Donnerstag, 30. September 2010

Die deutschen Bundespräsidenten

Von Stefan Sasse 

Was die Bestimmung eines Nachfolgers für Horst Köhler anging, wurde viel auf die Vergangenheit rekurriert. Da wurde davon geredet, dass das Postengeschacher einer Demokratie unwürdig sei, oder es wird die SPD verteufelt, dass sie 2009 einen eigenen Kandidaten aufgestellt habe statt Horst Köhler wiederzuwählen, was noch nie vorgekommen sei. Es ist also Zeit einmal zu sehen, wer bisher in der BRD Bundespräsident war, wie diejenigen Bundespräsidenten wurden  und welche Überlegungen dahinter standen.

Theodor Heuss
Der erste Bundespräsident ist zugleich derjenige, der das Amt entscheidend geprägt hat - ähnlich wie Adenauer das Amt des Bundeskanzlers. Es musste sich schließlich erst erweisen, wie die in der Verfassung dargelegten Gewalten mit- und gegeneinander arbeiteten, wer Koch und wer Kellner war. Es wurde schnell deutlich, dass die Adenauer'sche Interpretation des Bundeskanzleramts keinen Raum für einen mehr als repräsentativen Bundespräsidenten ließ - ein Amt, das Theodor Heuss entsprechend ausfüllte. Er hat noch heute einen hervorragenden Ruf, gilt als großer Intellektueller, der als ausgesprochen überparteilich galt, wozu vermutlich seine Herkunft aus der FDP beitrug.  Auch seine Staatsbesuche wurden viel gefeiert, und er trug deutlich zur Akzeptanz des neuen, demokratischen Deutschland bei. Er war ein Liberaler alten Schlags, und am Ende seiner zweiten Amtszeit wurde offen darüber debattiert das Grundgesetz zu ändern, damit ihm weitere Amtszeiten erlaubt seien (das GG begrenzt die Amtszeiten eines Bundespräsidenten auf zwei). Heuss jedoch lehnte dies ab.

Mittwoch, 29. September 2010

Die amerikanischen Präsidenten...mit den Animaniacs Teil 2/3

Von Stefan Sasse

Mit diesem Artikel setzen wir unsere im ersten Teil begonnene kleine Reise durch die Präsidenten der USA fort, bei der uns die Animaniacs mit ihrem Song "Presidents of the United States of America" begleiten.

Abraham Lincoln
"Up to bat comes old Abe Lincoln
There's a guy who's really thinkin'
Kept the United States from shrinking
Saved the ship of state from sinking."
Abraham Lincoln hatte es im Wahlkampf 1860 geschafft, die demokratische Partei über die Sklavenfrage zu spalten. Da er innerparteilichen Widerstand bereits vorher ausgeschaltet hatte, stand ihm damit der Weg ins Weiße Haus offen, das er als erster Republikaner betrat. Die Republikaner waren damals noch nicht die rechtsgerichtete Südstaatenpartei, die sie heute sind, sondern eine progressive Partei von Abolitionisten, besonders im Norden stark. Für den Süden war die Wahl Lincolns, durch den sie den Machtkampf im Bund endgültig an den Norden verloren, der letzte Tropfen in dem Fass, das sie zur Sezession bewegte. Lincoln verstand sich selbst als Gemäßigter; er erklärte, dass wenn er die Sezession verhindern könne, ohne einen einzigen Sklaven zu befreien, er es auch tun würde. Als die Schüsse von Fort Sumter abgegeben und der Krieg damit da waren, zögerte er aber nicht, die Freiwilligen, die zu den Fahnen des Nordens geströmt waren, in großen Schlachten zu verheizen und die unfähigen Oberkommandeure des Nordens zu feuern und durch noch unfähigere Kandidaten zu ersetzen. 1863 proklamierte er die Sklavenbefreiung im ganzen, ungeteilten Unionsgebiet, um damit die moralische Luftherrschaft wiederherzustellen und das wankende Großbritannien und Frankreich von einem Kriegseintritt auf Seiten der Konföderation abzuhalten. Als Lee seinen wagemutigen (oder, je nach Standpunkt, wahnwitzigen) Vorstoß im dreitätigen Gemetzel bei Gettysburg abbrechen musste, war es endgültig nur noch eine Frage der Zeit, bis die drückende quantitative und qualitative Überlegenheit der Nordarmee sich gegenüber der Inkompetenz ihrer Generäle ausgleichen und den Süden in die Knie zwingen würde. Wir werden nie erfahren, ob Lincoln die Aufgabe der Reconstruction des geschlagenen Südens besser vollbracht hätte als seine Nachfolger, denn diesen überließ er den Kladderadatsch, nachdem er 1865 von dem Schauspieler John Wilkes Booth ermordet wurde. 

Dienstag, 28. September 2010

Fundstücke IX

Von Stefan Sasse

Die SZ berichtet über einen interessanten Fall zum Thema Holocaust und Meinungsfreiheit: Im Jahr 2004 veröffentlichte der Politikwissenschaftler Konrad Löw im "Deutschland Archiv", einer zur Bundeszentrale für Politische Bildung gehörenden Zeitschrift, einen Artikel mit dem Titel "Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte", indem er die Theorie einer "deutsch-jüdischen Symbiose" im Dritten Reich postulierte. In Kurzform gebracht erklärte er, die Mehrheit der Deutschen sei nicht antisemitisch gewesen und habe mit den Juden sympathisiert; gleicherzeitig hätten gerade die mit den Deutschen kollaborierenden Juden, die damit "ihr nacktes Leben retten" wollten, ihren eigenen Leuten sehr großen Schaden angetan. Als die BpB merkte, dass sie diesen Artikel veröffentlicht hatte, hielt sie die größtenteils noch nicht ausgelieferte Auflage zurück, stampfte sie ein und entschuldigte sich öffentlich. Diese Reaktion wurde nun vom Bundesverfassungsgericht als "nicht angemessen" verurteilt. In der Begründung erklärte das Gericht, dass die BpB die Meinungsfreiheit von Privatpersonen achten müsse, sofern diese nicht extremistisch sei und mit ihr in Verbindung gebracht werden könne, und dass sie nicht ihre Geschichtsdefinition als einzig verbindliche hinstellen dürfe. Dieses Urteil ist richtig. Eine Art von oben verordnete Zensur, die Forschung nicht zulässt wenn sie zu Ergebnissen kommt, die nicht dem herrschenden Bild entsprechen, spielt eher Extremisten in die Hände. An dem Fakt des Holocaust ändert sich durch Löws Thesen nichts. Natürlich könnte man sagen, dass er analog zum Fall Steinbach historisch richtige Fakten ausgesprochen hat, diese jedoch zu merkwürdigen Implikationen führen (à la "Die Juden haben den Holocaust selbst mit durchgeführt"). Das ist allerdings in einem dezidiert wissenschaftlichen Magazin nicht zulässig, im Gegensatz zu Steinbachs schnoddrig hingeworfenem Unsinn.

NACHTRAG: Prantl argumentiert dagegen. 

Der vergessene Krieg

Von Stefan Sasse

Phasen des Koreakriegs
Fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs hatten sich neue Brandherde gebildet. Während in Europa die NATO dem Ostblock - zu diesem Zeitpunkt noch nicht formal unter dem Bündnis des "Warschauer Pakts" zusammengefasst - argwöhnisch gegenüberstand, hatte die Teilung Koreas zwischen den USA und der UdSSR in Folge des letzten Feldzugs gegen Japan zwei Staaten geschaffen, die wie Deutschland auch in einen kommunistischen und einen demokratischen Teil getrennt waren. Nordkorea war dabei unter Kim-Il Sung kommunistisch, während der Süden von Präsident Rhee Syng-Man beherrscht wurde, der ein stark repressives Regime führte und seine späteren Wiederwahlen nur durch massive Manipulation sichern konnte. Der Süden wurde von den USA, der Norden von der UdSSR gestützt. Ein Interesse an Korea hatten eigentlich beide Seiten nicht, aber der Logik des Kalten Krieges nach konnte keine ihren Anspruch aufgeben, ohne zu "verlieren". Ergo belauerten sich bald Armeen an beiden Seiten der Demarkationslinie, dem 38. Breitengrad, während man Reden von der Wiedervereinigung schwang.

Montag, 27. September 2010

Die amerikanischen Präsidenten...mit den Animaniacs Teil 1/3

Von Stefan Sasse

Die 1990er Jahre Cartoon-Serie "Animaniacs", von Steven Spielberg mitproduziert, ist noch heute eine der Sternstunden des Satuarday-Morning-TV. Neben zahllosen Slapstick-Gags finden sich besonders in den Songs, die in der Serie zum Besten gegeben werden, immer wieder irgendwelche pädagogisch wertvollen Informationen, sei es zur Geschichte von Magellans Erkundungsfahrt, der Zusatzstoffe in Lebensmitteln, der Beschaffenheit des Universums, der Funktionsweise der Multiplikation, der Geographie der Erde oder der USA oder der Funktionsweise des Panamakanals. Natürlich hat das Animaniac-Trio Yakko, Wakko und Dot auch ein Lied über die Präsidenten der USA fabriziert; so patriotisch ist man dann doch. Das ist für uns Grund genug, uns das Lied und, vor allem, die dahinterstehende Geschichte genauer anzusehen und uns auf einen Parforce-Ritt durch die Historie der US-Präsidenten zu machen. Auf geht's!

George Washington
"George Washington was the first, you see, 
he once chopped down a cherry tree!" 
singt Wakko zum Einstieg. Gemeint ist damit die Legende, dass Washington als kleines Kind den Kirschbaum seines Vaters umgehackt hat und auf Nachfrage des Vaters die Tat mit den Worten "I cannot lie" ("Ich kann nicht Lügen") gestand, eine Legende, die wohl nach Washingtons Tod von Parson Weems in die Welt gesetzt wurde. Washington war Offizier im French and Indian War, mit dem wir uns bereits am Rande beschäftigt haben, und schien deshalb in einem Land ohne militärische Fachkompetenz geeignet zur Führung der Revolutionsarmee. Als man nach den Querelen um die Articles of Confederation einen geeigneten Vorsitzenden für die Kommission brauchte, die eine neue Verfassung ausarbeitete, verfiel man auf den seriösen Washington, der denn auch 1789 als erster Präsident gewählt wurde - Kunststück, war er doch der einzige Kandidat, wie auch bei seiner Wiederwahl 1792.


Donnerstag, 23. September 2010

Das blutige 20. Jahrhundert

Von Stefan Sasse

Berlin Alexanderplatz 1903
Das 20. Jahrhundert hat sich selbst in Abgrenzung zur so genannten "Neuzeit", die übereifrige Chronisten der Renaissance in ihrem Bestreben, sich vom angeblich so finsteren Mittelalter abzuheben ab 1500 ausgerufen hatten, den Begriff "Moderne" übergestülpt. Der technische Fortschritt, der sich mit der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts bereits angekündigt hatte, zog im 20. Jahrhundert an Geschwindigkeit noch einmal dramatisch an und veränderte in den Industriestaaten das Leben dramatisch. Elektrizität und fließendes Wasser mit all den dazugehörigen technischen Segnungen griffen in den Alltag in seit der Erfindung des Aquädukts kaum mehr gekannter Weise ein. Autos und Straßenbahnen transportierten die Menschen mit ungekannter Mobilität, und eigentlich erfüllten sich damit all die Heilsvisionen eines durchtechnisierten Utopia, die besonders die Sozialdemokratie des ausgehenden 19. Jahrhunderts gekennzeichnet hatten. Doch gleichzeitig ist das 20. Jahrhundert das blutigste Jahrhundert der Weltgeschichte und hat eine kompromierte Abfolge von Massakern gesehen, die in der Geschichte der Menschheit ihresgleichen sucht.  Wir wollen diesen Eruptionen der Gewalt hier exemplarisch nachspüren und uns die Frage stellen, warum gerade das 20. Jahrhundert ein solches Nebeneinander von technischem und zivilisatorischem Fortschritt und Barbarei gesehen hat.

Dienstag, 21. September 2010

Fundstücke VIII

Von Stefan Sasse

1921 schrieb Eduard Bernstein zur gefälschten Abdankungserklärung des Kaisers:
Soweit Wilhelm II. als wollende Person in Betracht kam, war die Mitteilung von seinem Rücktritt eine fromme Vorwegnahme der Ereignisse. 

- Eduard Bernstein
So wie er in seinem Buch "Die deutsche Revolution 1918/19" kann man es natürlich auch ausdrücken.

Die Geschichte der SPD Teil 2/2: 1949-1999

 Von Stefan Sasse

Dies ist die Fortsetzung des ersten Teils.

Das Ergebnis der Wahlen 1949 hatte keinen klaren Sieger hervorgebracht. Die CDU und die SPD waren etwa gleich stark, dazu gab es einige weitere Fraktionen; in den einzigen bundesdeutschen Wahlen ohne 5%-Hürde waren neun ins Parlament eingezogen. Während die KPD den neuen Staat ablehnte (sie hatte als einzige Partei während der Verfassungsberatungen gegen die Annahme des Grundgesetzes gestimmt), standen die anderen vertetenen Parteien (die NSDAP-Nachfolgepartei SRP hatte es nicht ins Parlament geschafft und wurde 1950 verboten) hinter dem neuen, demokratischen Staatswesen. Nachdem keine Seite eine klare Mehrheit verbuchen konnte, stand nun die Wahl des ersten deutschen Kanzlers an. Da die CDU die meisten Stimmen wenn auch nur knapp auf sich vereinigte, führte Adenauer die Verhandlungen an. Zur Wahl standen drei Möglichkeiten: eine bürgerliche Koalition mit FDP, DP und Zentrum; eine große Koalition mit der SPD oder eine Volksfrontregierung unter Einschluss aller demokratischen Parteien. 

Montag, 20. September 2010

Die Geschichte der SPD Teil 1/2: 1863-1949

Von Stefan Sasse

Altes Wahlplakat der SPD
Die SPD ist die älteste Partei Deutschlands mit einer fast ununterbrochenen Parteigeschichte seit 1890 und einer Bewegungsgeschichte, die bis in die 1860er Jahre zurückreicht. In dieser Beziehung sticht sie aus den anderen Parteien heraus, die nicht auf eine solch lange Vergangenheit zurückblicken können. Die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist von Anbeginn an mit der des deutschen Nationalstaats verknüpft. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die SPD stark gewandelt: von einer revolutionären Arbeiterpartei, sich scharf von den Bürgerlichen und Bauern abgrenzend, wurde sie mehr und mehr zu einer reformerischen Kraft, dann staatstragende Partei der Weimarer Republik, Widerstandskämpfer im Dritten Reich, erneut Klassenpartei in den Anfangsjahren der BRD, zur Reformkraft und Zentrum der intellektuellen Politisierung, ehe sie in einen noch nicht abgeschlossenen Transformationsprozess hin zur "Neuen Mitte" abglitt. Dieser Geschichte gilt es nachzuspüren.

Mittwoch, 15. September 2010

Die rechtlichen Grundlagen des Principats Teil 2/2

Von Stefan Sasse

Dies ist die Fortsetzung des ersten Teils

Zenturio
3. Komplex: Machtausübung im Prinzipat

Augustus‘ primäres Machtinstrument war das Heer, das unter seiner Ägide die Wandlung zum stehenden Berufsheer vervollständigte, die sich seit Marius und Sulla vollzogen hatte. Dieses Heer stand nach Abschluss des Bürgerkriegs an den Grenzen der Provinzen, die als Unruheherde betrachtet wurden, etwa in Germanien oder an den Grenzen des Partherreichs. Um die Kontrolle über die Legionen aufrecht zu erhalten und sich damit das eigentliche Gewaltmonopol im Reich zu sichern, das nicht zu halten geradezu als eine Einladung für Usurpatoren gelten musste (wie die spätere Geschichte zeigt, wo es immer wieder Kommandanten der Legionen waren, die nach dem Thron griffen). Das Instrument Augustus‘, die Legionen unter seiner Kontrolle zu halten und dies nicht wie im vorangegangenen Bürgerkrieg aus eigenen Mitteln und damit einer nicht verfassungsgemäßen übergroßen Heeresklientel zu tun, war das imperium proconsulare (maius).

Dienstag, 14. September 2010

Fundstücke VII

Von Stefan Sasse

Auf wimp.com findet sich ein kurzes Video, das 1908 aus einer Straßenbahn in Barcelona heraus aufgenommen wurde. Man sieht darin die Fahrt dieser Straßenbahn durch die Stadt und die Reaktionen der Menschen, die alle versuchen auf den Film zu kommen oder einfach nur erstaunt gaffen. Das ganze fühlt sich an wie eine Zeitreise.

Die rechtlichen Grundlagen des Prinzipats, Teil 1/2

Von Stefan Sasse

Augustus als ewig Jugendlicher
Das Prinzipat des Augustus beendete eine mehrhundertjährige Epoche der römischen Republik. Ihm vorangegangen war fast ein Jahrhundert der römischen Krise, in dem die Republik von Bürgerkriegen, politischen Unruhen und Usurpatoren erschüttert wurde. Der Wandel der politischen Institutionen in dieser Zeit ließ den Senat, das Zentrum der politischen Macht und des gesellschaftlichen Lebens einer kleinen Oberschicht, immer wieder vor schweren Herausforderungen stehen, und auch das immer wachsende römische Imperium brachte für die traditionell kurzen „Legislaturperioden“ der römischen Ämter immer größere Herausforderungen mit sich.

Bereits die Militärreformen des Marius und die folgende Diktatur Sullas hatten die Republik tiefgreifend verändert, doch genauso wie nach den gescheiterten Reformen der Gracchen war man danach zu einem immer stärker erschütterten status quo ante zurückgekehrt. Die letzte Herausforderung, der sich die alteingesessenen Senatoren stellen mussten, war der Aufstieg Cäsars. Es sollte auch gleichzeitig die größte Bedrohung werden und eine, von der der Senat sich nicht mehr erholen sollte. Der Scheinsieg nach der Ermordung Cäsars führte direkt in den nächsten Bürgerkrieg, aus dem Octavius nach nur drei Jahren siegreich über die letzten Verteidiger der Republik triumphierte und später auch seinen Kampfgenossen Antonius niederwarf.

Das Beispiel des ermordeten Cäsar vor Augen, war sich der junge Octavius allerdings vollständig darüber im Klaren, dass er eine andere Methode der Herrschaftssicherung anstreben musste als sein gescheiterter Großonkel. Seine Methode, die Erschaffung des Prinzipats, sollte sich dabei als erfolgreicher und langlebiger erweisen, als es die kurzfristigen Regime bisheriger Herrscher getan hatten und den Tod des Octavius deutlich überdauern.

Freitag, 10. September 2010

Fundstücke VI

Von Stefan Sasse

Auf Youtube findet sich ein Video "The whole history of the Soviet Union arranged to the melody of Tetris". Darin singt ein russischer Arbeiter (auf englisch) zur Tetris-Melodie, wie er die Blöcke anordnet. Diese Blöcke sind Tetrissteine, und über diese Arbeit und ihren Wandel im Lauf der Zeit erzählt er die Geschichte der Russischen Revolution, des stalinistischen Terrors, des späteren Kalten Krieges und dann des Zusammenbruchs der Sowjetunion und dem Aufstieg der Kapitalisten. Visuell ist das Video dabei sehr gut gelungen und fängt die Stimmung der jeweiligen Zeit ein; wer die Referenzen an Tetris wertschätzen kann wird ohnehin Spaß haben und wer die Grundzüge der russischen Geschichte kennt versteht auch die zentralen Aussagen des Videos ("Stalin loves you…!"). Da es allerdings vorrangig Anspielungen sind, sollte man sich nicht der Illusion hingeben tatsächlich informiert zu werden; ohne Vorkenntnisse ist das Video eher langweilig. 

Donnerstag, 9. September 2010

Der Blick in den Abgrund

Von Stefan Sasse

Abzug der sowj. Raketen von Kuba 1962
Die Staatsmänner beider Großmächte standen immer noch unter dem Eindruck der aufregenden letzten Tage. Praktisch unaufhörlich waren die Meldungen zwischen den Außenministerien hin- und hergegangen, und auch die Staatsoberhäupter selbst hatten zuletzt in einem intensiven, fast fiebrigen Kontakt gestanden, um das scheinbar Unabwendbare doch noch zu verhindern. Die Militärs hatten bis zuletzt auf Krieg gedrängt. Schnell zuschlagen, hieß es, solange der Gegner noch im Nachteil und nicht voll vergeltungsfähig war! Es ging um Stunden. Bereits im Verlauf des Tages konnte der Feind die Bereitschaft erlangen, die alle Vorteile zunichtemachen und den Krieg von einer schnellen, entschlossenen Operation in einen nie dagewesenen Weltenbrand verwandeln konnte. Doch die Zivilisten zögerten. Es musste einen Weg geben, doch eine Verhandlungslösung zu erreichen, die es allen Seiten erlaubte, das Gesicht zu wahren. Und sie vollbrachten, was schon niemand mehr für möglich gehalten hatte. Die Militärs mit ihrer unerbittlichen Denkmustern der Mobilmachung und militärischen Effizienz wurden im Zaum gehalten, die kalte Logik der Waffensysteme wurde durch das Primat der Politik bezwungen. Die Welt hatte in den Abgrund geschaut, und sie war erschaudernd zurückgeschreckt. Feierlich erklärte man, künftige Zwischenfälle dieser Art durch direktere Absprachen und Rüstungsbegrenzungen zu vermeiden. Mit diesen Ereignissen endete der August 1914.

Fundstücke V

Von Stefan Sasse

Erika Steinbach, die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, hat (wieder einmal) für einen Eklat gesorgt, als sie erklärte, dass am Vorabend des Zweiten Weltkriegs alle Großmächte "große Bereitschaft zum Krieg" gezeigt hätten und besonders Polen sich dabei "sehr kriegerisch" gegeben hätte. Die Behauptung von der polnischen Aggression, die den Polen eine gewisse Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zuschiebt, hört man aus revisionistischen Kreisen häufig, ebenso wie der Vorwurf an Frankreich und England, sie hätten den Krieg zumindest billigend in Kauf genommen. Was aber ist dran?

Münchner Sicherheitskonferenz 1938
Der Charme dieser Behauptung liegt darin, dass sie einen gehörigen Kern Wahrheit beinhalten. Das Problem ist nur, dass die Ursachen ausgeblendet und sehr krude Schlüsse daraus gezogen werden. Selbstverständlich zeigte sich Polen im Sommer 1939 so kriegerisch wie möglich, angesichts der unverholenen Kriegsdrohungen des mächtigen Nachbarn, der nicht nur das Sudetenland und Österreich annektiert, sondern auch noch entgegen dem Münchner Vertrag die Tschecheslowakei besetzt und zerschlagen hatte. Im Sommer 1939 war selbst dem letzten Appeaser klar geworden, dass mit Hitler nicht zu verhandeln war. Entsprechend stellten sich nun auch, endlich, England und Frankreich gegen Hitler. Besonders England hatte lange der Illusion unterlegen, man könne Hitler durch Verhandlungen ruhigstellen; nun war klar, dass dies nicht mehr länger möglich war. Man musste sich auf Polens Seite stellen, wenn man den deutschen Aggressionen nicht tatenlos zusehen wollte.

Von einer Mitschuld dieser Länder kann also keinesfalls gesprochen werden. Was sie sich vorwerfen lassen müssen ist eher, diese kriegerische Bereitschaft zum Kampf nicht bereits zwei Jahre vorher gezeigt zu haben, als es noch möglich war, Hitler zum Kuschen zu bringen, und nicht, diese letztendlich doch noch gefunden haben. Es war die harte Entschlossenheit zum Kampf eines Churchills, nicht die Verhandlungsbereitschaft eines Chamberlain, die Hitler schließlich in die Knie zwang. Steinbachs Revisionismus ist deswegen entschieden zu begegnen. Die Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs trägt Deutschland, und Deutschland allein.

Bild Wikimedia Commons. 

Dienstag, 7. September 2010

Fundstücke IV

Von Stefan Sasse

In der SZ ist ein Artikel über eine neue Ausstellung im KZ Buchenwald erschienen, die sich der Lagerprostitution widmet. Bevor jetzt jeder "Aha" schreit und ein weiteres Mal die Herrenmenschenideologie der Nazis ad absurdum geführt sieht: das waren Bordelle für die Häftlinge. Sie gehörten zu dem Belohnungssystem, mit dem die Häftlinge zur "Loyalität" angehalten wurden; die Prostituierten hatte man oft mit falschen Versprechen geködert. 
Wie so oft bei diesen Geschichten kommt er wahre Ekel aber erst nach dem Krieg: die Prostituierten, die das Ganze überlebt haben, bekamen keine Opferanerkennung. Oftmals waren sie von den Nazis als "Asoziale" (einer der gängigsten Gründe abseits der Rasse, ins KZ zu kommen) abgestempelt worden, eine Einschätzung, die sich in die Bundesrepublik hinüberrettete (wie so manches andere braune Unrecht). Aus Scham schwiegen die Opfer noch zusätzlich, und auch die Täter hatten nur wenig Interesse daran das Ganze aufzudecken. 
Es ist eines der nachhaltigsten Verdienste des Feminismus, solchen Ansichten - irgendwie schon selbst schuld, perverse Lust empfunden, durch vorheriges Lotterleben gekennzeichnet - den Garaus gemacht zu haben. Dass den Opfern postum der Opferstatus durch diese Ausstellung zugesprochen wird ist richtig, und in diesen Breiten dürfte das Problem auch für aktuelle Opfer definitiv Geschichte sein.

Montag, 6. September 2010

Der Erste Punische Krieg - Roms Aufstieg zur Weltmacht

Von Stefan Sasse

Darstellung eines röm. Legionärs Ende 3. Jhd. v. Chr. 
In den 70er Jahren des 3. Jahrhunderts vor Christus hatte Rom die Dominanz auf der italienischen Halbinsel erreicht. Vom Po bis zur Stielspitze gehörten alle Städte und Völker als Bundesgenossen (sociis) zum römischen Reich. Die Republik stand stabil, mächtig und aufstrebend. Auf der gegenüberliegenden Seite des Mittelmeers hatte Karthago, nicht viel älter als Rom selbst, eine Machstellung als See- und Handelsmacht. Zahlreiche Kolonien Karthagos zogen sich entlang der Mittelmeerküsten von Sizilien, Spanien, Nordafrika und Sardinien. Seine Flotten beherrschten das westliche Mittelmeer unangefochten. Karthago zeigte sich mit seiner Ausdehnung zufrieden; im Gegensatz zu Rom verfolgte es keine großen expansiven Tendenzen, sondern wollte seine bisherige Stellung sichern und ausbauen. Auf Sizilien indessen hatte Hiero die Macht über die große Stadt Syrakus an sich gerissen und trachtete danach, die Macht der Stadt zu stärken und zu einem regionalen Faktor auszubauen. Es sollten die Ambitionen dieses Hiero sein, die Rom und Karthago in den längsten zusammenhängenden Krieg der Antike rissen.

Freitag, 3. September 2010

Eine kurze Geschichte der Migration und Integration in der BRD

Von Stefan Sasse

Vertreibung in Schlesien 1945
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Massen von Menschen unterwegs und auf der Flucht. Millionen Deutsche waren aus den nun verlorenen Ostgebieten des Reiches vertrieben worden und brauchten eine Bleibe. Zwangsarbeiter, aus allen Ländern und Völkern Osteuropas ins Reich verschleppt, irrten durch die Ruinen ihrer einstigen Wärter. Kriegsgefangene befanden sich in großer Zahl im Land. Die Überlebenden der Konzentrationslager versuchten ihr kärgliches Dasein zu fristen. Im Ausland saßen Exilanten auf gepackten Koffern und hofften, bald nach Deutschland heimkehren zu können. Bedenkt man die damaligen Umstände, konnten diese Probleme überraschend gut gelöst werden. Die meisten der so genannten "Displaced Persons", also vor allem die Zwangsarbeiter aus der Kriegszeit, konnten entweder mit Asyl versorgt oder in ihre Heimat zurückgeschickt werden (wo sie unter dem stalinistischen Regime freilich häufig nur eine Fortsetzung des nazistischen Albtraums erwartete). Auch die Kriegsgefangenen wurden samt und sonders repatriiert. Der jungen Bundesrepublik gelang es mit Solidarausgleich und anderen Gesetzen, die Ostflüchtlinge zu integrieren - eine oftmals übergangene und erstaunliche Leistung, die vor allem darauf beruhte, dass man diejenigen belastete, die halbwegs ordentlich durch den Krieg gekommen waren. Die Leistung wurde solidarisch erbracht, und die Ostflüchtlinge bis Mitte der 1960er Jahre untergebracht.

Donnerstag, 2. September 2010

Gurkentruppe in Lack und Leder

Von Stefan Sasse

Juden auf dem Weg zur Gaskammer
Die Monstrosität des Holocaust ist in der Geschichte der Diktatur des Nationalsozialismus so allgegenwärtig, dass man darüber gerne übersieht, wie es um die höchsten Chargen der Nazis eigentlich bestellt war und welch absurde Vorstellungen diese hatten. Der Holocaust vermittelt ebenso wie der Zweite Weltkrieg als Ganzes gerne das Bild von kaltem, professionellen Massenmord, der von Fachleuten umgesetzt wurde, die überhaupt nichts diabolisches an sich hatten. Im Zusammenhang mit dem Eichmann-Prozess hat sich dafür die Bezeichnung von der "Banalität des Bösen" geprägt, die den Nagel auf den Kopf trifft. Eines der gräuslichsten Verbrechen der Menschheitsgeschichte wurde nicht von enthemmten, brutalen Killern verübt, sondern von blassen Sachbearbeitern. Es ist erstaunlich zu sehen, welche Vorstellungen demgegenüber die herrschenden Figuren wie Hitler, Goebbels und Himmler beherrschten, Vorstellungen, die von dem Typus des kalten Spezialisten wie eines Heydrich umgesetzt wurden.

Mittwoch, 1. September 2010

Fundstücke III

Von Stefan Sasse

Bei SpiegelOnline ist ein Artikel erschienen, der das Alltagsleben der Ritter beschreibt. So weit ich das als Nicht-Experte beurteilen kann, ist er ziemlich auf aktuellem Stand, was unser Wissen darüber anbelangt. Er ist recht ausführlich und gut geschrieben und räumt mit diversen schon länger bekannten, aber unausrottbaren Klischees auf (etwa die Ritter in Plattenpanzern im 11. Jahrhundert). Besonders für SpiegelOnline ist das Niveau überraschend gut, auf den dort üblichen Boulevard-Journalismus wird effektiv verzichtet - Lesemempfehlung!