marcus Vipsanius Agrippa |
Natürlich war auch Augustus nicht ohne einen engen Beraterkreis. Diese amici, von denen er besonders nach dem Sieg bei Actium mehr als je zuvor hatte, hatten erleichterten Zugang zu ihm (besonders enge Freunde wie etwa Agrippa oder Maecenas praktisch sogar unbegrenzten) und hatten großen Einfluss auf ihn, wenn sie ihn im informellen consilium berieten. In der breiteren Ausdifferenzierung der amici wurden Eide verlangt; niederstehende Gruppen wie etwa Freigelassene wurden comites (etwa "Gefährten").
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Augustus‘ Stellung in der Außenpolitik stark und unangetastet war. Die Heeresklientel und das imperium proconsulare gestatteten ihm eine weitgehend autarke Gestaltung dieses Politikbereichs. Problematischer war die Innenpolitik, wo es galt die Ambitionen der alten und neuen Elite mit den eigenen Machtbedürfnissen auszutarieren. Einige Versuche des Princeps schlugen auch fehl, etwa die Fundamentierung seiner Macht auf dem Boden des Konsulats. Erst die Nutzung der tribunica potestas zur Machtausübung im Inneren schuf den Kompromiss, der dem Prinzipat letztlich seine Stabilität geben sollte.
5. Komplex: Die Nachfolge im Prinzipat
Die Legitimation der Alleinherrschaft mit der res publica restituta und seiner auctoritas stellte Augustus vor das Problem der Nachfolgeregelung. Da das Prinzipat keine Monarchie sein durfte, konnte es auch keine simple Erblichkeit der Gewalten geben, die dazu nicht en bloc vergeben worden waren, sondern Stück für Stück zu dem Bündel Gewalten anwuchsen, die Augustus zur Herrschaft nutzte. Seinen Nachfolger suchte Augustus im Rahmen seiner eigenen Familie, in die er auch seinen engsten Mitstreiter, Agrippa, durch Heirat einband. So erfolgreich Augustus in der Politik agierte, so viele Probleme durchlitt er in seiner eigenen Familie und damit in der Herrschaftsnachfolgefrage. Trotz aller Rückschläge gab er niemals auf und nutzte das Mittel der Adoption, um einen direkten Nachfolger zu erhalten.
Die vielen Adoptionen und Designierungen von Agrippa und dessen Söhnen zu Drusus und Germanicus, die schließlich bei Tiberius endeten, sollen an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden. Für den Rahmen des Artikels ist es ausreichend zu wissen, dass Augustus geplante Nachfolge immer wieder durch den Tod wichtiger Angehöriger und Mitstreiter durcheinander gewirbelt wurde und sein letzter Lebensabschnitt damit einer von Enttäuschungen und Rückschlägen wurde. Die Adoptionen waren deswegen von so herausragender Wichtigkeit, weil Augustus als pater familias damit auch gleich das Oberhaupt für die Erziehung der Kinder war. Dadurch färbte nicht nur automatisch ein Anteil seiner auctoritas auf sie ab; man konnte auch mit Fug und Recht annehmen, dass diese Kinder die entsprechenden Leitvorstellungen und Fähigkeiten vom Princeps erlernen würden, um ihn dereinst zu beerben, besonders, da die Absicht sie als Nachfolger heranzuziehen durch die Adoption so offenkundig war.
Tiberius |
Christ betont die Wichtigkeit der Nachfolgeregelung für die Einrichtung des Prinzipats, denn diese sei immer dann am stabilsten gewesen, wenn die Nachfolge geregelt war und das domus principis ("Haus des Princeps", also seine Familie) geschlossen auftrat, wie Ende des 1. und Anfang des 2. Jahrhunderts nach Christus. Deshalb ist auch die Konkurrenz, die unter den potentiellen Erben Augustus‘ herrschte – besonders Tiberius auf der einen und den Söhnen Agrippas, die Augustus adoptiert hatte – so schädlich für das Prinzipat, da sie innenpolitische Gegner geradezu zum Intrigenspiel einlud und damit die Macht des Princeps im Inneren schwächte. Tiberius wurde zu diesem Zweck zum collega imperii (etwa "Mitregent") Augustus‘ erklärt, ein Amt, das nach Christ eigentlich nur Agrippa jemals wirklich ausgefüllt hatte. Da es sich bei Tiberius um eine von Augustus eigentlich ungewünschte Wahl handelte, die er letztlich als Notlösung ergriff, geschah dieser Schritt erst 4 n.Chr. Nicht nur adoptierte ihn Augustus offiziell, Tiberius wurde auch das ein imperium proconsulare überschrieben, zunächst auf zehn Jahre. Im Jahr 13 n.Chr. wurde Tiberius durch die Verleihung der tribunica potestas Augustus beinahe gleichgestellt. Er besaß die gleichen Rechte wie Augustus, auch wenn die weit größere persönliche auctoritas des Augustus niemandem im Zweifel darüber lassen konnte, dass er noch der Princeps war.
5. Komplex: Ausblick auf die weitere Entwicklung
Tiberius erbte von seinem Adoptivvater eine große Bürde. Schnell wurden ihm die Rechte Augustus‘ nach dessen Tod im Senat verliehen, manche wie das imperium proconsulare maius sogar auf Lebenszeit, anstatt immer wieder verlängert zu werden. Doch die Legitimierung vieler Rechte des Augustus durch dessen auctoritas machte es zu diesem Zeitpunkt fraglich, ob ein Nachfolger diese würden ausfüllen können – „es verbietet sich von selbst, die Übernahme der Macht des Tiberius mit der Automatik späterer Thronwechsel zu vergleichen“ (Christ). Tiberius war auch nicht der Mann, der die ideologischen Grundlagen des Prinzipats glaubhaft verkörpern konnte oder wollte. Monarchische Macht auszuüben und in beständigen Ritualen zu erklären, dass es sich nicht um monarchische Macht handelte, lag Tiberius nicht. Diesem ging außerdem das notwendige schaustellerische und diplomatische Talent dafür ab. Vermutlich aus deshalb betonte Tiberius in der herrscherlichen Repräsentation besonders den vergöttlichten Augustus, dessen Gesetze und Normen in Kraft blieben und deren Durchsetzung von Tiberius verfolgt wurde.
Schlaglichtartig betrachtet werden kann die Festigung der Rolle der Princeps an den so genannten Majestätsprozessen, die „persönliche Beleidigungen“ des Princeps unter Strafe stellten. Unter Tiberius nahm die Zahl dieser Prozesse stark zu, was aber weniger auf seine blutrünstige Natur (wie Tacitus das behauptet) sondern auf die ungenaue Abfassung des Gesetzes und die Tatsache, dass der delator (Denunziant) ein Viertel des Vermögens des Opfers erhält, zurückzuführen sein dürfte. Es standen also auch starke wirtschaftliche Motive hinter der zunehmenden Zahl der Prozesse. Ihre Notwendigkeit als solche steht für das System aber außer Frage: „die Stellung des princeps war nur dann garantiert, wenn sie respektiert wurde. Eine Sanktionierung dieser notwendig überhöhten Person musste zwangsläufig auch zur Anwendung der maiestas-Sicherung führen“.
Tiberius musste jedoch die Erfahrung machen, dass der von Augustus geschaffene Mythos um die Person des Princeps bereits stärker war als die jeweilige Person selbst. Er war nur zu gerne bereit, auf einige Anteile an der Macht zu verzichten und den Senat dafür wieder zu stärken. Doch der Senat selbst ging auf diese Offerte nicht ein und lehnte sie ab. Ihm erschien es als unglaubwürdig, was Tiberius vorbrachte, was Christ wiederum auf dessen mangelndes darstellerisches und diplomatisches Talent zurückführt. Es entsteht an dieser Stelle gewissermaßen ein Bruch zwischen der Prinzipatsideologie und der Praxis, da die republikanische Institution die Macht, die sie formell besitzt, im Zweifelsfall auch offen dem Princeps überlässt.
Der wohl für die Sicherung der Macht bedeutendste Akt bei der Herrschaftsübernahme Tiberius‘ von Augustus dürfte der Eid des Militärs sein. Hier zögerte Tiberius auch keine Sekunde. Die Truppenführer in Rom und Italien vereidigte er persönlich auf sich, von den anderen Legionen wurden jeweilig Stellvertreter entsandt, die den Eid auf die Person des Tiberius leisteten. Technisch wäre dies nicht notwendig gewesen, kommandierte Tiberius die Truppen doch ohnehin über das Instrument des imperium proconsulare maius. Die Eidesleistung erfüllt also zwei Funktionen: zum einen handelt es sich um eine Art „fail-safe“, indem die Truppen unabhängig von Senatsbeschluss auf den Princeps vereidigt werden, wichtiger aber noch ist die offizielle Übernahme der augusteischen Heeresklientel auf die Person Tiberius, wie er auch die restlichen Klientel von Augustus geerbt hatte. Dieses Prinzip sollte die Machtwechsel unter den Principes stets begleiten – ohne die Kontrolle der Heeresklientel war eine Herrschaft im Römischen Reich nicht mehr möglich.
Zusammenfassung und Fazit
Am Ende war die Republik nicht mehr in der Lage, ein stabiles politisches System aufrecht zu erhalten, das die Verwaltung des groß gewordenen römischen Reiches meistern konnte. Die Versuche Pompeius‘, Cäsars und Antonius‘ zeigten, dass die Alleinherrschaft ein probates Mittel sein konnte, das Reich wieder nach innen und außen handlungsfähig zu machen. Allein, die republikanische Elite Roms war dem Projekt feindlich gegenüber eingestellt, weswegen es für eine erfolgreiche Etablierung der Alleinherrschaft notwendig war, das Instrument mit den Patriziern zu versöhnen. Dies gelang erst Augustus durch die Erfindung des Prinzipats, einer Einrichtung, die eine Monarchie war und in einem wahren Wust von Ritualen und Mechanismen vorgab, genau das nicht zu sein. Die Aufrechterhaltung bestimmter republikanischer Formen und Institutionen gab dem Prinzipat nicht nur seinen schönen Schein, sie erlaubte es der Aristokratie weiterhin, in staatlichen Spitzenstellen eine politische Karriere zu machen. Gleichzeitig eröffnete Augustus durch die Schaffung einer neuen Verwaltung den ebenfalls unruhig gewordenen equites ein neues Betätigungsfeld und band sie als neue Elite (im Gegensatz zur alten Elite der Patrizier) fest in das Prinzipatssystem ein. Die Armee schloss unter Augustus‘ Prinzipat endgültig die Wandlung zum Berufsheer und zur Heeresklientel des Machthabers ab. Die Bindung an Personen anstatt die res publica war nur folgerichtig und verlieh dem neuen Staatssystem so lange eine große Stabilität, wie die Heerführer in den Provinzen nicht mächtiger als das domus principis wurden.
Goldener Lorbeerkranz, Symbol der Kaiserwürde |
Die beherrschende Frage in der Endphase des augusteischen Prinzipats war, ob das System Bestand haben würde oder ob man wieder in das Chaos der Bürgerkriegsära zurückfallen würde. Die Tricksereien der Legitimationsversuche Augustus‘ hatten es nötig gemacht, die außerordentlichen Rechte des Princeps an dessen persönliche auctoritas und republikanische Traditionen zu binden. Was würde geschehen, wenn Augustus, der Übervater des Systems selbst, nicht mehr wäre und an seiner statt ein zumindest in der öffentlichen Meinung sicherlich mindergeeigneter Princeps das Amt übernehmen sollte?
Der Übergang von Augustus auf Tiberius verlief denn auch erstaunlich glatt. Durch die Funktion des collega imperii hatte Tiberius vor dem Tod Augustus‘ bereits rund 10 Jahre Erfahrung in der Außenpolitik des Reiches, hatte Kriege geführt, die Heeresklientel dadurch an sich gebunden und Triumphe gefeiert, außerdem waren ihm bereits zu Lebzeiten des Augustus ein eigenes imperium proconsulare und die tribunica potestas übertragen worden. Tiberius war also kein völliger Neuling, als er 14 n.Chr. Princeps wurde, obgleich er auf der innenpolitischen Bühne bislang kaum Erfahrungen gesammelt hatte. Eine wichtige Voraussetzung hierfür war, wie sich bei späteren Regierungsübernahmen noch zeigen sollte, die Geschlossenheit des domus principis. Ein über einen längeren Zeitraum eingeführter Anführer besaß die notwendige auctoritas, die seine Machtfülle vor der republikanischen Folie legitimierte. Der Princeps musste außerdem in der Lage sein, die nötigen Rituale einzuhalten und den Ausgleich mit den Eliten des Reiches zu suchen, obgleich dieser Aspekt wegen der Wandlung der patrizischen Elite in späteren Jahren in den Hintergrund geraten wird. Das monarchische Prinzip des Prinzipats, seine Fundierung auf der tribunica potestas und dem imperium proconsulare verbunden mit der Schwäche der republikanischen Elite verschaffte ihm eine Stabilität, mit der das Römische Reich lange Jahre bestehen bleiben konnte und das auch offen für Reformen war, wenn es die Umstände erforderten.
Literaturhinweise:
Diese Artikel entstanden auf Grundlage einer wissenschaftlichen Arbeit im Wintersemester 2009/2010, in der sich weitere Literatur und detaillierte Belege finden lassen.
Alle Bilder Wikimedia Commons.
Es wird so langsam Zeit, dass ich mich für die vielen guten Beiträge hier in diesem Blog mal bei Dir bedanke. Viele Seiten des jeweiligen Themas werden dabei beleuchtet und umfangreich beschrieben.
AntwortenLöschenDa ich selbst sehr geschichtsinteressiert bin, ist das für mich natürlich ein gefundenes Fressen. ;-) Dass dennoch die Kommentarspalte meinerseits noch nicht gefüllt war und vermutlich auch zukünftig eher selten gefüllt wird, liegt aber eher daran, dass ich wenig bis nichts hinzufügen kann und muss. Des Lesens durch mich kannst Du Dir allerdings gewiss sein.
So, das musste ich jetzt endlich mal loswerden. :-)
Auch der zweite Teil ist sehr schön geschrieben. Freue mich auf neue Texte
AntwortenLöschenHallo, sehr schön geschriebener Artikel über ein überaus interessantes Thema. Da ich gerade an einer Arbeit zu einem ähnlichen Thema sitze, würde mir die wissenschaftliche Arbeit sehr weiterhelfen. Auf Fileupload ist die Datei leider nicht mehr zu finden. Wäre es möglich diese nochmals hochzuladen? Vielen Dank schonmal und auch wenn´s nicht klappt, ist ja doch schon eine Weile her, so war es keine verschwendete Zeit :)
AntwortenLöschenSchicken Sie mir einfach eine Mail an stefan_sasse@gmx.de
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